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Tesla fährt deutschen Autobauern davon

Insa Wrede
4. November 2021

Ein Börsenwert von einer Billion Dollar, dazu Absatz- und Gewinnrekorde: Das ist die Lage bei Tesla. Dagegen kämpfen andere Autobauer mit Lieferengpässen und der Umstellung auf E-Autos. Sind sie nun endgültig abgehängt?

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Tesla Model 3
Bild: Tang Ke/Costfoto/picture alliance

Die Zukunft fährt elektrisch - davon sind viele Auto-Experten überzeugt. Nur welche Unternehmen werden davon profitieren? Momentan ist Tesla die Nummer Eins in Sachen E-Mobilität. Bis Dezember 2020 wurden weltweit insgesamt rund 1,38 Millionen Fahrzeuge des texanischen Herstellers neu zugelassen. Das bisher erfolgreichstes E-Auto, das Model 3, kommt ebenfalls aus der Schmiede von Elon Musk. Es verkaufte sich bis Ende 2020 etwa 813.000 mal. Dieses Jahr im September hat es in Europa den Platz des meistverkauften Autos erobert und damit sogar den VW Golf überholt. Die Zeichen stehen für Tesla auf Sieg. Weltweit sind die E-Autos anderer Autobauer etwa von BYD oder VW weniger erfolgreich gewesen - sowohl was die Gesamtverkäufe bis Ende 2020 angeht, als auch die Verkäufe in 2020.

Infografik - Weltweit verkaufte Elektroautos - DE

Hertz sorgt für Kurssprung

Einen kräftigen Schub bescherte kürzlich der Autovermieter Hertz der Tesla-Aktie. Der Autovermieter kündigte an, bis Ende nächsten Jahres 100.000 E-Autos von Tesla kaufen zu wollen. Dabei kann sich Tesla anscheinend sogar leisten, noch nicht mal einen Mengenrabatt zu geben. Das verkündete zumindest Tesla-Gründer Elon Musk auf Twitter. Die Nachfrage nach seinen Autos sei viel größer als die Produktion. Es sei auch noch kein Vertrag mit Hertz unterzeichnet. 

Von dem Deal mit Hertz - wenn er denn kommt - kann Tesla erhoffen, Kunden zu erreichen, die bislang E-Autos noch gar nicht im Sinn hatten. "Die Fahrzeuge, die von Mietwagenfirmen vermietet werden, kommen in Kontakt mit vielen, meist solventen Käufern. Insofern ist das Mietwagen-Geschäft auch ein Probefahrten-Geschäft", sagt Autoexperte Stefan Bratzel vom unabhängigen Forschungsinstitut Center of Automotive Management an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach.

Einen Nachfrageschub kann es also schon geben, aber nur bedingt einen Verkaufsschub. Der Deal helfe Tesla nur begrenzt, "weil man tatsächlich keine Nachfrage-Problem hat, sondern eher ein Produktions-Problem", so Bratzel. Trotzdem hatte allein die Ankündigung des Deals direkte Wirkung auf den Aktienkurs von Tesla. Der stieg prompt auf über eine Billion Dollar. Ein Wert der so groß ist wie der Wert der zehn nächstgroßen Automobilhersteller zusammengenommen.

Andere Autobauern abgehängt?

Was aber bedeutet dieser Hype um Tesla für die deutschen Autobauer? Sind sie nun endgültig vom E-Auto-Pionier abgehängt worden? In den Chefetagen der Wettbewerber hat man schon lange zur Aufholjagd geblasen. Aber der Abstand ist groß, so hatte Herbert Diess, Konzernchef von VW, noch im Oktober seine Führungskräfte gewarnt: "Ich weiß, einige von euch hassen das, aber in erster Linie ist es Tesla. Der Abstand vergrößert sich. Sie werden schneller. Sie liefern. Sie werden besser im Bauen von Autos. Sie haben eine vollvernetzte Flotte rund um die Welt. Und sie sind die einzige Marke, die trotz COVID wächst."

Tesla Model S - P85
Wer Tesla überholen möchte, muss ganz schön Gas geben...Bild: Jonathan Fleetwood/empics/picture alliance

Chipmangel und Lieferengpässe treffen Tesla weniger

Teslas Rekordzahlen fallen in eine Zeit, in der die meisten Autobauer mit Schwierigkeiten kämpfen. Nicht nur die Corona-Pandemie, sondern auch Störungen in den globalen Lieferketten, besonders ein Mangel an Chips machen ihnen zu schaffen. Experten rechnen damit, dass in Folge weltweit sieben bis zehn Millionen Autos weniger produziert werden als ursprünglich von den Autobauern geplant. Zum Teil stehen die Bänder bei VW und Co still.

