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Politik

Tourismus-Boom in Mexiko

19. Februar 2021

Für den Tourismus war 2020 ein katastrophales Jahr. Mexiko hat jedoch mitten in der Pandemie den Sprung auf Platz drei der meistbesuchten Länder weltweit geschafft - nach Italien und Frankreich.

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Mexiko | Coronavirus | Touristenattraktionen
Bild: Rodolfo Flores/Eyepix/abaca/picture-alliance

Alle fünf Minuten starten und landen die Flieger wieder am Internationalen Flughafen in Cancún - und das schon seit Dezember. Es ist Hochsaison im mexikanischen Badeort an der Karibikküste. Auch die Lufthansa hat seit Oktober die mexikanische Touristenhochburg in ihr Programm aufgenommen - trotz COVID-19. Am Strand tummeln sich Badegäste aus Europa und Nordamerika, vor den Maya-Pyramiden bilden sich Warteschlangen, Hoteliers und Gastronomen atmen auf. Für viele Urlauber ist der Strand offenbar verlockender als die beunruhigenden Presseberichte über volle Intensivstationen und steigende Infektionszahlen in Mexiko, wo bislang 174.000 Menschen an COVID-19 starben. Der neuesten, vorläufigen Statistik der Welttourismusorganisation (UNWTO) zufolge war Mexiko 2020 die meistbesuchte Destination Lateinamerikas und rückte weltweit auf Platz 3 vor, nach Italien und Frankreich.

Offene Grenzen und Heimatbesuche

Die Gründe dafür sind vielfältig. So schloss Mexiko nie seine Grenzen und verlangt bis heute als eines der wenigen Länder weltweit bei der Einreise keinen negativen PCR-Test. Denn Präsident Andrés Manuel López Obrador gehört zu den Staatschefs, die Lockdowns ablehnen und der Wirtschaft oberste Priorität einräumen. Ein weiterer Grund sind die Heimatbesuche von Migranten, die zur Weihnachtszeit die Besucherzahlen in die Höhe trieben. Ganz aussagekräftig ist die Statistik freilich nicht, wie Michael Hallé gegenüber der DW zu Bedenken gibt. "In sie flossen auch noch die Vor-Pandemie-Monate Januar bis März ein, die in Mexiko Hochsaison sind." Der Kanadier ist Mitbegründer der Consultingfirma 10Gates und berät seit 30 Jahren in Mexiko Behörden und Unternehmer der Branche.

Südamerika Coronavirus Rückgang Umweltverschmutzung Cancun Beach
Im April, auf dem Höhepunkt der ersten Pandemie-Welle, waren Cancuns Traumstrände noch leer.Bild: picture-alliance/Xinhua

Keine Subventionen, aber regionale Hygienekonzepte

Trotz Platz 3 in der UNWTO-Statistik war der Einbruch auch in Mexiko dramatisch: Fast 48 Prozent weniger Besucher und 55 Prozent weniger Deviseneinnahmen gab es nach Angaben des Statistikinstituts Inegi 2020 im Vergleich zum Vorjahr. Dass der Sektor trotzdem überlebt, ist beachtlich. Denn anders als in Deutschland gab es keine Subventionen für Fluglinien und Reiseveranstalter. Im Gegenteil: Die Regierung löste kurz vor der Pandemie aus Spargründen die nationale Tourismus-Marketing-Agentur auf.

Aber regionale Behörden und Tourismusverbände seien in die Bresche gesprungen, so Hallé. "Schon im Sommer 2020 hatten die Hotels an der Karibikküste zertifizierte Hygienekonzepte, wie wir sie nicht mal in Kanada haben. Das schuf Vertrauen bei den Reisenden." Im Bundesstaat Quintana Roo, in dem Cancún liegt, verordnete der Gouverneur eine Maskenpflicht. Hinzu kommt, dass Cancún für Kanadier und US-Amerikaner nur drei bis vier Flugstunden entfernt ist - das Risiko, sich auf einem Flug zu infizieren, also geringer ist. Aus diesen beiden Ländern stammte der Statistik zufolge auch der überwiegende Teil der ausländischen Urlauber. Unter ihnen auch gerade der bekannte US-Senator Ted Cruz: Auch er flog in den Badeort Cancún - und wird dafür heftig kritisiert.

Viele Ärzte halten die Öffnung für riskant und machen den Tourismus für den Anstieg der Infektionen in den Urlaubszielen verantwortlich. Offizielle Statistiken verzeichnen dort zwar steigende Zahlen im Februar, aber die Infektionen lagen trotzdem deutlich hinter den Hotspots rund um Mexiko-Stadt und in Zentralmexiko.

National und naturnah - Mexikos Pluspunkte

Ein weiterer Rettungsanker war der nationale Tourismus - in einem Land mit 126 Millionen Einwohnern ein durchaus lukrativer Markt. Er federte den Einbruch im internationalen Geschäft etwas ab. Diese Erfahrung machte etwa Meinolf Koessmeier. Seine Agentur Mexico Adventures organisiert Motorradreisen. Spezialisierte sich der in Cuernavaca ansässige Koessmeier bislang darauf, Mexikanern die Schönheiten Europas auf zwei Rädern zu zeigen, bot er 2020 lokale Touren an. So überlebte er, doch sein Jahresumsatz schmolz zusammen. Er hofft, dass das Geschäft sich 2022 wieder normalisiert. "Das Interesse an naturnahem Urlaub ist groß", hat er beobachtet. "Weltweit machten 2020 Motorradhersteller Rekordumsätze, und die Käufer warten nur auf eine Gelegenheit, ihren Neuerwerb in vollen Zügen zu genießen." Hallé bestätigt diesen Nachholbedarf: "In unserer jüngsten Umfrage zeigten sich die US-Amerikaner erstmals wieder optimistisch und hofften, dank der Impfungen in den kommenden 6 Monaten wieder reisen zu können."

Mexiko und die Touristen: das Covid-Problem

Trotz allem wird sich der Sektor nicht von einem Tag auf den anderen erholen. Einen Rückschlag gab es gerade erst, nachdem Kanada und die USA aufgrund der Mutationen des Virus striktere Reiseauflagen verhängten; von Rückkehrern werden nun negative PCR-Tests verlangt, außerdem greifen nun striktere Quarantäneregelungen. Mexiko reagierte sofort: Die großen Flughäfen bieten nun PCR-Test-Module an, auch manche Hotels vermitteln die Dienstleistung. Die Pandemie bietet Hallé zufolge Mexiko auch die Chance auf einen nachhaltigeren Tourismus. Massenabfertigungen und Städtetourismus hält er mittelfristig für erledigt. Länder wie Mexiko hingegen, die mit viel Platz und Naturschönheiten punkten, könnten davon profitieren.