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Deutscher Beitrag

Bettina Marx16. Juli 2008

Der Austausch von Gefangenen und Toten zwischen Israel und der Hisbollah ist unter Vermittlung eines deutschen Agenten zustande gekommen. Er zeigt, dass Deutschland neue Möglichkeiten jenseits von Schuld in Nahost hat.

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Bild: DW

Unvorstellbar grausam waren die letzten zwei Jahre für die Familien Goldwasser und Regev. Zwei Jahre lang bangten sie um das Leben ihrer Lieben, der beiden Soldaten Ehud und Eldad, die von der libanesischen Hisbollah in den Libanon verschleppt worden waren. Zwei Jahre lang tingelten sie unablässig durch die Welt, trafen Staatsoberhäupter und Regierungschefs, sprachen mit dem Papst und dem UN-Generalsekretär, und forderten die Rückkehr der beiden jungen Männer, von denen es seit dem Tag ihrer Entführung kein Lebenszeichen mehr gab.

Israelische Ärzte und Forensiker, die die Blutlachen am Ort des Hisbollah-Überfalls auf die Militärpatrouille untersuchten und den Angriff auf den Jeep rekonstruierten, kamen schon vor zwei Jahren zu dem Ergebnis, dass die Soldaten bei dem Überfall oder kurz danach umkamen. Der Krieg, den Israel führte, um die Soldaten, die in Israel trotz ihres durchaus erwachsenen Alters "die Kinder“ genannt werden, zurückzuholen, was also völlig überflüssig.

Am Ende musste Israel einen bitteren Preis bezahlen: Ein verurteilter Terrorist, der fünf Menschen auf dem Gewissen hat, und vier Kriegsgefangene wurden am Mittwoch (16.7.2008) gegen die Gebeine der zwei toten Soldaten und die sterblichen Überreste weiterer israelischer Gefallener getauscht.

Den wahren Preis zahlen die Familien

Besonders bitter ist dieser Tag für Noam und Aviva Shalit. Ihr Sohn Gilad wurde noch vor dem Libanon-Krieg von palästinensischen Freischärlern bei einem Überfall auf eine Militärpatrouille gefangen genommen und in den Gazastreifen verschleppt. Dort wird er nun schon seit zwei langen Jahren festgehalten. Inzwischen ist er 21 Jahre alt geworden und ein Ende seines Leids ist nicht abzusehen. Denn Israel will den Preis nicht bezahlen, den die palästinensische Hamas-Miliz für seine Freilassung fordert.

Auch in israelischen Gefängnissen sitzen Tausende palästinensische Häftlinge, unter ihnen Minderjährige und so genannte Administrativ-Häftlinge, die ohne Anklage und ohne Urteil einsitzen. Ihr Leid aber rührt niemanden. Erst wenn auch diese Gefangenen, unter ihnen gewählte palästinensische Abgeordnete, frei sind und Gilad Shalit nach Hause gehen und endlich in sein Leben starten kann, erst dann kann im Nahen Osten wirklich eine neue Seite aufgeschlagen werden.

Der Mann im Hintergrund

Trotzdem hat dieser traurige Tag auch einen Helden: den deutschen Unterhändler Gerhard Conrad. Mit viel Geschick und viel Geduld hat der BND-Mann diesen Gefangenen-Austausch ausgehandelt und ist dabei für die Öffentlichkeit vollkommen unsichtbar geblieben. Ihm gebührt heute Dank.

Er hat Großes geleistet. Er hat gezeigt, dass die deutsche Verantwortung für Israel, die in Berlin immer wieder unterstrichen wird, nicht gegen die arabischen Nachbarn des jüdischen Staates gerichtet sein muss. Dass ausgerechnet ein deutscher Agent als fairer Unterhändler im Nahen Osten akzeptiert wurde, zeigt, dass Deutschland inzwischen andere Möglichkeiten im Nahen Osten hat, wenn es ihm gelingt, sich aus der Umklammerung von Scham und Schuldgefühlen zu befreien. Zum Wohle Israels und zum Wohle seiner arabischen Nachbarn.