Nicht so bei Tesla. Hier rollten im 3. Quartal 2021 mit weltweit über 241.000 Fahrzeugen sogar 64 Prozent mehr Autos vom Band als im entsprechenden Vorjahresquartal. Zum einen habe Tesla nicht wie andere Hersteller während der Corona-Krise Teile, also auch Chips, abbestellt, erklärt Bratzel. Das begründet Frank Schwope von der Nord LB damit, dass sich Tesla in einer starken Wachstumsphase befindet. "Ein solches Unternehmen, das weiß, dass es mehr verkaufen, als es produzieren kann, bei dem ist die Notwendigkeit Chip-Lieferungen zu kürzen, weniger groß als bei einem etablierten Hersteller.

"Zum anderen leidet Tesla weniger unter Chipmangel, weil der Konzern auch Kompetenzen bei Chips besitzt. Beispielsweise ist es Tesla möglich, dass man verschiedene Chip-Sortimente umprogrammieren kann für entsprechende Anwendungen im Fahrzeug," sagt Bratzel. Auch bei der Fabrik in Grünheide in Brandenburg, die gerade gebaut wird, verfolge Tesla das Konzept, möglichst viele Teile selbst, und damit unabhängig, herzustellen. Trotzdem wirke sich die Chip-Krise auch auf Tesla aus, weil der E-Autobauer auch Lieferanten wie etwa Bosch oder Continental habe, die von der Chip-Krise betroffen sind, so Bratzel.

Deutschland Grünheide | Baustelle Teslafabrik
In Grünheide bei Berlin entsteht zur Zeit eine neue Gigafactory von TeslaBild: Uwe Koch/Eibner-Pressefoto/picture alliance

Den Chipmangel sieht Frank Schwope somit auch als Grund dafür, dass das Modell 3 im September in Europa mehr verkauft wurde als der Golf. Bei Volkswagen werde man sicherlich lieber einen Porsche oder einen elektrischen ID.3 als einen Golf oder Polo produzieren, so Schwope. Denn bei den Premiummarken lassen sich viel größere Margen realisieren. "In den nächsten Monaten wird das Model 3 sicherlich nicht zwangsläufig weiterhin das meistverkaufte Auto Europas sein," so Schwope. 

"Wir gehen schon davon aus, dass die nächsten zwei bis drei Jahren einen Konzern, etwa wie Volkswagen beim Absatz Tesla überholen kann", so Bratzel. Auch Tesla-Chef Elon Musk ist sich der Konkurrenz wohl bewusst, wie er in einem Tweet über deutsche Autohersteller deutlich machte. Sie hätten "ein großes Talent" und dass sie sich von der Krise "stark erholen" werden. 

Andere wollen bei der Ladeinfrastruktur aufholen

Bislang hat Tesla auch einen großen Vorteil dadurch, dass das Unternehmen ein eigenes Netz von Schnellladestationen in vielen Ländern aufgebaut hat. Einfach Stecker rein - der Rest läuft automatisch. Wer mit einem E-Auto anderer Hersteller unterwegs ist, muss dagegen erst erkunden, wo Ladestationen stehen, wer sie betreibt und wie der Ladevorgang funktioniert und abgerechnet wird. Zur Zeit herrscht in Deutschland noch "Lade-Chaos", meint Bratzel. 

Was Tesla jahrelang vorgemacht hat, haben nun aber auch die anderen Autobauer verstanden. Inzwischen versuchen sie durch Kooperationen mit anderen Unternehmen ebenfalls Ladeinfrastrukturen aufzubauen. Bratzel geht allerdings davon aus, dass es noch einige Jahre dauern könne, bis deren Kunden ein ähnlich bequemes Laden wie bei Tesla geboten werden könne. Zudem öffnet Tesla mittlerweile seine Supercharger auch für andere E-Autofahrer. 

Tesla Ladestation
Einfach vorfahren, Kabel einstecken und los geht der Ladevorgang bei Tesla. Abgerechnet wird automatisch über die Tesla-App.Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Börsenwert als Wette auf die Zukunft

Ist angesichts der vielen Vorteile von Tesla gegenüber den Konkurrenten der Börsenwert also doch berechtigt? Frank Schwope meint, der hohe Kurs sei eher eine Wette auf die Zukunft. Bratzel hält den Börsenwert ebenfalls für sehr übertrieben. "Ich glaube, da sind sehr viele Hoffnungswerte eingepreist. Ein hoher Börsenwert von Tesla ist durchaus durch Kompetenzen in den Bereichen Batterie, Software und  Betriebssysteme gerechtfertigt, aber nicht in dieser Höhe", meint Bratzel.

Auch die von Tesla verkündeten Wachstumsziele von 50 Prozent jährlich in den kommenden Jahren sieht Bratzel kritisch. Zwar habe Tesla bislang tatsächlich dieses Wachstum realisiert, in den nächsten Jahren müsse sich diese Wachstumskurve zumindest prozentual etwas abflachen, so Bratzel. "So schnell kann man die Werke gar nicht bauen, wie Tesla sich das wünscht. Aber wir gehen schon davon aus, dass Tesla in den nächsten Jahren weiter wachsen wird im Bereich der Elektromobilität."

Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion