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Tourismus in Berlin atmet auf

Benjamin Restle
13. September 2021

Nachdem im Juni viele Alltagsbeschränkungen aufgehoben wurden, verzeichnet die Hauptstadt einen Zuwachs an Besucherzahlen. Hotels, Pensionen, Restaurants und Bars profitieren von einem leichten Aufschwung.

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Zwei Urlauberinnen laufen über den Berliner Alexanderplatz
Seitdem Berlin viele Beschränkungen gelockert hat, kommen wieder zahlreiche Besucher in die StadtBild: Schoening/Bildagentur-online/picture alliance

Wer zuletzt in Kreuzberg am Berliner Mehringdamm unterwegs war, könnte den Eindruck gewinnen, die Pandemie sei vorbei. Wie in Vor-Corona-Zeiten tummeln sich hier Nachtschwärmer, stehen dicht an dicht vor Imbissen und Spätis, unterhalten sich lautstark und genießen das Leben. Schon seit langem ist der Kreuzberger Kiez bei Einheimischen und Besuchern beliebt. Offenbar sind auch die Touristen zurück in der Hauptstadt. Hat sich die für Berlin so wichtige Tourismusbranche erholt? 

Menschen stehen Schlage vor einem Imbiss am Mehringdamm, in Berlin-Kreuzberg
Am Mehringdamm reiht sich ein Imbiss und Getränkeshop an den nächstenBild: Benjamin Restle/DW

Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Das Statistikamt Berlin-Brandenburg verzeichnet für das Beherbergungsgewerbe im ersten Halbjahr 2021 deutliche Einbußen. Mit gerade einmal 2,5 Millionen Übernachtungen liegt die erste Jahreshälfte rund 60 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Zum Vergleich: 2019, vor Ausbruch der Pandemie, zählte das Amt von Januar bis Juni über 16 Millionen Übernachtungen.

Harte Zeiten für Berlins Tourismusbranche. "Durch den ewig währenden Lockdown war es noch schlechter als im letzten Jahr," sagt Burkhard Kieker, Geschäftsführer der Stadtmarketingagentur visitBerlin. Insgesamt habe der Sektor im ersten Halbjahr 2021 wöchentlich rund 150 Million Euro Umsatzverlust hinnehmen müssen.

Hotels, Herbergen, Restaurants, Bars und Kulturstädten durften bis Mitte des Jahres keine Gäste empfangen. Nur Geschäftsreisenden waren Hotelübernachtungen erlaubt. Außerdem war die Einreise aus dem EU-Ausland und Schengenraum nur mit triftigem Grund gestattet. So sank auch die Zahl ausländischer Touristen in der Stadt deutlich. 

Touristen sind Mangelware

Philipp Davidoff steht vor der Theke des Lindenbräu
Philipp Davidoff hofft auf bessere ZeitenBild: Benjamin Restle/DW

Es waren schwierige Monate für das Lindenbräu, ein Restaurant und Brauhaus am Potsdamer Platz. Normalerweise zählen hier Touristen aus Großbritannien, den USA, Spanien, Italien und Frankreich zur Stammkundschaft, so Restaurantleiter Philipp Davidoff.

Um den Verlust auszugleichen, habe er das gastronomische Angebot für Arbeiter und Angestellte aus der Nachbarschaft angepasst. Das habe zwar funktioniert, so Davidoff, dennoch seien die Besucher- und Umsatzzahlen deutlich unter dem Niveau von 2019 zurückgeblieben.

Der Rückgang ausländischer Touristen hat auch Cole Reulbach getroffen. Der Amerikaner bietet englischsprachige Stadtführungen an. Die Sommersaison bringe in der Regel viele Besucher und sorge für einen soliden Umsatz. "Normalerweise kommen zu dieser Jahreszeit wochentags zwischen 10 und 15 Touristen zu meinen Führungen, an Wochenenden sogar 15 bis 25", so Reulbach. Doch diesen Sommer laufe das Geschäft schlecht und sei schlicht unberechenbar. Tatsächlich hatte der 28-Jährige von vornherein geringe Hoffnungen an die Sommersaison 2021 geknüpft. 

Cole Reulbach und eine Gruppe Touristen stehen vor Überresten der Berliner Mauer am Potsdamer Platz
Cole Reulbach zeigt einer Gruppe Touristen den Potsdamer PlatzBild: Benjamin Restle/DW

Lockerungen bringen die Wende

Doch seit viele Beschränkungen in Berlin aufgehoben wurden, hat sich das Tourismusgeschäft merklich belebt. Seit Mai haben Hotels und andere Unterkünfte wieder für Touristen geöffnet. Restaurants und Bars dürfen Gäste seit Juni wieder in Innenräumen bewirten. Kinos, Theater, Opernhäuser und andere Veranstaltungsorte sind zugänglich. Sogar Berlins international bekannte Clubscene erfreut sich weitgehender Lockerungen: Seit Anfang September können Geimpfte und Genesene ohne Maske feiern. Zudem ist die Einreise aus EU-Staaten wieder problemlos möglich.

"Berlin hat sehr spät aufgemacht, und das führt dazu, dass wir jetzt im Juli, August die ganze aufgestaute Nachfrage in der Stadt gehabt haben," sagt Burkhard Kieker von visitBerlin. Der Hotel- und Gaststättenverband Berlin (DEHOGA) sieht einen Aufwärtstrend. Im August 2021 waren Berliner Hotels beispielsweise zu 66 Prozent ausgelastet. Im Vorjahresmonat betrug dieser Wert gerade einmal 44 Prozent. Trotzdem bewegen sich diese Zahlen deutlich unter dem Niveau von 2019. Eine Prognose für die kommenden Monate will DEHOGA-Chef Thomas Lengfelder indes nicht abgeben. "Eine Vorausschau ist wirklich schwierig. Die Buchungen werden immer kurzfristiger."

Gastronomische Angebote vermehrt auch für Einheimische

Manche Betriebe haben mit der Unsicherheit der vergangenen Monate besser umgehen können als andere. Antonello Melis und seine Frau Maria Angeles zum Beispiel wollen nicht klagen. In einer ruhigen Kreuzberger Seitenstraße betreiben die beiden ein Restaurant, das auf sizilianische Kost und südamerikanische Ceviche spezialisiert ist. Die Sommersaison lief gut, sagt Melis. Das liege womöglich auch an den vielen wohlwollenden Rezensionen im Internet.

Maria Angeles and Antonello Melis posieren vor ihrem Lokal
2015 haben Maria Angeles and Antonello Melis ihr Restaurant eröffnetBild: Benjamin Restle/DW

Der erste Lockdown im letzten Jahr allerdings war ein Schock. "Als wir das erste Mal zugemacht haben, dachten wir: Mein Gott, was machen wir jetzt", erinnert sich Melis. Unter seinen Kunden waren stets viele Touristen. Mit der Zeit aber seien immer mehr Berliner auf das Restaurant aufmerksam geworden. Mittlerweile kämen sie aus dem ganzen Stadtgebiet. Deshalb laufe das Geschäft, betont er: "Ich kann nicht klagen."

Hotels, Pensionen, Stadtführer, Gastronomen und Kulturschaffende sind erleichtert über die Rückkehr der Touristen nach Berlin. Einen nochmaligen Lockdown wollen sich die wenigsten ausmalen.