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"LRA so schwach wie nie"

Susan Houlton /mb8. Januar 2015

Mit Dominic Ongwen hat sich der bislang ranghöchste Kommandeur der ugandischen LRA-Miliz ergeben. Experte Kristof Titeca erklärt, warum der Kampf gegen die Gruppe schwierig ist - auch wenn sie Rückschläge erlitten hat.

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USA unterstützen Uganda bei der Jagt auf Joseph Kony
Bild: picture-alliance/dpa/Tylle

Die Lord's Resistance Army, Widerstandsarmee des Herrn (englische Abkürzung: LRA), gilt als eine der brutalsten Terrorgruppen der Welt. Sie wurde 1987 vom selbst ernannten christlichen Propheten Joseph Kony in Uganga gegründet. Dominic Ongwen, der sich US-Angaben zufolge amerikanischen Truppen am Dienstag auf dem Gebiet der Zentralafrikanischen Republik ergab, galt als einer von Konys Stellvertretern. Auf sein Konto sollen zahlreiche Gewalttaten an Zivilisten gehen. Er wird wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag mit Haftbefehl gesucht.

Deutsche Welle: Herr Titeca, welche Rolle spielte Dominic Ongwen innerhalb der LRA?

Kristof Titeca: Dominic Ongwen war ein hochrangiger Kommandeur in der LRA. Er war als hervorragender Kämpfer bekannt, weswegen er etwa ab 2000 relativ schnell in der LRA aufstieg. Allerdings begann er seit der zweiten Hälfte der 2000er Jahre, die Führungsriege herauszufordern und Machtansprüche zu stellen. So hat er sich in den vergangenen zehn Jahren mehr und mehr selbst isoliert.

Inwieweit schwächt seine Gefangennahme die LRA?

Er ist ein bedeutender Kommandeur, deswegen ist das ein bedeutendes Ereignis. Allerdings ist es militärisch kein großer Rückschlag für die LRA, denn die LRA operiert seit einiger Zeit in stark zersplitterten Gruppen. Und Ongwen agierte weitgehend unabhängig und von der Führung an den Rand gedrängt. So hat sein Aufgeben einen hohen symbolischen Wert, aber keine große militärische Bedeutung mehr.

Warum hat Ongwen sich gerade jetzt gestellt?

Ongwen war als Kind entführt worden, 1990 im Alter von nur zehn Jahren. Zwar war er zwischenzeitlich eng mit der LRA-Führung verbunden, aber er hat offenbar schon länger mit dem Gedanken gespielt aufzugeben. Es gab schon mehrmals Berichte, dass er die Gruppe verlassen wolle, es sich aber dann doch anders überlegt habe. Deswegen ist die Überraschung nun nicht so groß, dass er sich nun endgültig entschieden hat, sich zu stellen. Zudem ist die LRA so schwach wie noch nie in ihrer Geschichte. Sie ist unglaublich zersplittert. Die einzelnen Gruppen operieren unabhängig und weit entfernt vom LRA-Chef Joseph Kony. Viele dieser Gruppen haben seit einiger Zeit sogar überhaupt keinen Kontakt mehr zur Führung gehabt. Sie leiden oft Hunger und stehen militärisch unter großem Druck. Sie haben auch keine sicheren Rückzugsgebiete mehr wie früher im Sudan, wohin sie sich zurückziehen konnten. Militärische Erfolge sind kaum noch in Sicht. Das alles könnte auch zu seinem Aufgeben beigetragen haben.

Könnte die Tatsache, dass er selbst als Kind entführt und zum Kämpfen als Kindersoldat gezwungen wurde, bei einem Prozess als mildernder Umstand berücksichtigt werden?

Sein Fall zeigt die ganze Komplexität des Konflikts. Er war ein Opfer und wurde dann selbst zum Täter. Er musste diese Taten begehen, um zu überleben. Der Internationale Gerichtshof hat auch entschieden, dass Kinder, die entführt wurden und solche Taten begehen, als Opfer angesehen werden. Allerdings gilt das nicht mehr mit dem Erreichen des achtzehnten Lebensjahres. Außerdem: Je höher Ongwen in der LRA als Kommandeur aufstieg, desto mehr wurde er für seine Handlungen verantwortlich. Auch wenn die Tatsache, dass er als Kind entführt wurde, berücksichtig wird - er ist nun seit einiger Zeit erwachsen und hat als Erwachsener furchtbare Gräueltaten begannen.

Viele fordern, Ongwen solle nun an den Internationalen Strafgerichtshof ausgeliefert werden. Allerdings wollen einige Ugander ihn lieber im eigenen Land vor Gericht stellen. Was wird mit ihm passieren?

Derzeit ist er in der Hand amerikanischer Soldaten. Die könnten ihn direkt an den Internationalen Strafgerichtshof überstellen. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass sie Ongwen an die Ugander übergeben. Es bleibt dann abzuwarten, was weiter mit ihm geschieht. Ursprünglich war Ugandas Präsident Yoweri Museveni das erste Staatsoberhaupt, das mit der LRA-Rebellion einen Fall nach Den Haag überwies. Inzwischen ist er allerdings extrem kritisch gegenüber dem Gerichtshof eingestellt und hat etwa gefordert, dass die afrikanischen Staaten aus dem Internationalen Strafgerichtshof austreten sollten. Niemand weiß, wie sich Uganda entscheiden wird, wenn Ongwen an das Land überstellt wird.

Hinter wem die US-Truppen ja am meisten her sind, ist der LRA-Chef selbst. Ist Ongwens Aufgeben ein Anzeichen dafür, dass auch die Gefangennahme von Joseph Kony näher rückt?

Das ist die Millionen-Dollar-Frage! Oder genauer die Fünf-Millionen-Dollar-Frage, denn die USA haben eine Belohnung von fünf Millionen Dollar ausgesetzt für Hinweise, die zu Konys Festnahme führen. Kony war zuletzt mit einer kleinen, hochbeweglichen Gruppe unterwegs innerhalb eines sehr großen Gebiets - weitgehend unabhängig von der Gruppe, in der Ongwen sich befand. Da ist kein direkter Effekt auf Konys Gruppe oder auf dessen Strategie zu erwarten.

Kristof Titeca ist Wissenschaftler am Institut für Entwicklungspolitik und Management der Universität von Antwerpen.

Das Interview führte Susan Houlton.