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Portugal: Hoffen auf den Feriensommer trotz Corona-Krise

Jochen Faget Lissabon
13. Mai 2020

Portugals Wirtschaft lebt vom Tourismus. Fast 30 Millionen besuchen jedes Jahr das Land. Darum hofft die Ferienindustrie auf ein schnelles Ende der Corona-Reisebeschränkungen. Im Juni will man wieder Gäste empfangen.

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Portugal - Leuchtturm am Kap Sankt Vinzenz, Kap St. Vicente, Cabo de São Vicente, Sagres, Algarve
Bild: picture alliance/Bildagentur-online/Fischer

"Wir gehen davon aus, dass ab Juni wieder ausländische Touristen in die Algarve kommen. Nicht so viele wie im Vorjahr, aber sie werden kommen." João Fernandes, der Leiter des Tourismusverbands der portugiesischen Ferienregion Nummer eins gibt sich optimistisch. "Wir planen bereits mit unseren einheimischen und internationalen Partnern, dass dann alles sicher ist."

Der Tourismuschef kann auch nicht anders: Von rund 20 Millionen Besuchern in der Algarve kamen 2019 rund 15 Millionen aus dem Ausland. Ohne Touristen könnte die Region ganz im Süden des Landes wirtschaftlich kaum überleben; zu viele direkte und indirekte Arbeitsplätze hängen davon ab.

Doch nicht nur der Algarve, ganz Portugal droht ohne Touristen ein wirtschaftlicher Kollaps: In dem Land, das kaum über nennenswerte Industrien verfügt, macht der Tourismus rund 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Im vergangenen Jahr verzeichnete Portugal rund 27 Millionen Feriengäste; seit der Schuldenkrise ist der Tourismus immer wichtiger, sind die Besucherzahlen immer mehr geworden.

João Fernandes, Leiter des Tourismusverbands Algarve
João Fernandes, Leiter des Tourismusverbands AlgarveBild: Vasco Célio

Sollten die jetzt nur um ein Viertel sinken, ginge die Wirtschaftsleistung um mindestens 2,9 Prozent zurück, hat die staatliche Statistikbehörde ausgerechnet. Andere Prognosen gehen von bis zu sechs Prozent aus. Katastrophale Aussichten für einen Wirtschaftsbereich, vom dem etwa 100.000 Unternehmen - vor allem kleine und mittelständische - sowie rund 400.000 direkte Arbeitsplätze abhängen.

Stillstand seit März

"Bei uns steht seit Mitte März alles still", klagt Daniela Tomé, die Chefin des Reisebüros Magnificat Tours. Ihre Angestellten musste sie in Kurzarbeit schicken, den Unternehmern, mit denen sie zusammenarbeitet, kann sie keine Aufträge mehr geben. Ihr Reisebüro hat sich auf Individualtouristen und Reisegruppen spezialisiert, vor allem in den katholischen Wallfahrtsort Fátima in der Landesmitte.

Doch die große Wallfahrt am 13. Mai, zu der oft Hunderttausende kommen, wird nicht stattfinden. Niemand will, niemand darf nach Fátima. "2020 wird für uns fast ein Totalausfall", erklärt Daniela Tomé. Die Hotels in Fátima stehen leer, selbst Geschäfte, die religiöse Artikel verkaufen, sind geschlossen. "Bestenfalls dürfte das Geschäft im Herbst wieder anlaufen, wahrscheinlich aber erst im nächsten Jahr."

Für Daniela Tomé vom Reisebüro Magnificat Tours dürfte das Jahr 2020 zu einem Totalausfall werden.
Für Daniela Tomé vom Reisebüro Magnificat Tours dürfte das Jahr 2020 zu einem Totalausfall werden.Bild: privat

Die Regierung, die relativ früh sehr strenge Coronavirusmaßnahmen ergriffen hatte, lockert jetzt die Vorschriften. Spätestens Anfang Juni sollen Restaurants und Hotels wieder öffnen, so bald wie möglich die Touristenflieger wieder starten. Um Vertrauen aufzubauen, hat die staatliche Tourismusbehörde ein Hygiene-Siegel geschaffen, dass sie an Tourismusunternehmen verleiht.

"Wir arbeiten gerade ein Handbuch für den Wirtschaftsbereich aus, damit alle Hygiene- und Abstandsvorschriften eingehalten werden", sagt der Algarve-Tourismuschef Fernandes. Auch die Einführung eines sogenannten Urlaubspasses, für den Besucher vor der Reise auf Covid-19 getestet werden könnten, werde geprüft. Trotzdem stehen noch viele Fragezeichen vor einem möglichen Portugal-Urlaub: Ab wann werden die noch gesperrten Strände wieder freigegeben? Wie sollen Touristen dort die vorgeschriebenen zwei Meter Abstand halten? Wie viele Urlauber dürfen in ein Mietauto oder in ein Ausflugsboot? Und wer soll das alles kontrollieren?

Aufklärung und Eigenverantwortung

"Wir können und wollen ja nicht einen Polizisten für jeden Besucher an die Strände stellen", betont João Fernandes. Stattdessen verweist er auf die bisherigen Erfolge Portugals bei der Pandemieeindämmung. Im ganzen Land gab es bis jetzt nur wenig mehr als 1000 Coronovirus-Tote, in der Ferienregion Algarve sogar nur ein gutes Dutzend.

Der Wallfahrtsort Fátima wird dieses Jahr für Pilger und Touristen gesperrt sein.
Der Wallfahrtsort Fátima wird dieses Jahr für Pilger und Touristen gesperrt sein.Bild: DW/J. Faget

"Wir werden weiter auf umfassende Gefahrenaufklärung setzen und auf das Verantwortungsbewusstsein der Einheimischen und der Besucher." Außerdem würden die jetzt beschlossenen Lockerungsmaßnahmen von der Regierung alle zwei Wochen überprüft und notfalls angepasst werden. Portugal sei also bereit für einen Sommer mit Touristen.

Auch die Hotels beginnen, wieder auf Normalbetrieb umzuschalten. Sie melden erste Buchungszunahmen aus dem Ausland, besonders für Juli und August, die Hauptreisezeit in Portugal. Die Regierung setzt jedoch anscheinend vor allem auf den Binnentourismus, fordert schon jetzt die Portugiesen auf, den Sommerurlaub 2020 im eigenen Land zu verbringen. Im Augenblick haben sie dazu noch keine Alternative; die Landesgrenzen sind mindestens bis zum 14. Mai geschlossen, die Auslandsflüge auf ein Minimum herabgesetzt.

Da können sich viele nicht vorstellen, dass der Touristenrummel im Land vielleicht schon im Juni wiederbeginnen soll. Selbst die Reisebürodirektorin Daniela Tomé hat ihre Zweifel: "Menschen im Urlaub neigen dazu, es mit Vorschriften nicht so genau zu nehmen und manchmal über die Stränge zu schlagen." Eine zu schnelle Rückkehr zum Massentourismus könnte Portugals bisherige Erfolge bei der Covid-19-Bekämpfung zunichte machen und in eine neue Katastrophe führen - ganz egal, wie wichtig die Neuöffnung für die Tourismusindustrie des Landes sein mag.