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Frida Kahlo auf Tonband? Zweifel mehren sich

Felix Schlagwein | Torsten Landsberg
24. Juni 2019

In Mexiko ist ein Tonband aufgetaucht, auf dem die Stimme der Künstlerin Frida Kahlo zu hören sein soll. Familie und Freunde bezweifeln das. Die Prüfung durch Experten dauert derweil an.

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Frida Kahlo Portät
Bild: picture-alliance/dpa/M. Guzman

Die Nachricht hatte weltweit für Aufsehen gesorgt: Experten der mexikanischen National-Phonothek waren auf eine Tonbandaufnahme gestoßen, auf der vermeintlich die Stimme Frida Kahlos zu hören ist. Eine (mögliche) Sensation, denn es wäre die erste und bisher einzige Aufnahme, auf der die Stimme der wohl bekanntesten Künstlerin Lateinamerikas vernehmbar ist.

Doch mittlerweile mehren sich die Zweifel: Verwandte und ehemalige Schüler bestreiten, dass es sich bei der Aufnahme um Kahlos Stimme handelt. "Soweit die Familie Kahlo weiß, gibt es keine Aufnahmen von Fridas Stimme", so die Angehörigen in einer Stellungnahme. 

Auch Kahlos ehemalige Schüler Arturo Estrada Hernández und Guillermo Monroy Becerril bezweifeln, dass in dem Mitschnitt tatsächlich Kahlos Stimme zu hören ist. Monroy sagte der spanischen Nachrichtenagentur Efe, er und seine Freunde hätten lange Zeit praktisch mit Kahlo zusammen gelebt - in der Casa Azul, Kahlos Haus in Mexiko-Stadt. "Ich erkenne ihre Stimme nicht", so Monroy. "Als ich sie das erste Mal traf, bemerkte ich, dass sie eine Frau mit einer sehr lieblichen, heiteren Stimme ist... Fridas wahre Stimme war sehr lebhaft, charmant und fröhlich. Sie war nicht ernst, sanft oder zerbrechlich... sie war glasklar."

Stimme einer Schauspielerin?

Der heißdiskutierte knapp zweiminütige Mitschnitt stammt wohl aus einer 1955 ausgestrahlten Pilotsendung für "El Bachiller" und soll 1953 oder 1954 aufgezeichnet worden sein. Die Sendung beinhaltet eine Kurzbiografie des Malers Diego Rivera, mit dem Kahlo zweimal verheiratet war. Eine Frauenstimme liest aus Kahlos Essay "Portrait über Diego" vor, der 1949 in einem Ausstellungskatalog erschienen war.

Malerin Frida Kahlo
Frida Kahlo: Gibt es überhaupt Aufnahmen ihrer Stimme? Bild: picture-alliance/E. Moore

Im Zuge der Debatte um den Mitschnitt meldete sich nun die mexikanische Schauspielerin Amparo Garrido zu Wort. "Ich habe viele Sachen für El Bachiller aufgenommen... Ich bin fast absolut sicher, dass ich auch das aufgenommen habe", sagte Garrido dem mexikanischen Radiosender Radio Fórmula. Die Schauspielerin, die unter anderem das "Schneewittchen" (in der spanischen Version des Disneyfilms) sprach, datierte die Aufnahme von "Portrait über Diego" - wie auch die Experten der National-Phonothek - auf das Jahr 1953 oder 1954.

Amparo Garridos Sohn Ismael sagte Radio Fórmula, er habe die Stimme seiner Mutter auf der vermeintlichen Kahlo-Aufnahme eindeutig wiedererkannt. Außerdem äußerte er Zweifel daran, dass Kahlos Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Aufnahme gut genug gewesen sei, um den Ausschnitt so zu lesen, wie er auf dem Mitschnitt zu hören ist. "Frida Kahlo wurde 1907 geboren und ist 1954 gestorben und die Aufnahme soll vor 65 Jahren gemacht worden sein, sie muss also aus dem Jahr stammen, in dem sie gestorben ist", so Ismael Garrido. "Das macht die Sache kompliziert, weil sie 1954 praktisch die ganze Zeit im Krankenhaus verbracht hat. Außerdem ist die Stimme [auf der Aufnahme, Anm. d. Red.] eine eher aufgesetzte."

