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Politik

Erste Sammelabschiebung nach Afghanistan

14. Dezember 2016

Die heftigen Proteste auf dem Frankfurter Flughafen haben am Ende nicht gefruchtet. Erstmals wurden 34 abgelehnte afghanische Asylbewerber per Sammelabschiebung aus Deutschland in Richtung Kabul ausgeflogen.

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Demo gegen geplante Abschiebung am Frankfurter Flughafen
Bild: Getty Images/AFP/D. Roland

Erste Sammelabschiebung von Afghanen

Eine Chartermaschine mit 34 Afghanen sei auf dem Frankfurter Flughafen gestartet, berichtete Melisa Ergül-Puopolo, die als "Abschiebebeobachterin" der Diakonie der Evangelischen Kirch in Hessen tätig ist. Unter den Insassen befänden sich acht Afghanen aus Bayern, teilte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann mit. An dem ersten Sammelcharterflug hätten sich auch Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Hamburg und das Saarland beteiligt.

Der CSU-Politiker kündigte weitere Abschiebungen auch nach Afghanistan an und widersprach Kritik daran. Bedrohungen durch radikale Kräfte gebe es in vielen Teilen der Welt, sagte Herrmann. Afghanische Sicherheitskräfte sorgten aber mit Unterstützung deutscher Soldaten und Polizisten für die Sicherheit der Menschen dort und für eine weitere Stabilisierung des Landes. "Das rechtfertigt auch eine Rückführung abgelehnter Asylbewerber in gesicherte afghanische Provinzen", betonte Herrmann. Das hätten das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium übereinstimmend festgestellt.

Demo gegen geplante Abschiebung am Frankfurter Flughafen
Demonstranten in Frankfurt wenden sich gegen die geplante Abschiebung von AfghanenBild: Getty Images/AFP/D. Roland

Mehr als 12.000 Ausreisepflichtige

Abschiebungen nach Afghanistan sind umstritten, weil es in weiten Teilen des Landes Kämpfe zwischen Armee und radikalislamischen Taliban gibt und immer wieder zu Anschlägen kommt. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Johannes Dimroth, erklärte, zum Stichtag 30. September habe es 12.539 ausreisepflichtige Afghanen in Deutschland gegeben. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei regional unterschiedlich, habe sich aber in jüngster Zeit nicht maßgeblich verändert.

Auch der Direktor der Internationalen Organisation für Migration (IOM), William Lacy Swing, hält die Rückführung von Afghanen in vielen Fällen für vertretbar. "Die IOM führt alle paar Tage freiwillige Ausreisen aus Deutschland nach Afghanistan durch, weil es in einigen Regionen ausreichend sicher ist", sagte er. Die IOM prüfe "aber jeden einzelnen Fall" und bleibe auch "mit den freiwilligen Rückkehrern nach der Heimreise in Kontakt".

Protestkundgebung in Frankfurt

Gegen die Sammelabschiebung demonstrierten vor dem Terminal 1 des größten deutschen Flughafens mehrere hundert Menschen. Sie trugen Schilder mit der Aufschrift: "Stopp - Keine Abschiebung nach Afghanistan". In Sprechchören forderten sie: "Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord, Bleiberecht für alle, jetzt sofort!"

Die Sammelabschiebung war im Vorfeld auf breite Kritik gestoßen. So verwies die Grünen-Chefin Simone Peter auf die "sich ständig verschlechternde Sicherheitslage" in Afghanistan. "Eine Politik, die unter diesen erbärmlichen Umständen Flüchtlinge in ihre Heimat abschiebt, macht sich der Menschenrechtsverletzungen indirekt mitschuldig." Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warf vor allem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vor, er treibe mit den afghanischen Flüchtlingen "ein unbarmherziges Spiel".

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), sagte, sie "teile die Bedenken einiger Bundesländer, inwieweit Abschiebungen nach Afghanistan aktuell verantwortet werden können". Auch von Hilfsorganisationen kam Protest. Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt sagte: "Einfach Menschen nach Kabul fliegen, ausladen und sie ihrem ungewissen Schicksal überlassen, ist verantwortungslos." Burkhardt wies darauf hin, dass derzeit in 31 von 34 afghanischen Provinzen Kampfhandlungen stattfänden.

Dagegen begrüßte der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer die erste Sammelabschiebung nach Afghanistan. "Ich hoffe, dass es keine einmalige Aktion ist", sagte Seehofer. In Deutschland hätten radikale Kräfte nur dann keinen Erfolg, wenn abgelehnte Asylbewerber auch in ihre Länder zurückkehren müssten.

Einzelfallentscheidung des Verfassungsgerichts

Kurz vor dem Start des Flugzeugs setzte das Bundesverfassungsgericht wegen besonderer Umstände in einem Einzelfall die Abschiebung eines 29-jährigen Afghanen aus. Die Karlsruher Richter gaben dem Antrag des Asylbewerbers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statt, weil ihm sonst die Möglichkeit weitgehend verwehrt wäre, den von ihm gestellten Asylfolgeantrag weiterzuverfolgen. Sie ließen aber die Frage offen, ob Abschiebungen nach Afghanistan derzeit verfassungsrechtlich zulässig sind. Ein zweiter Antrag eines anderen Afghanen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen seine drohende Abschiebung wurde abgelehnt.

kle/ml (dpa, afp, kna, rtr)