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Politik

Togo, Beschneidung, Intact, FGM

Nadina Schwarzbeck / Friederike Müller6. Februar 2013

Das westafrikanische Land Togo hat das Ende der Beschneidung von Mädchen ausgerufen. Gegner der Genitalverstümmelung wollen dafür sorgen, dass diese überkommene Praxis nicht wieder aufkeimt - durch Bildungsarbeit.

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Former circumciser Mariam Coulibaly displays the tools of her trade, a knife handed down to her by her mother and herbs to heal the wounds, at her home in Salemata, southeastern Senegal, Friday Jan. 31, 2003. Coulibaly says that she performed circumcisions on more than 1,000 girls during her 30-year career, but gave up the practice after surrounding villages decided the practice to be dangerous. The piece of red cloth is part of one of the bright red robes she used to wear while performing the rites. (AP Photo/Alexandra Zavis)
Senegal Weibliche Genitalverstümmelung Beschneidung Gewalt gegen Frauen SymbolbildBild: AP

Jährlich werden rund zwei Millionen Mädchen auf der Welt beschnitten. Der Eingriff ist äußerst schmerzhaft. Mit Messern entfernen ihnen Beschneiderinnen ganz oder teilweise die äußeren Geschlechtsorgane. Entzündungen sind oft die Folge - immer wieder verbluten Mädchen. Ihr ganzes weiteres Leben begleitet sie der Schmerz - nicht nur körperlich, auch seelisch sind sie gezeichnet. Der Kampf gegen diese brutale Tradition, die in Afrika, Asien und zum Teil auch in Lateinamerika durchgeführt wird, ist langwierig und kompliziert. Zwischen 130 und 150 Millionen Frauen auf dieser Welt sind beschnitten, schätzen Nicht-Regierungsorganisationen.

Ende November letzten Jahres feierten die Gegner dieser Tradition einen großen Erfolg: Am 29.11.2012 riefen in Togos zweitgrößter Stadt Sokodé traditionelle Beschneiderinnen vor ranghohen Gästen offiziell das Ende der Beschneidung von Frauen und Mädchen in Togo aus. Es ist das Ergebnis jahrelangen Engagements einheimischer Aktivisten und der deutschen Nichtregierungsorganisation (NGO) "(I)NTACT". Der Name steht für die "Internationale Aktion gegen die Beschneidung von Frauen und Mädchen". 1996 wurde die Organisation von der saarländischen Linken-Politikerin Christa Müller gegründet, sie wird seit 2006 vom deutschen Bundesministerium für Entwicklungszusammenarbeit (BMZ) unterstützt.

Der lange Weg zum Erfolg

Von Mutter zu Tochter - das Trauma wird vererbt. (Foto: dpa - Bildfunk)
Von Mutter zu Tochter - das Trauma wird vererbtBild: picture alliance/dpa

Vor acht Jahren fing "(I)NTACT" mit der Arbeit in Togo an. Kurz darauf verbuchten die Aktivisten bereits einen Erfolg im Nachbarland Benin: In einem Staatsakt wurde dort 2005 die Tradition der weiblichen Beschneidung für beendet erklärt. Heute geht in Benin die Zahl neuer Beschneidungen von Mädchen gegen Null - wie die Erhebung "Demographic and Health Survey" belegt.

In Togo war die Ausgangssituation ähnlich schwierig wie einst in Benin: Laut einer Studie aus den neunziger Jahren lag die Beschneidungsrate bei bestimmten Ethnien bei rund 90 Prozent. Die Menschenrechtler haben es dennoch geschafft, die Togolesen zu überzeugen. "Der Erfolg liegt darin, dass wir die entscheidenden Akteure der Genitalverstümmelung, also die Beschneiderinnen und Traditionshüter, mit in die Projekte einbezogen haben", erklärt der stellvertretende Vorsitzender Detmar Hönle von "(I)NTACT".

