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Rollstuhl mit Gedanken steuern

3. März 2016

Im Versuch ist es Affen geglückt, einen Rollstuhl nur mit der Kraft ihrer Gedanken zu steuern. Eine Technologie mit großem Potenzial - die trotz vielversprechender Experimente wohl noch in ferner Zukunft liegt..

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Affen steuern Rollstuhl allein mit Gedankenkraft (Foto: Duke University Medical School/dpa)
Bild: dpa/Duke University Medical School

Es könnte eine große Hilfe für Querschnittsgelähmte sein: Der Rollstuhl fährt nur mit Gedankenkraft genau so wie der Patient es möchte.

Was wie Science Fiction klingt ist nun einem Team von Medizinern um Miguel Nicolelis von der Duke University Medical School in Durham, North Carolina, gelungen. Die Forscher berichten über ihr Experiment - das sie im Primatenmodell durchgeführt haben - in der heutigen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature - Scientific Report".

Die Mediziner hatten zwei Rhesusaffen mehrere Elektrodenbündel in genau die Gehirnbereiche implantiert, die normalerweise für die Fortbewegung zuständig sind. Diese Bündel bildeten mit einer drahtlosen Datenverbindung die Hirn-Maschine-Schnittstelle, auch Brain-Computer-Interface (BCI oder BMI) genannt.

Die gesunden und nicht gelähmten Tiere wurden dann in eine motorisierte Rollstuhlbox gesetzt. Zuerst musste die Schnittstelle die elektronischen Aktivitätsmuster im Gehirn der Affen erlernen. Dazu wurde der Rollstuhl zu einer Schale - gefüllt mit Weintrauben - hingefahren.

In einem zweiten Schritt übersetzte die Schnittstelle die Gedankeninformationen der Affen in Steuerungsbefehle an den Rollstuhl. So lernten die Affen durch Gedanken den Rollstuhl zum Futter zu steuern. Mit der Zeit verbesserten sie die Kontrolle über das Gefährt zunehmend.

Hirn-Maschine-Schnittstellen sind nicht ganz neu

Schon heute werden elektrische Steuerimpulse vom Gehirn für Hirn-Maschine-Schnittstellen genutzt, etwa um einfache Arm-, Hand- und Fingerprothesen zu steuern.

Meist werden die Elektroden dabei nicht implantiert, sondern - ähnlich wie bei einem Elektroenzephalogramm (EEG) - auf die Schädeldecke geklebt. Aber auch heute gibt es immer mehr Anwendungen, bei denen Elektroden direkt ins Gehirn implantiert werden.

Neben der Steuerung von Prothesen dient dies der Kontrolle von Schmerzen oder um Fehlfunktionen im Gehirn entgegenzuwirken.

Die derzeit häufigste Anwendung ist der Hirnschrittmacher für Patienten, die an einer bestimmten Form der Parkinson-Krankheit leiden. Bei dieser tiefen Hirnstimulation werden sehr leichte Stromimpulse in bestimmte Gehirnbereiche abgegeben, um spezifische Symptome zu lindern und typische motorische Leiden zu unterdrücken.

Affen steuern Rollstuhl allein mit Gedankenkraft (Foto: Duke University Medical School/dpa)
Die Aufgabe der Rhesus-Affen war es, eine Futterschale durch Gedankenkraft zu erreichen.Bild: dpa/Duke University Medical School

Wireless-Verbindung zum Rollstuhl

Die Elektroden, die im jetzigen Versuch zum Einsatz kamen, ähneln diesen stark, nur dass sie keine Impulse in das Hirn gesetzt, sondern Informationen aus dem Gehirn an ein externes Gerät weitergegeben haben.

Wirklich neu daran sei die Funkübertragung von der Schnittstelle auf der Schädeldecke an das Gerät, sagt Alexander Gail, Experte für sensomotorische Neurowissenschaften an der Universität Göttingen: "Richtig toll kommt dieser Vorteil allerdings erst dann zum Tragen, wenn die Technik so klein sein wird, dass sie komplett unter der Haut bleiben kann." Auch dafür gibt es schon Vorbilder: Schmerzschrittmacher oder Herzschrittmacher werden schon lange fest implantiert.

Nicolelis und sein Team hoffen nun, Schwerstgelähmten wieder zu mehr Mobilität zu verhelfen - etwa durch weitere Prothesen, wie Exoskelette, die dann durch Gedanken steuerbar wären.

Gewebe-Elektroden sind besser verträglich

"Die Ergebnisse zeigen uns, dass im Hirn befindliche BMIs in Zukunft auch bei schwerstgelähmten Menschen die Mobilität des gesamten Körpers wieder herstellen könnten", sagt der Arzt.

Bis es soweit kommt, ist allerdings noch viel Forschung nötig. Das Interesse an der neuen Technik ist indes riesig: Der Studie zufolge könnten sich etwa 70 Prozent der Betroffenen implantierte Elektroden zur Kontrolle von Geräten bei sich vorstellen.

Ein von anderen Anwendungen, wie der tiefen Hirnstimulation, bekanntes Risiko bei der Implantation von Elektroden ins Gehirn ist die Vernarbung der Hirnrinde. Dies kann zu epileptischen Anfällen führen. Gabriel Curo, Fachmann für Neurophysik an der Berliner Charité, hofft, dass neuartige Elektroden aus weichen und besser verträglichen Geweben dieses Risiko in Zukunft minimieren könnten.

fs/hf (dpa)