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Tourismus: Sehnsucht nach Sicherheit

Nicolas Martin, z.Zt. Berlin10. März 2016

Der internationale Terrorismus hat den Tourismus-Sektor in etlichen Ländern in die Knie gezwungen. Das hat nicht nur wirtschaftliche Folgen, sondern verändert auch die Geschäftsmodelle. Von der ITB Nicolas Martin.

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Tunesien Polizei am Strand
Bild: picture-alliance/dpa/M. Messara

Hisham Zaazou hat eine Mission: Der ägyptische Minister für Tourismus schüttelt dieser Tage Hände im Akkord. "Ich will dafür sorgen, dass die nächste Urlaubssaison für Ägypten besser wird." Auf der Reisemesse ITB in Berlin ist das Land wohl auch deshalb breit vertreten: Mit einem kleinen Nachbau der Pyramiden von Gizeh arbeitet Ägypten in Halle 23 auf der weltgrößten Tourismusmesse an seinem Image.

Das hat vor allem durch den Abschuss eines russischen Flugzeuges über der Halbinsel Sinai große Kratzer bekommen. Seitdem gehen die Besucherzahlen drastisch zurück. "Das trifft unsere gesamte Wirtschaft hart", so Zaazou. Weltweit ist laut der UN-Tourismusorganisation UNWTO jeder elfte Arbeitsplatz mit dem Fremdenverkehr verknüpft. In Schwellen- und Entwicklungsländer ist die Abhängigkeit meistens noch deutlich größer.

Schockwellen für die Wirtschaft

Nach dem mutmaßlichen Abschuss einer russischen Passagiermaschine über dem Sinai mit 224 Toten reagierte Moskau und stellte daraufhin den zivilen Luftverkehr nach Ägypten ein. Auch Großbritannien fliegt seither nicht mehr den Flughafen in Scharm el Scheich an. Die großen Hotels entlang der langen Küste des Roten Meeres sind leer. Ägypten verbuche einen Rückgang von an die 50 Prozent, so Zaazou.

Berlin Tourismus-Messe ITB Hisham Zaazou
Hisham Zaazou, Tourismus-Minister ÄgyptenBild: DW/M. Martin

Auch deutsche Urlauber entscheiden sich seltener für das Land am Nil. "Wir tun alles, um das Vertrauen wiederherzustellen", so Zaazou. Delegationen würden nach Ägypten eingeladen, die Sicherheitsstandards an den Flughäfen erhöht, externe Firmen bestellt, die den Fortschritt unter die Lupe nehmen und transparent machen sollen.

Mehr Flexibilität

Ägypten ist mit dieser Ausgangssituation nicht alleine: Auch das Blutbad an einem Strandhotel im tunesischen Sousse Mitte Juni und das Selbstmordattentat vor der blauen Moschee in Istanbul am 11. Januar dieses Jahres lassen die Besucherzahlen spürbar zurückgehen. "Für große Hotels wird Sicherheit zum Wettbewerbsfaktor", sagt Jörg Trauboth. Der ehemalige Bundeswehr-Oberst hat schon bei mehreren Entführungsfällen geholfen, schreibt Bücher zum Thema Sicherheit und berät Unternehmen. "Die Herausforderung besteht darin, ein sicheres Gefühl zu vermitteln, ohne dabei massiv einzuschüchtern." Egal ob in Paris, in Rom oder auch am Roten Meer. Bewaffnete Polizisten und Militärs gehören immer öfter zur Urlaubskulisse.

Deutschland Internationale Tourismus-Börse ITB Messestand Ägypten
Ägyptens Messestand auf der ITBBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Kurzfristig reagieren Hotelbesitzer auf die Situation erst mal mit günstigeren Preisen. Große Ketten können solche Schnäppchen dabei länger verkraften als die kleinen. Anbieter von Reisen ködern Kunden mit günstigen oder gar gratis Umbuchungskosten.

"Die Leute kommen wieder"

Am Stand von Tunesien malt der Kalligraf Sami Gharbi für Besucher die Namen in schönen arabischen Lettern. Im Hintergrund erklingt eine Liveperformance mit Zitter und Geige. "Ein paar wenige richten einen so großen Schaden an", sagt Gharbi und bezieht sich auf die Attentäter von Sousse. "Es kommt immer noch die Hälfte", sagt die Pressereferentin des tunesischen Fremdenverkehrsamts, Andrea Philippi, und versucht, den düsteren Zahlen noch etwas Positives abzugewinnen. Unter dem Strich sind seit den Anschlägen fast 50 Prozent weniger Touristen nach Tunesien gekommen. Man investiere massiv in die Sicherheit: Moderne Scanner, Überwachungskameras, Schulungen, zusätzliches Personal an Stränden und in Städten: "Sie werden dabei nicht umzingelt. Die Sicherheit ist diskret aber effektiv", versichert Philippi.

Berlin Tourismus-Messe ITB Stand Tunesien
Kalligraf Sami Gharbi bei der ArbeitBild: DW/M. Martin

Für Tunesien ist es nicht das erste Mal, dass politische Umbrüche den Tourismussektor durchschütteln. Auch nach der arabischen Revolution blieben die Touristen erst mal aus. Doch Tunesien erholte sich schnell. "Wir waren 2014 schon fast wieder bei den Zahlen vor dem arabischen Frühling." Diese Erfahrungen stimmen Philippi positiv für die Zukunft. "Die Leute vergessen das und sie kommen wieder." Für das laufende Jahr erwartet Philippi eine Zunahme von spontanen Buchungen. Die Deutschen - generell Frühbucher im Januar und Februar - halten sich bisher noch zurück. "Wir gehen davon aus, dass sich die Buchungsphase etwas verschiebt und hoffen auf Spätbucher."

Fußball EM als Test?

In unsicheren Zeiten wollen die Kunden anscheinend kurzfristig entscheiden, wo die Reise hingeht. Und das obwohl, die Risiken in einen Anschlag verwickelt zu werden sehr gering seien, sagt Sicherheitsexperte Trabouth. Allerdings: So schnell würden sich Anschläge nicht vermeiden lassen: "Der Tourismus muss sich darauf vorbereiten." Dazu gehörten Investitionen in die Sicherheit, aber vor allem auch Reaktionsfähigkeit. Anbieter, die im Falle eines Anschlages ihre Kunden schnell nach Hause schicken könnten, seien dabei klar im Vorteil.

Deutschland Jörg H. Trauboth , General a.D und Autor
Jörg H. Trauboth , Oberst a.D und AutorBild: privat

"Sicherheit wird sichtbar", so der Buchautor und Sicherheitsexperte. Wie die Menschen auf Polizei mit Schnellfeuerwaffen reagierten, werde sich demnächst im großen Stil zeigen: Bei der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich im Sommer.