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Politik

Thailands Einigkeit wird nicht andauern

10. Juli 2018

Das Rettungsdrama in Thailand ist glücklich beendet. Nach der Welle der nationalen Solidarität wird aber bald wieder die polarisierte Innenpolitik Oberhand gewinnen, vermuten Beobachter.

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Thailand Höhle | Rettungsaktion Jugendliche
Bild: Getty Images/L. DeCicca

Seit mehr als zwei Wochen verfolgt die Weltpresse fieberhaft die Bemühungen zur Rettung von zwölf Jungen und ihrem Trainer aus einer Höhle in Thailands nördlicher Chiang Rai Provinz, die heute zu einem glücklichen Ende gekommen ist. Auch in Thailand dominiert das Thema seit Beginn der dramatischen Ereignisse die Presse und die Gespräche der Menschen, wie Stine Klapper von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Thailand im Gespräch mit der Deutschen Welle schildert. "Sobald das Verschwinden der Jungs bekannt wurde, war das hier das Topthema."

Kurz nachdem thailändische und britische Höhlentaucher die Vermissten am späten Abend des 2. Juli ausfindig gemacht hatten, reiste auch der thailändische Premierminister Prayuth Chan Ocha, der 2014 durch einen Militärputsch an die Macht gekommen war, zum Ort des Geschehens. Er hielt eine Rede, bei der er sich auch an die Familien der eingeschlossenen Jungen wandte: "Wir brauchen den Glauben. Nur der Glaube schafft den Erfolg. Ihr müsst an die Regierung glauben. Und ihr müsst an die Stärke und Kraft eurer Kinder glauben. Alles wird zur Normalität zurückkehren."

Verhalten der Regierung

Der Journalist und Dozent an der schottischen Napier-Universität, Andrew MacGregor Marshall, der ein scharfer Kritiker der thailändischen Militärjunta ist, warf dem "Diktator" Prayuth auf seinem viel gelesenen Facebook-Account vor, er hätte nur eine Rede über seine eigene Großartigkeit gehalten. Klapper von der FES sieht den Auftritt Prayuths weniger kritisch. Ihrer Ansicht nach ist es in Thailand üblich, dass Regierungschefs in so einer Krise den Ort des Geschehens besuchen. Dass es dabei auch um die Selbstdarstellung der Regierung gehe, sei unvermeidlich. "Man kann der Regierung jetzt nicht vorwerfen, dass sie versucht, das Ereignis medial auszuschlachten." Für eine abschließende Beurteilung sei es allerdings noch zu früh, denn die Rettung ist erst kurz nach dem Gespräch zu Ende gegangen.

Thailand Rettungsaktion Tham Luang Höhle
Das thailändische Militär war federführend an der Rettung beteiligtBild: Getty Images/Linh Pham

Dass das Militär die entscheidende Rolle bei der Rettung der Jungen spiele, habe nichts damit zu tun, dass das Militär sich in den Vordergrund spielen wolle, sondern schlicht damit, dass es in Thailand keine zivilen Organisationen wie einen Katastrophenschutz gibt, die solche Rettungsaktionen durchführen könnten.

Einigkeit und Spaltung der Gesellschaft

Was die Rettungsaktion der Jungen im Land allerdings bewirkt habe, sei eine Solidarität und Einigkeit fast aller Thais. "Dieses Ereignis ist ein verbindendes Element. Es ist etwas, dass alle vereint, sowohl in ihren Hoffnungen als auch in ihren Befürchtungen", sagt Klapper.

Dazu muss man wissen, dass die thailändische Gesellschaft tief gespalten ist. Auf der einen Seite stehen die traditionellen Eliten aus Königshaus, Militär und Bürokratie. Auf der anderen Seite stehen Teile der aufstrebenden Mittelschicht, unterstützt von Bauern aus dem Norden des Landes, die sich mehr politische Teilhabe wünschen.

Jahrelanges Auf und Ab

Diese neuen politischen Kräfte machte sich die Shinawatra-Familie zunutze, um mit teils populistischer Politik das Machtmonopol der alten Eliten aufzubrechen. Die Folge: Seit Jahrzehnten kommt Thailands politisches System nicht zur Ruhe. Auf Wahlen folgen Massenproteste, Amtsenthebungsverfahren und/oder Putsche und die Polarisierung der Gesellschaft wächst und wächst. Die jüngste Krise fiel in das Jahr 2014, als schließlich das Militär im Mai die Premierministerin Yingluck Shinawatra stürzte und die Kontrolle im Land übernahm.

Thailand Premierminister Prayuth Chan-Ocha 25.08.2014
Ex-Armeechef und amtierender Premierminister Prayuth Chan Ocha bei seiner Amtseinführung im August 2015Bild: Reuters/Thailand Government House

Seit mehr als vier Jahren regiert das Militär in Gestalt des Nationalen Rates für Frieden und Ordnung (NCPO). Versammlungsrecht und Pressefreiheit sind massiv eingeschränkt. Die Militärs versuchen unter anderem mit einer neuen Verfassung, die im August 2016 von der Mehrheit des Volkes angenommen wurde, ein System zu schaffen, in dem die traditionellen Eliten die Kontrolle über die politische Entwicklung behalten. Bis der Systemumbau abgeschlossen ist, wird der Wahltermin hinausgezögert. Erst im Juni 2018 hatte die Militärregierung den Wahltermin ein weiteres Mal verschoben. Prayuth hatte erklärt, dass die Wahlen erst nach der offiziellen Krönungszeremonie des neuen thailändischen Königs, der 2016 den Thron bestiegen hat, stattfinden könne. Wann das passiert, ist noch völlig unklar. Eine Wahl in diesem Jahr ist damit aber unwahrscheinlich.

Klapper von der FES sagt dazu, dass viele Thais vor dem Beginn des Höhlen-Dramas darauf gewartet haben, wählen zu dürfen. "Die Menschen wollten nun endlich an die Urnen." Dass sich allerdings bei den Wahlen und in der Innenpolitik danach etwas von dem Geist der Einigkeit der letzten zweieinhalb Wochen wiederfindet, glaubt Klapper eher nicht. "Das wird nicht zu einer nachhaltigen Einigung in diesem sehr gespaltenen Land führen." Die tieferliegenden Konflikte, die Thailands Gesellschaft prägen, sind ungelöst.

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia