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Tropenhitze macht Deutschland zu schaffen

11. Juli 2010

Eine anhaltende Hitzewelle hält Deutschland fest im Griff. Schwül-warme Luft macht jede Bewegung zu einer schweißtreibenden Angelegenheit. Dagegen ist es in manchen Sonnenländern richtig angenehm.

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Junger Mann im Eisbach des Englischen Gartens in München (Foto: AP)
Bei Temperaturen wie im Backofen lässt es sich nur so aushaltenBild: AP

In Deutschland herrscht der klimatische Ausnahmezustand. Schon seit zwei Wochen klettert das Thermometer immer wieder über die 30-Grad-Celsius-Marke und das in den ansonsten gemäßigten Breiten. Absoluter Spitzenreiter ist dabei der Osten des Landes. Dort herrschten am Sonntag (11.07.2010) Temperaturen von fast 40 Grad.

Es ist zwar brütend heiß, doch der deutsche Rekord vom Supersommer 2003 ist bisher nicht geknackt. Damals brachte es der Ort Roth bei Nürnberg auf 40,4 Grad. Die Spitzenreiter dieses Wochenendes blieben davon noch ein Stück entfernt. Im rheinland- pfälzischen Bendorf zeigte die Messstation des Deutschen Wetterdienstes am Samstag immerhin 38,8 Grad, in Berlin- Tempelhof wurden am Sonntagnachmittag 37,5 Grad gemessen.

Zwei Mädchen schützen sich mit einem Tuch vor der sengenen Sonne (Foto: dpa)
Zwei, die sich beim Schutz vor der sengenden Sonne zu helfen wissenBild: picture-alliance/dpa

Nach Einschätzung der Meteorologen wird der Wärmerekord in diesem Sommer nicht mehr gebrochen. "Die Jagd ist für dieses Jahr beendet", prognostiziert der Meteorologe Christoph Hartmann. Denn die Tage werden wieder kürzer, die Sonne hat weniger Zeit, die Erde zu erhitzen. "Jede Woche eine Viertelstunde weniger", so Hartmann. Das macht sich bereits bemerkbar: Es wird morgens später hell und abends früher dunkel.

Ozonwerte steigen

Durch die heißen Temperaturen steigen auch die Ozonwerte. In mehreren Bundesländern, wie etwa Nordrhein-Westfalen, wurde am Wochenende bereits die Schwelle von 180 Mikrogramm pro Kubikmeter überschritten. Einerseits schützt Ozon vor gefährlichen ultra-violetten Strahlen. Aber zuviel davon kann die Atemwege reizen, und es kommt zu grippeähnlichen Symptomen wie Heiserkeit - und das im Sommer.

Rettungskräfte versorgen eine kollabierte Schülerin neben einem ICE-Zug (Foto: dpa)
Rettungskräfte mussten helfen, als bei mehreren Intercity-Zügen die Klimaanlage streikteBild: picture alliance/dpa

Das Hoch "Zadok" macht Mensch und Maschine gleichermaßen zu schaffen. Durch die außergewöhnlich hohen Temperaturen fielen in mehreren ICE-Zügen der Deutschen Bahn die Klimaanlagen aus, unter anderem auf der Strecke Hannover-Köln. Zahlreiche Schüler erlitten einen Kreislaufkollaps. Nachdem der Zug am Bielefelder Hauptbahnhof gestoppt wurde, seien 27 Schüler von Rettungskräften behandelt worden, so die Feuerwehr. Neun von ihnen seien in ein Krankenhaus gebracht worden. Im Zug hätten Temperaturen zwischen 45 und 50 Grad Celsius geherrscht, so der Einsatzleiter.

Nur in Island ist es kühl

Kühl in Europa ist es derzeit nur in Island. In Reykjavik regnete es am Samstag kräftig bei mäßigen 12 Grad. Und auch in typischen Sonnenländern wie Griechenland ist es mitunter angenehmer als in Deutschland. Dort, wo wir normalerweise die Sonne suchen, war es am Wochenende kühler als in Deutschland. In Griechenland und auf Zypern herrschten Temperaturen um die 31 Grad mit niedriger Luftfeuchtigkeit. In Großbritannien dagegen vertrocknen schon die Parks.

