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"Niemanden zurücklassen"

Helle Jeppesen23. Oktober 2015

Niemand darf zurückgelassen werden. So lautet das Credo der neuen Nachhaltigen Entwicklungsziele, kurz SDGs. Ab Januar 2016 soll der neue Masterplan der UN in die Tat umgesetzt werden.

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Tag der Nachhaltigkeit
Bild: picture-alliance/dpa/Rumpenhorst

Die SDGs sind eines der wichtigesten Dokumente auf die sich die Welt je geeinigt hat - das sagt Thomas Gass, der beigeordnete Generalsekretär der UN Hauptabteilung für Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten. Entscheidend für den Erfolg der neuen Agenda für nachhaltige Entwicklung wird die weltweite Umsetzung sein, die alle Beteiligten auf privater, öffentlicher, nationaler und internationaler Ebene mit einbezieht, erklärte Gass gegenüber DW.

DW: In New York wurden vor kurzem die Nachhaltigen Entwicklungsziele, kurz SDGs verabschiedet: Würden sie sagen, dass nach den SDGs alle Länder “Entwicklungsländer” sind?

Thomas Gass: Die SDGs sind so ambitioniert und so grundlegend, dass wir nur etwas erreichen können, wenn alle mit an Bord sind, wenn alle mitmachen. Die Ziele nachhaltiger Entwicklung müssen Teil des Dialogs auf nationaler Ebene werden, bei den Abgeordneten, in den Gemeinden, ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass sie in Familien, Umweltverbänden und Schulen diskutiert werden müssten. Sie müssen in aller Munde sein! Die Ziele sind der neue Sozialvertrag. Und er ist großartig geworden! Zum ersten Mal haben wir 169 Anhaltspunkte, wie wir es schaffen können, keinen zurückzulassen.

Thomas Gass UN DESA
"Wirtschaftliche und soziale Teilhabe fördern": Thomas Gass, UN DESABild: UN Photo/Evan Schneider

Und ist die UN in der Lage, die SDGs durchzusetzen?

Man hat diesmal versucht, mehr Parteien in den Findungsprozess der Ziele mit einzubeziehen als jemals zuvor. In den letzten zwei bis drei Jahren haben sich alle Länder beteiligt, viele NGOs, Bürgerrechtsgruppen und Interessenverbände. Außerdem wurden fast fünf Millionen Menschen einzeln interviewt, um einen Überblick zu bekommen, was sie von den Zielen erwarten. Die SDGs sind das Ergebnis eines sehr partizipativen Prozesses. Ich würde sogar sagen, die UN hat ein Stück weit ihre Türen und Fenster aufgemacht.

Das Ergebnis hat die emotionale Intelligenz aller beteiligten Nationen ein Stück voran gebracht. Denn die Ziele sind nichts weniger als unsere gemeinsame Vorstellung von Menschlichkeit. Sie bilden den Rahmen für die Anstrengungen, die wir alle in den nächsten 15 Jahren unternehmen müssen. Ich denke, dass sich jede Organisation und jedes Land daran messen lassen muss.

Die SDGs sind jedoch nur moralisch und nicht vor dem Gesetz bindend. Hat die UN Möglichkeiten, ihre Realisierung durchzusetzen?

Die UN hat nicht die Funktion einer Polizei, es ist nicht ihre Aufgabe, die Länder zu kontrollieren. Aber wir werden die Länder dabei unterstützen ihren Fortschritt zu überprüfen. Wir werden einen jährlichen Fortschritts-Report erstellen, in dem Informationen über die einzelnen Indikatoren zusammengetragen werden. Für jedes der 169 Unter-Ziele wird es Indikatoren geben, denen alle zustimmen müssen. Und wir werden das übers Jahr gesammelte Material der internationalen Gemeinschaft präsentieren.

Zusätzlich haben wir die Länder eingeladen, selbst ihre Fortschritte zu präsentieren. Sie sind eingeladen auf regionaler Ebene zusammenzuarbeiten, um sich gegenseitig zu unterstützen. In einigen Regionen würde es sich sogar anbieten, sich gleich vor Ort in einem Peer-Review-Verfahren selbst zu kontrollieren.

Und dann stehen wir vor der Herausforderung auf globaler Ebene: sicherzustellen, dass der Erfolg der einzelnen Ziele in einem Vier-Jahreszyklus auf höchster politischer Ebene nachvollziehbar gemacht wird.

Indonesien Kinderarbeit (Bildergalerie)
Bis 2030 soll die extreme Armut weltweit abgeschafft seinBild: picture alliance/AP Photo/B. Bakkara

Auf der Konferenz in Addis Abeba wurde die Bedeutung der finanziellen Beteiligung von Privatunternehmen betont – Halten Sie die Beteiligung privater Unternehmen bei der Umsetzung der 17 Ziele für realistisch?

Wenn wir die SDGs erreichen wollen, dann werden wir sicherstellen müssen, dass sich sämtliche Finanzströme auf nationaler Ebene der nachhaltigen Entwicklung unterordnen. Wir müssen für eine Umgebung sorgen, die Investitionen aus dem Privatsektor anzieht, aber nicht jede beliebige Investition: sie muss nachhaltig sein, Respekt vor der Umwelt haben und darauf angelegt sein, die Menschen zu stärken und ihre soziale und wirtschaftliche Teilhabe zu fördern.

Auf der anderen Seite ist es sehr wichtig, dass Unternehmen realisieren, dass das alles zu ihrem eigenen Besten geschieht. Eine wachsende Mittelschicht zum Beispiel ist gut fürs Geschäft. Das Gleiche gilt für ein stabiles politisches Umfeld, wodurch die Kaufkraft auf den lokalen Märkten zunimmt. Ich würde sagen, dass der private Sektor einer der Hauptnutznießer dieser Agenda für nachhaltige Entwicklung sein wird. Hoffentlich werden die weitsichtigeren Unternehmen frühzeitig erkennen, dass es in ihrem direkten Interesse ist, in nachhaltige Entwicklung zu investieren.

Dieses Interview wurde bearbeitet und gekürzt.

Thomas Gass ist der stellvertretende Generalsekretär für Politikkoordinierung und interinstitutionelle Angelegenheiten in der UN-Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten (UN DESA). Vor seinem Amtsantritt im September 2013 arbeitete der Schweizer Diplomat als Leiter der Schweizer Mission in Nepal und erfüllte zahlreiche Funktionen für die Schweizer Mission bei der UN in New York.