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Voruntersuchung

Peter Schibli18. April 2007

Die deutsche Militärdelegation zur Untersuchung des Tornado-Absturzes in der Schweiz hat ihre Arbeiten abgeschlossen. Ihr vorläufiges Fazit: Die Flugvorschriften wurde eingehalten.

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Wrackteil des abgestürzten Tornados auf einem Eisfeld
Wrackteil des abgestürzten TornadosBild: AP

Knapp eine Woche nach dem ungewöhnlichen Crash eines deutschen Bundeswehr-Tornados im Berner Oberland war am Dienstag (17.4.07) der überlebende Waffensystemoffizier vom Spital Interlaken in ein Krankenhaus nach Bayern geflogen worden. Auch der beim Absturz getötete Pilot wird diese Woche in seine ostdeutsche Heimat überführt. Die noch unerledigten Arbeiten sollen nach der offiziellen Übergabe der Akten am Mittwoch durch Vertreter des Jagdbombengeschwaders 32, von dem die verunglückte Maschine stammte, weiter betreut werden. Der Abschluss der Untersuchung ist noch offen.

Ein Toter, ein Verletzter

Am Donnerstag, 12. April 2007, kurz vor 15 Uhr, war im Berner Oberland ein Tornado-Jet der Deutschen Luftwaffe in eine Felswand gerast und in 3250 Metern über dem Meer in Flammen aufgegangen. Die Wrackteile stürzten auf ein Eisfeld unterhalb der Felswand. Bei dem Unglück kam der 27-jährige, aus Oranienburg stammende Pilot ums Leben. Der 34-jährige Waffensystemoffizier überlebte dank Schleudersitz schwer-, aber nicht lebensgefährlich verletzt. Er wurde durch Schweizer Bergführer in einer "Longline-Aktion" per Hubschrauber aus der Wand gerettet. Sein Fallschirm hatte sich an einem Felsvorsprung verfangen und dem Offizier das Leben gerettet.

Der Jet war in Lechfeld (Deutschland) gestartet, flog via Nîmes und Korsika (Frankreich) nach Emmen (Schweiz), wo er am Donnerstag um 11.10 Uhr landete und aufgetankt wurde. Kurz vor 15 Uhr startete die Maschine vom Flugplatz Emmen aus zu einem unbewaffneten, bewilligten "Navigationsflug". Einige Minuten später stürzte sie im Lauterbrunnental ab. Die weiteren Etappenorte auf diesem Navigationsflug wären Sion, Lodrino, Samedan und Altenrhein gewesen. Nach ihrer Alpenüberquerung sollte die Maschine nach Lechfeld zurückkehren.

Mindestflughöhe eingehalten

Bei einem Navigationsflug handelt es sich um einen Übungsflug, bei dem auf der Karte unter Berücksichtigung der Topografie ein vorbestimmter Flugweg geplant und anschließend im Sichtflug geflogen wird. Über Schweizer Territorium müssen die dort geltenden Vorschriften sowie, falls sie noch strenger sind, auch ausländische Vorschriften eingehalten werden. Gemäß den Richtlinien betrug die Mindestflughöhe 330 Meter über Grund.

Die vorläufige Auswertung des am Wochenende geborgenen, leicht beschädigten Flugdatenschreibers ergab, dass die Jet-Besatzung alle rechtlichen Bestimmungen für den durchgeführten Navigationsflug eingehalten hatte. Ob auch mündliche Empfehlungen der Schweizer Bodenkontrolle in Dübendorf beachtet worden waren, blieb offen. Schweizer Medien hatten von einer "empfohlenen Mindestflughöhe von 500 Metern" berichtet.

Jürg Nussbaum, Sprecher der Schweizer Luftwaffe, bestätigte auf Anfrage der Deutschen Welle, dass Schweizer Kampfpiloten wegen der aktuellen Lärmdiskussion angewiesen werden, nicht auf der Mindestflughöhe von 330 Metern durch das Lauterbrunnental zu fliegen, sondern deutlich höher. Diese Anordnung erfolgt aus Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, weil ein Volksbegehren anhängig ist, das ein Verbot militärischer Flüge über Tourismusgebieten fordert. Zudem meiden Schweizer Militärpiloten, wenn immer möglich, Tiefflüge durch das Lauterbrunnental wegen gefährlicher Hochspannungsleitungen und Gleitschirmfliegern.

Rechtliche Grundlagen

Militärische Navigationsflüge der deutschen, der schweizerischen und anderer Luftwaffen über den jeweiligen Hoheitsgebieten sind staatsvertraglich durch Vereinbarungen aus den Jahren 2000 und 2003 geregelt. Von der Zusammenarbeit profitiert die Schweiz mehr als die ausländischen Partner. Dank den Vereinbarungen können helvetische Militärpiloten an Trainingsflügen im Ausland teilnehmen, die für sie sonst nicht zugänglich wären.

Zwischen den Navigationsflügen ausländischer Jets im Schweizer Luftraum und der schweizerischen Neutralität gibt es nach Ansicht des Verteidigungsministeriums in Bern keinen Widerspruch. Es sei Usus, dass neutrale Staaten auf dem Gebiet der Ausbildung ihrer Streitkräfte in Friedenszeiten mit anderen Staaten zusammenarbeiteten, hieß es. Die Schweiz ist zur Sicherstellung ihrer bewaffneten Neutralität darauf angewiesen, dass ihre Streitkräfte auch im Ausland trainieren können, obwohl die Schweiz kein NATO-Mitglied ist.

Binationale Untersuchung

Wenige Stunden nach dem Crash traf am vergangenen Freitag ein 15-köpfiges deutsches Unfalluntersuchungsteam in Emmen ein. Die Bergungs- und Ermittlungsarbeiten wurden in einer gemeinsamen Untersuchung beider Länder mit Unterstützung der Schweizer Militärjustiz vollzogen. Der am Freitag gegen Abend gefundene Flugdatenschreiber wurde am Samstagnachmittag zur Amtsstelle "General Flugsicherheit der Bundeswehr" nach Köln geflogen, wo die detaillierte Auswertung derzeit stattfindet.

Trümmer nach Deutschland

Die geborgenen Trümmer wurden in einer abgesperrten militärischen Anlage im Lauterbrunnental gesammelt. Sie werden voraussichtlich noch im April nach Deutschland transportiert. Offen ist, ob Deutschland die Schweiz für die Rettungs-, Bergungs- und Untersuchungsarbeiten entschädigen wird. In den bestehenden Abkommen ist diese Frage nicht abschließend geklärt. Der Sprecher der Schweizer Luftwaffe erklärte dazu auf Anfrage der Deutschen Welle, dieser Punkt werde, "wie unter guten Partnern üblich, in gemeinsamen Gesprächen geklärt."