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Traditions-Backkunst im Trend

23. Dezember 2010

In Kuchen stecken heutzutage oft Dinge, die dort eigentlich nicht hingehören: Aromastoffe zum Beispiel oder Emulgatoren. Dass es auch anders und viel leckerer geht, beweisen qualitätsbewusste Konditoren.

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Die wunderbar altmodische Eingangstür und Durchreiche des Ladens von Mr. Minsch in Berlin-Kreuzberg (Foto: DW/Silke Bartlick)
Bild: DW

Stolz präsentiert Klaus Rabien die japanische Zeitschrift. Auf einer Doppelseite wird darin über eben jenen Baumkuchen berichtet, der in der Backstube eine halbe Treppe tiefer täglich hergestellt wird – aus einem zähflüssigen Teig, in dem viele Eier stecken und der von erfahrenen Konditoren schichtweise über die rotierenden Stäbe einer im Haus entwickelten Baumkuchenmaschine gegossen wird.

In Japan, sagt der Konditor, werde überall Baumkuchen verkauft, selbst auf Bahnhöfen. Aber die Japaner wüssten, dass der Baumkuchen eigentlich aus Deutschland kommt. "Und wer was auf sich hält, bei japanischen Hochzeiten oder besonderen Anlässen, der schenkt einen Baumkuchen original aus Deutschland." Beziehungsweise von der Berliner Konditorei Rabien, die ihr zartes Gebäck seit ungefähr dreißig Jahren über ein Nobelkaufhaus in Tokio vertreibt.

Baumkuchen der Konditorei Rabien (Foto:DW/Silke Bartlick)
Baumkuchen der Konditorei RabienBild: DW

Vorrangig aber wird in dem Familienunternehmen nicht für den Export gebacken, sondern für eine treue Kundschaft vor Ort. Die wohnt in den umliegenden Stadtteilen und sogar in Potsdam und fährt die nicht unbedingt verkehrsgünstig gelegene Konditorei im Südwesten Berlins gezielt an, weil es hier neben Baumkuchen mehr als 40 leckere Torten gibt, feine, hausgemachte Pralinen und jetzt, zu Weihnachten, saftigen Stollen und handgefertigte Lebkuchen.

Großvater hat es vorgemacht

"Zum Teil sind das tatsächlich Sachen, die mein Großvater schon so gebacken hat, wie wir sie jetzt noch herstellen", sagt Klaus Rabien. Aber natürlich habe man sich auch dem veränderten Publikumsgeschmack angepasst. Was nicht bedeutet, dass in Steglitz nun auch Muffins und Brownies angeboten werden. Nein, wehrt Rabien ab, die seien gar nicht gefragt. Eher gehe es darum, dass Kuchen heutzutage weniger süß sind als früher. Und dass sie nicht so viel Butter enthalten.

Qualität zählt

Weihnachtsgebäck im Schaufenster der Konditorei Rabien (Foto: DW/Silke Bartlick)
Weihnachtsgebäck Konditorei RabienBild: DW

Die Konditorei wird mittlerweile in der vierten Generation betrieben. Klaus Rabien hat die Geschäfte vor acht Jahren an seinen Sohn übergeben, aber irgendeine Aufgabe findet der freundliche ältere Herr zwischen Büro und Backstube auch heute noch. Mit so einem Familienbetrieb sagt er, sei man einfach verbunden. Klaus Rabiens Großvater hat ihn vor mehr als 100 Jahren gegründet. Bis zum Hofkonditor hat er es seinerzeit gebracht und mit der Qualität seines Backwerks Maßstäbe gesetzt. Viele seiner Kenntnisse, erzählt Klaus Rabien, habe man sich über die Jahrzehnte bewahrt - Fertigkeiten, die in anderen Betrieben aus Rationalitätsgründen oft verloren gegangen sind.

Zum Beispiel bei den Honigkuchen. "Da wird ein sogenannter Lagerteig schon im Januar für die nächste Saison gemacht. Und der soll dann auch die Monate liegen im kühlen Keller und wird dann erst in den Monaten vor Weihnachten verarbeitet." Das sei natürlich aufwändig. Und deshalb werde es heutzutage nur noch selten gemacht.

Traditionen pflegen

In der Konditorei Rabien aber gehört es zur Tradition des Hauses. Zu dieser Tradition gehört übrigens auch, dass nur mit besten Zutaten und ohne künstliche Aromen gearbeitet wird. Eigentlich ist das eine einfache Regel. Und neuerdings gibt es gerade in den von Backshops überzogenen Großstädten wieder mehr Konditoren, die auf Qualität setzen und irgendwo zwischen Tradition und Moderne einen eigenen Weg gehen.

Mit Geschmack überzeugen

Bunte Schaufensterauslage Mr. Minsch (Foto: DW/Silke Bartlick)
Schaufensterauslage Mr. MinschBild: DW

Andreas Minsch betreibt seit fünf Jahren in Berlin-Kreuzberg ein liebevoll ausgestattetes winzig kleines Ladengeschäft. Für seine Lieblingskuchen, die gleich hinter der Schaufensterscheibe entstehen, verwendet er nur hochwertige Zutaten, frische Butter und Mehl und Eier aus dem Umland. Und jedem einzelnen sieht man an, dass er von Hand gefertigt wurde. Weil er nicht ganz perfekt aussieht, nicht wie ein Produkt von der Stange. Er wolle, sagt Andreas Minsch, nicht mit spektakulären Dekorationen blenden. Bei seinen Kuchen solle vielmehr der Geschmack überzeugen.

Neues ausprobieren

Schon mit 15 Jahren hat Andreas Minsch angefangen zu backen. Während der Ausbildung hat ihn ein Altmeister in die Feinheiten des Handwerks eingewiesen – wie man Eisbomben herstellt, Marzipanrosen modelliert oder eben guten Kuchen backt. Ein altmodischer Konditor ist Andreas Minsch aber keineswegs, sondern vielmehr ein ziemlich zeitgeistiger ambitionierter Kunsthandwerker, der mehrstöckige Hochzeitstorten gerne mit schrägen Skulpturen schmückt und Apfel-Schmand-Kuchen, Karotte-Kokos-Torte oder Frankfurter Kranz mit Hingabe in Form bringt. Man müsse, sagt er, als Konditor sehr sorgfältig arbeiten. "Und ich glaube, dadurch wird dann auch immer so eine Art von Liebe in den Kuchen reingehaucht."

Das kommt an. Insbesondere am Wochenende ist die Schlange vor Mr. Minsch Ladengeschäft lang. Dann stehen hier ältere Damen, junge Familien und die bunte Kreuzberger Szene einträchtig nach Kuchen an. Qualität verbindet eben.

Autorin: Silke Bartlick
Redaktion: Conny Paul