Ausstellung der Malerin Frida Kahlo in Moskau
Frida Kahlo hat zahlreiche Bilder hinterlassen, doch eine Tonaufnahme war bislang nicht überliefertBild: picture-alliance/dpa/V. Sharifulin

Prüfung dauert an

Während die Zweifel immer größer werden, prüfen Experten der National-Phonothek weiterhin, ob die Stimme auf der Aufnahme zu Frida Kahlo gehört. Die insgesamt 1300 Tonbänder der Sendung "El Bachiller" sollen ebenfalls digitalisiert und katalogisiert werden, um zu prüfen, ob auf einem davon Kahlos Stimme zu hören ist.

"Umso mehr Daten und Referenzmaterial vorliegen, desto belastbarer ist am Ende die forensische Aussage", erklärt Martin Steinebach, Abteilungsleiter Media Security und IT Forensics am Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie. Er und sein Team haben für den "Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" die Echtheit des sogenannten Ibiza-Videos geprüft, dessen Veröffentlichung den Bruch der Regierung in Österreich zur Folge hatte.

Der DW erklärt Steinebach, wie Experten Aufnahmen wie die, auf der angeblich Kahlo zu hören ist, untersuchen: "Es gibt biografische Informationen über Frida Kahlo: Wo ist sie aufgewachsen, wer waren die Eltern? Passt die Stimme zu einer Frau in diesem Alter, die in dieser Region aufgewachsen ist? Es gibt vielleicht einen regionalen Akzent, und man vergleicht, ob die Verwendung der Worte für das Milieu typisch ist."

An dem gesamten Prozess der Verifizierung sind eine Reihe von Spezialisten unterschiedlicher Bereiche beteiligt, die technische Analyse erfolgt erst im zweiten Schritt. Bekäme Martin Steinebach vergleichbares Material zur Prüfung, würde es zunächst digitalisiert werden, um anschließend möglichen Spuren nachgehen zu können: "Mit welchem Gerät wurde aufgezeichnet, aus welchem Jahr stammt das Gerät? Tonbandaufnahmen können charakteristische Schwankungen haben, weshalb man prüft, ob das Verhalten der Tonbandrolle zu den Geräten der damaligen Zeiten passt."

Da die Aufnahme aus den 1950er Jahren stammen soll, müssten bei Sammlern oder in Archiven Referenzgeräte angefragt werden, um damit eigene Aufnahmen machen und deren Schwankungsverhalten mit dem Verhalten des zu untersuchenden Materials vergleichen zu können. "Wir nennen es Ballistik, den Begriff kennt man bei der Zuordnung einer Kugel zu einer Waffe. Die Verbindung von Gerät und Medium ist der erste Schritt."

Absolute Sicherheit wird es nicht geben

Vor allem weil es bisher keine Referenzquellen zu Frida Kahlos Stimme gebe, werde man auch nach eingehender Prüfung des Materials keine hundertprozentige Aussage darüber treffen können, ob es sich tatsächlich um Frida Kahlo handelt, sagt Martin Steinebach. "Es ist aber nicht unmöglich, ohne Referenz zu überprüfen, ob die Sprechweise und Stimme zur vorgegebenen Person passen." Gerade Frida Kahlo sei aufgrund ihrer Erkrankungen ein spezieller Fall.

Ausstellung der Malerin Frida Kahlo
Litt zeitlebens unter Schmerzen: Frida KahloBild: picture-alliance

Mit sechs Jahren war die Künstlerin an Kinderlähmung erkrankt. Als sie 18 war, durchbohrte eine Stahlstange bei einem Busunfall ihren Unterleib, "wie der Degen den Stier", wie es Kahlo selbst bezeichnete. Es folgten mehr als 30 Operationen in ebenso vielen Jahren. Oft musste sie wochenlang im Bett liegen, gefangen in einem Stahlkorsett oder einem Ganzkörpergips. Diese Einschränkungen könnten Rückschlüsse auf das Sprechverhalten geben. "Ein medizinischer Forensiker könnte abschätzen, ob die Stimme, die Art, wie gesprochen und Luft geholt wird, zur entsprechenden Person passen", erklärt Martin Steinebach.

Frida Kahlo, die mit volkstümlicher Malerei in den Stilen Surrealismus und Neuer Sachlichkeit bekannt wurde, ist heute ein Mythos - auch weil sie sich in der Männerdomäne Malerei ihren Platz erkämpfte. Dem russischen Revolutionär und Kommunisten Leo Trotzki, mit dem sie eine Affäre hatte, schenkte Kahlo ein Haus, in dem sich Trotzki versteckt hielt. Zeit ihres Lebens litt sie unter Schmerzen, die sie in ihren Bildern verarbeitete - 55 ihrer 143 Werke sind Selbstporträts. Die letzten Jahre verbrachte Frida Kahlo im Rollstuhl, 1954 starb sie im Alter von 47 Jahren.