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Tragisches Ende einer Bus-Reise

20. Dezember 2003

Die geplante Adventsreise nach Paris hat für eine Gruppe junger Leute aus Deutschland ein tragisches Ende genommen.

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Wenig blieb übrig von dem technisch neuwertigen ReisebusBild: AP

Das ausgebrannte Skelett eines Reisebusses mit elf verkohlten Leichen - es ist ein Bild des Grauens, das sich an diesem stürmischen Wintermorgen (20.12.2003) am belgisch-französischen Grenzübergang Hensies bietet. Auf unheimliche Weise wirken die Bilder vertraut: Bereits zum dritten Mal in diesem Jahr wird ein deutscher Reisebus seinen Insassen zum Verhängnis.

Diesmal sind nicht nur Deutsche betroffen. Unter den 11 vorwiegend jungen Toten sind auch ein Bosnier, ein Türke, ein US-Bürger und Mongolen. Während Experten noch über den Unglückshergang rätseln, ist eines sicher: Für die Familien der Opfer wird Weihnachten ein Trauerfest. Zeugen des Busunglücks berichten von erschütternden Szenen. "Es war wie ein Feuerball", sagt der Spanier Jose Otero, dem noch immer der Schrecken ins Gesicht geschrieben steht.

Lauter Knall

Belgien Busunglück Hensies
Belgien Busunglück HensiesBild: AP

Ein lauter Knall weckte den in seiner Kabine schlafenden Sattelschlepper-Fahrer kurz vor halb sechs Uhr morgens. "Ich öffnete das Fenster und sah den Bus in Flammen. Das Ganze dauerte fünf bis zehn Minuten. Leute sprangen aus den Fenstern, sie schrien. Ein junger Mann rief, dass seine Schwester immer noch im Bus sei."

Ein Urlaubswochenende in Paris wollten die jungen Busurlauber verbringen, die von München starteten und ihre Reise am frühen Samstagmorgen in Köln fortsetzten. Für zwölf von ihnen endete der Ausflug fünf Tage vor Weihnachten tödlich. Dass bei der Tragödie nicht noch mehr Menschen starben, konnte nur durch das beherzte Eingreifen des zweiten Busfahrers verhindert werden. Er öffnete die Hintertür des Busses und rettete so fast 40 jungen Leuten das Leben.

Unfallhergang

Experten rekonstruieren mühsam den Unfallhergang, doch alles deutet auf menschliches Versagen hin. Einem Lastwagenfahrer zufolge, der dem Unglücksbus in der morgendlichen Dunkelheit folgte, fuhr der Bus Schlangenlinien - so als kämpfe der Fahrer mit dem Schlaf.

Die verkohlte Leiche des Busfahrers wird später von Rettungskräften zur Autopsie gebracht. Haben Alkohol oder Drogen eine Rolle gespielt? Oder war der 48-Jährige "nur" völlig übermüdet? Bis das Ergebnis feststeht, gibt es nach den Worten eines belgischen Ermittlers nur "eine einzige Sicherheit': Ein anderes Fahrzeug war nicht an dem Unfall beteiligt.

Unter Schock

Während die Feuerwehrleute noch mit der Rauchsäule über dem brennenden Bus kämpfen, bringen Helfer die 37 unter Schock stehenden Überlebenden in Krankenhäuser. Zwei Frauen haben schwere Verbrennungen erlitten, doch ihr Leben ist nicht in Gefahr. Die meisten anderen werden am Samstagnachmittag in eine Schule in Hensies gebracht. Dort betreuen sie Psychologen mit Hilfe von Übersetzern.

Die Sprachenvielfalt bereitet den belgischen Behörden ein besonderes Problem: Unter den jungen Leuten, die am frühen Samstagmorgen mit dem Bus aus Köln starteten, sind auch Kroaten, Russen, Ukrainer und Rumänen. "Ihnen ist noch nicht wirklich klar, was passiert ist", sagt ein Stellvertreter des Bürgermeisters, Francois Fabrice. "Sie wollen nur mit ihren Familien telefonieren."

Neuer Bus

Die Identität der Opfer war am Samstagnachmittag immer noch nicht geklärt. "Wir versuchen, den Nebel zu lichten", sagte ein Sprecher des deutschen Botschafters Peter von Butler, der ebenso wie der belgische Kronprinz Philippe an den Unglücksort geeilt ist. Auf der Liste des Busunternehmers Rainer Polster aus dem fränkischen Gößweinstein stehen nach Angaben des Sprechers nur die Namen derjenigen, die die Reise für ihre Freunde gebucht haben. Die Pässe sind mit dem Bus verbrannt.

Auch die Worte des Reisebus-Unternehmers geben keinen Aufschluss darüber, wie der Unfall passieren konnte. Wie kann es sein, dass ein "technisch neuwertiger" Bus ungebremst eine Betonplanke durchbricht und innerhalb weniger Minuten ausbrennt? Und warum gibt es auch nach einer Serie von Busunglücken immer noch keine hinreichenden Kontrollen für übermüdete Fahrer? Diese Fragen werden sich in diesen Vorweihnachtstagen nicht nur die Angehörigen der Opfer stellen. (mas)