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Topolanek in Tschechien mit Regierungsbildung beauftragt

5. Juni 2006

Tschechien steht vor einem Regierungswechsel: Der Oppositionsführer Mirek Topolanek ist mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Topolanek hat in den vergangenen Jahren Freunde wie Gegner überrascht.

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Wahl gewonnen, Ziel verfehlt: Mirek TopolanekBild: AP
Tschechien Wahlen Premierminister Jiri Paroubek mit Ehefrau Zuzana
Knapp verloren: Premierminister Jiri ParoubekBild: AP

Präsident Vaclav Klaus sagte am Montag (5.6.), er habe den Oppositionsführer Mirek Topolanek gebeten, Gespräche über eine neue Regierung zu führen. Präsident Vaclav Klaus sprach sich auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Topolanek in Prag für eine rasche Regierungsbildung aus. Er kündigte an, dass er noch im Laufe des Tages den Termin für die konstituierende Sitzung des Parlaments festlegen werde. Topolanek sagte, er habe bereits "konkrete Zusagen" seitens der Christdemokraten und der Grünen für Koalitionsverhandlungen. Seine Demokratische Bürgerpartei ODS hatte am Wochenende die Mehrheit der Stimmen erhalten.

"Falsch und leer"

Topolanek ist das Ergebnis der Parlamentswahl ein Triumph zweiter Klasse. Denn obwohl die ODS aus der Wahl als stärkste Kraft hervorgegangen ist, hat er sein Ziel einer Koalition allein mit den Christdemokraten (KDU-CSL) nicht erreicht. Dem aus der mährischen Kleinstadt Vsetin stammenden Topolanek stehen nun komplizierte Koalitionsverhandlungen bevor.

Der Maschinenbau-Ingenieur war vor 1989 kein Mitglied der Kommunistischen Partei und engagierte sich nach der politischen Wende zunächst in der Kommunalpolitik. Er galt als Mann ohne Eigenschaften, als er 2002 zum Parteichef gewählt wurde. Vaclav Klaus, sein Vorgänger an der Spitze der tschechischen Rechtsliberalen (ODS), wurde damals kurz nach der Abstimmung beim Schreiben einer SMS fotografiert: "...falsch und leer Topol...", stand auf dem Foto im Display seines Handys zu lesen.

Doch Topolanek, der mit seiner Familie Ausflüge in die Natur machte, als seine Landsleute 1989 den Kommunismus zu Fall brachten, überraschte alle: Bei Europa-, Regional- und Senatswahlen führte er die Partei zu Siegen.

Spektakuläre Vorwürfe

Der 50-Jährige galt zu Beginn des Wahlkampfs als wenig chancenreich. Sein charismatischer Widersachen Jiri Paroubek drohte ihm die Show zu stehlen. Topolanek wirkte wenig faszinierend auf die Tschechen. Mit pädagogischem Eifer trug er seine Agenda liberaler Reformen und Anti-Korruptions-Maßnahmen vor. Erst am Ende ging er aus der Defensive: In einer TV-Debatte warf er Paroubek spektakulär vor, das organisierte Verbrechen gedeckt zu haben, indem er Ermittlungen gegen Größen der Prager Unterwelt blockiert habe. Damit punktete Topolanek. Und wohl auch mit einer scharfen anti-kommunistischen Kampagne.

Dabei hatte der verheiratete Vater von drei Kindern leichtes Spiel: Sein Widersacher Paroubek schloss nicht aus, im Parlament mit den bei vielen Tschechen verhassten Kommunisten zusammenzuarbeiten. Dabei hat der Kampf gegen den Kommunismus das Leben des im osttschechischen Vsetin geborenen Topolanek bis dahin wenig geprägt. Er steht im Ruf, ein "Mann mit spitzer Zunge" zu sein. So drohte er unter Anspielung auf die Mordwelle der Nazis 1934 beim so genannten Röhm-Putsch Staatsbeamten bei einem Wahlsieg mit einer "Nacht der langen Messer". Später entschuldigte er sich dafür. Im Wahlkampf bemühte sich der leidenschaftliche Tennisspieler um moderatere Töne.

Kritik an der EU

Die Europäische Union hält der Zwei-Meter-Mann für "dramatisch überreguliert" und von größeren Mitgliedern dominiert. Teile des Programms der in Berlin regierenden großen Koalition nennt er "unannehmbar": "Als hätte Deutschland den neuen EU-Mitgliedern den Krieg erklärt - Steuerdumping und sieben Jahre keine Freizügigkeit für Arbeitnehmer." Den geplanten EU-Verfassungsvertrag bezeichnet Topolanek als "Haufen Mist". Der Wahlsieg seiner Partei hat ihn übrigens reicher gemacht, wenn auch nur ein wenig: In einem Wettbüro setzte er 345 Euro auf den Erfolg - und gewann 185 Euro dazu. (stu)