1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Tod in Afghanistan: Was geschah in Kabul?

21. Mai 2017

Eine deutsche Entwicklungshelferin und ein Afghane getötet, eine Finnin entführt. Bei der Aufklärung des schrecklichen Überfalls in der afghanischen Hauptstadt stehen die Behörden ganz am Anfang,

https://p.dw.com/p/2dLJC
Afghanistan Kabul Tatort Entführung Deutsche getötet
Das Gästehaus in Kabul, in dem sich die Tat ereigneteBild: Reuters/O.Sobhani

In Agenturberichten aus der afghanischen Hauptstadt gibt es viele Spekulationen und wenig Konkretes. Die Entführer-Mafia, die Kabul unsicher macht, könnte hinter der Tat stecken, die auch in Deutschland für Bestürzung sorgt. Unbekannte Bewaffnete haben bei einem Überfall auf ein Gästehaus eine Deutsche getötet. Außerdem sei ein Wachmann ermordet worden, sagte der Sprecher des afghanischen Innenministeriums, Nadschib Danisch. Eine Finnin sei entführt worden. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte, dass die in Kabul getötete Frau deutsche Staatsbürgerin ist.

Seit zehn Jahren vor Ort

Die Bundesbürgerin sei eine sehr erfahrene Entwicklungshelferin gewesen, sagte eine Sprecherin der schwedischen Hilfsorganisation Operation Mercy der Deutschen Presse-Agentur. "Sie lebte seit zehn Jahren in Afghanistan und hat seit 2011 für Operation Mercy gearbeitet." Zuletzt habe sie ein Alphabetisierungsprojekt geleitet, erklärte die Sprecherin weiter. Die Frau habe in dem Gästehaus gelebt, in dem sich der Überfall am späten Samstagabend ereignete. Aus Sicherheitskreisen in Kabul verlautete, dass die Täter gegen 23.30 Uhr Ortszeit (21.00 Uhr MESZ) in das Haus eingedrungen seien.

Die Deutsche Presse-Agentur berichtet, es habe sich - entgegen früherer Meldungen - nicht um eine "Erstürmung" gehandelt. Die Täter hätten sich leise auf das Gelände geschlichen, Schusswechsel seien nicht zu hören gewesen, wurden Nachbarn zitiert. Der Polizeichef des Bezirks bestätigte, die Beamten seien erst nach der Tat eingetroffen. Möglicherweise hat sich eine dritte Frau, eine Holländerin, vor den Eindringlingen verstecken können.

Unterstützung aus der Politik?

Die Hintergründe sind noch unklar. "Wir können nicht sagen, ob der Zwischenfall einen kriminellen oder terroristischen Hintergrund hat, aber eine Untersuchung läuft", sagte der Sprecher des Innenministeriums. Die Täter seien entkommen. Möglicherweise ist der Überfall das Werk der immer aktiveren Kidnapping-Mafia von Kabul. Dieser Gruppe waren allein im vergangenen Jahr mindestens vier Ausländer - eine Inderin, ein Amerikaner und ein Australier - sowie viele afghanische Geschäftsleute zum Opfer gefallen. Die dpa zitiert Quellen, die davon ausgehen, dass die Mafia Unterstützung auch aus hohen afghanischen Politkreisen genieße. 2015 hatten Entführer in Kabul auch eine Mitarbeiterin der deutschen staatlichen Entwicklungshilfsorganisation GIZ entführt. Die Frau war nach rund zwei Monaten freigekommen.

Zum anderen könne es sich um einen gezielten Angriff auf die Nicht-Regierungsorganisation Mercy als christliche Institution handeln. Zuletzt hatten die Taliban 2014 das Gästehaus von Nothelfern angegriffen, die sie für Missionare hielten.

Afghanistan Angriff der Taliban auf eine Militärbasis in Masar-i-Scharif
Masar-i-Scharif: Schwerbewachte Militäranlagen bieten Ausländern den besten SchutzBild: Reuters/A. Usyan

Insgesamt hat sich die Sicherheitssituation in Afghanistan seit dem Abzug der meisten internationalen Truppen 2014 stark verschlechtert. Die Taliban kontrollieren mittlerweile nach US-Militärangaben rund elf Prozent des Landes. Weitere knapp 30 Prozent sind umkämpft. Am Tag des Überfalls auf das Gästehaus von Operation Mercy in Kabul töteten die Taliban bei schweren Angriffen auf mehrere Bezirke der südostafghanischen Provinz Sabul mindestens 20 Polizisten. 

Ausländische Organisationen haben ihre Sicherheitsmaßnahmen massiv verstärkt. Die GIZ wird im Sommer ihre Büros im Zentrum von Kabul aufgeben und in ein schwer gesichertes Lager am Stadtrand ziehen. Das deutsche Generalkonsulat in Masar-i-Scharif war schon im Winter nach einem Angriff der Taliban in das deutsche Militärlager umgezogen.

ml/qu (mit dpa)