Mit dem Begriff "Traditionshüter" sind vor allem die Dorfältesten gemeint: Sie haben den größten Einfluss auf die Dorfgemeinschaft, geben vor, was richtig und falsch ist. An sie heranzukommen war für die Aktivisten der NGOs nicht einfach. Zunächst mussten sie den Menschen erklären, wer sie sind und was sie wollen. Das hat Fati Gnon übernommen: Die Togolesin koordiniert vor Ort die Arbeit der heimischen NGOs, den Partnerorganisationen von "(I)NTACT".  "Wir sind von Haus zu Haus gegangen. So konnten wir die Menschen für das Thema sensibilisieren und Vertrauen aufbauen“, erzählt sie im Gespräch mit der DW. "Als wir die Beschneiderinnen für uns gewonnen hatten, halfen sie uns dabei, die breite Masse zu überzeugen.“

Erfolgloses Gesetz gegen Frauenbeschneidung

Zwar hat Togo schon vor vierzehn Jahren ein Gesetz verabschiedet,  das die Beschneidung von Frauen unter Strafe stellt. Das blieb aber erfolglos: Nur in einem einzigen Fall kam es überhaupt zu einer Verurteilung. "Die Tradition ist in Afrika ein ungeschriebenes Gesetz, das älter ist als die Gesetze, die die Regierungen heutzutage erlassen", erklärt Detmar Hönle von "(I)NTACT". Deswegen war es so wichtig, die Dorfältesten und die Frauen, die die Eingriffe vornehmen, mit ins Boot zu holen. Ehemalige Beschneiderinnen erhalten von der Organisation Kleinkredite, um sich neue Verdienstmöglichkeiten zu schaffen. Auf diese Weise wahren sie ihren gesellschaftlichen Status, den sie bis dahin durch ihren traditionellen Beruf genossen. Das Konzept zeigt Erfolg: Einer Umfrage der Organisation zufolge gilt Frauenbeschneidung in der togolesischen Bevölkerung inzwischen nicht mehr als soziale Norm. Obwohl das nicht ausschließt, dass es vereinzelt doch noch dazu kommt.

Mit Bildungsprojekten gegen Genitalverstümmelung vorgehen

Das sagt auch Ulrike Schulze, Projektrefentin für Togo und Senegal bei "(I)NTACT", gut zwei Monate nach den Feiern zum offiziellen Ende der Genitalvertümmelung in Togo. Gerade deshalb seien jetzt Anschlussprojekte in Planung. "Wir wollen direkt handeln können, falls eine Familie doch beschließt, dass ihre Tochter beschnitten werden soll." Dabei setzt die Organisation erneut auf die Zusammenarbeit mit den NGOs in Togo. "Unsere Partner vor Ort kennen sich mit dem Thema aus und können sofort eingreifen, wenn noch einmal Aufklärung nötig ist oder wenn tatsächlich ein Mädchen beschnitten werden sollte."

Sensibilisierung für Genitalverstümmelung im Dorf in Guinea-Bissau mit einem Theaterstück (Foto: Weltfriendensdient e.V.)
Aufklärung über Genitalverstümmlung mit einem Theaterstück, hier in Guinea-Bissau.Bild: Weltfriendensdient e.V.

"(I)NTACT" möchte in Togo in Zukunft verstärkt auf Bildungsprojekte für Frauen und Mädchen setzen. Ein weiteres Ziel: Den "Beschneidungstourismus" in der Grenzregion zu bekämpfen. "In Grenzgebieten können Beschneiderinnen von einem Land zum anderen reisen, versteckt bleiben und so heimlich Beschneidungen durchführen," erklärt Ulrike Schulze im DW-Interview. Konkret sei ein Projekt in Ghana, einem Nachbarland Togos, geplant. Organisationen aus Ghana, Togo und Burkina Faso sollen zusammenarbeiten um diese heimlichen Beschneidungen in Zukunft zu verhindern.