Männer sonnen sich in Brighton beach (Foto: AP)
Während in London der englische Rasen verdorrt, genießen diese Herren die Sonne am Strand von BrightonBild: AP

Vor allem der Südosten des Vereinigten Königreichs schwitzt bei Temperaturen von örtlich mehr als 30 Grad. Weil auch dort die Hitze schon seit Wochen anhält, ist der Londoner Hyde-Park vollkommen ausgetrocknet. Luftbilder zeigen trockenes gelbes Gras, wo vorher grüner englischer Rasen war. In den ersten Gegenden wurden bereits so genannte "Gartenschlauch-Verbote" verhängt. Um Wasser zu sparen, sollen Gartenbesitzer ihre Blumenpracht nicht mehr gießen.

Frankreich ächzt

In Frankreich ächzten die Menschen vor allem im Nordosten, im Süden sowie im Großraum Paris und Lyon unter tropischen Temperaturen von bis zu 36 Grad. Die Regierung appellierte an alte und kranke Menschen, möglichst nicht das Haus zu verlassen. Bei dem heißen Jahrhundertsommer 2003 starben fast 15.000 Menschen wegen der hohen Temperaturen.

Dagegen gab es in Skandinavien keine Beschwerden, sondern ungeteilte Begeisterung über den strahlenden Sonnenschein. In Stockholm waren es immer noch 28 Grad, in Oslo angenehme 25 Grad. Die Wassertemperatur an dänischen Stränden ist inzwischen auf rund 20 Grad geklettert. Allerdings hat die Wärme in der Ostsee auch die Algen zum Blühen gebracht.

Hochwasser in Rumänien und Bulgarien

Und auch im normalerweise heißen Bulgarien gab es ungewöhnlich kühles Juliwetter mit Temperaturen um 25 Grad und strömenden Regen. In der Touristen-Hochburg Burgas am Schwarzen Meer überflutete das Wasser Straßen, Unterführungen und Keller. Im Osten des Landes liefen mehrere Stauseen über. Aus dem Stausee Titscha im Raum Schumen flossen 30 Kubikmeter Wasser pro Sekunde.

Zwei Leute waten durch das Hochwasser in einer Straße von Cernavoda in Rumänien (Foto: AP)
Land unter in der ost-rumänischen Stadt CernavodeBild: AP

Seit drei Wochen anhaltende Überschwemmungen haben im Nachbarland Rumänien derweil schwere Schäden verursacht. Rund 20 Ortschaften wurden überflutet. Betroffen ist vor allem der Nordosten des Landes, aber auch der Unterlauf der Donau. Im Donaudelta wurde laut Medienberichten das Fischerdorf Ceatalchioi nahezu vollständig von den meterhohen Fluten zerstört, nachdem dort ein Schutzdeich geborsten war. Bei der ersten großen Flutwelle vor einer Woche waren 23 Menschen ertrunken. Bisher beläuft sich der gesamte Sachschaden nach einer Schätzung des Ministeriums für Regionalentwicklung und Tourismus auf 58,4 Millionen Euro.

Den Libellen nützt die Wärme

Doch es gibt offenbar auch Nutznießer der Temperaturkapriolen. "Studien zeigen, dass die meisten Libellenarten überdurchschnittlich erfolgreich sind", stellt der Forscher Thomas Fartmann vom Institut für Landschaftsökologie an der Universität Münster fest. "Sie können mit dem Klimawandel Schritt halten. Keine andere Tiergruppe kann so schnell auf die Klimaänderungen reagieren wie die Libelle."

Grüne Libelle auf Hortensienblüte (Foto: AP)
Die Libellen profitieren von den warmen TemperaturenBild: AP

Vor allem mediterrane Arten profitierten vom Temperaturanstieg und breiteten sich immer mehr in Deutschland aus. "Insekten sind angewiesen auf Wärme von außen", schilderte der Wissenschaftler. "Die Larvenentwicklung vollzieht sich schneller, die Sterblichkeit beim Nachwuchs geht zurück. Es gibt generell auch mehr Nahrung für die Insekten."

Lange Zeit seien die fleischfressenden Libellen auf dem Rückzug gewesen, so Fartmann. Überdüngung und das Zuschütten von Gewässern hätten den Insekten in den 70er und 80er Jahren das Leben schwer gemacht. In den 90ern wurden vielerorts vermehrt Kleinstgewässer angelegt, und die Sommer wurden heißer. Seitdem breiteten sich die Libellen wieder aus.

Autorin: Eleonore Uhlich (apn,dpa)
Redaktion: Stephan Stickelmann