1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

#WhyIDidntReport: Trump löst Protestwelle aus

22. September 2018

Die Attacke von US-Präsident Trump gegen die Professorin Christine Blasey Ford im Streit um den Richterkandidaten Brett Kavanaugh hat in den USA für Empörung gesorgt. Zehntausende Frauen solidarisieren sich mit Ford.

https://p.dw.com/p/35L0q
Donald Trump
Bild: Getty Images/M. Ngan

Unter den Frauen, die Trump unter dem Hashtag #WhyIDidntReport entgegentreten, ist auch Patti Davis, Tochter des früheren US-Präsidenten Ronald Reagan. Mit einem erschütternden Bericht über eigene Missbrauchserfahrung hat sich Davis in die Debatte über den Supreme-Court-Anwärter Brett Kavanaugh eingeschaltet. In der "Washington Post" schrieb die 65-Jährige, sie sei vor etwa 40 Jahren vergewaltigt worden.

Ein Musikmanager habe sie damals in seinem Büro missbraucht. "Jahrzehntelang habe ich niemandem davon erzählt - keinen Freunden, keinem Partner, keinem Therapeuten, auch nicht meinem Ehemann, als ich Jahre später heiratete", schrieb sie. "Ich fühlte mich alleine, ich habe mich geschämt, und ich war angewidert von mir selbst." Deshalb wundere es sie keineswegs, dass die Frau, die Kavanaugh eine versuchte Vergewaltigung vor mehr als 30 Jahren vorwirft, so lange geschwiegen habe, schreibt Davis.

Verständnis für Ford

Sie äußerte auch Verständnis dafür, dass die Frau nicht alle Details des mutmaßlichen Übergriffs benennen könne. Bei traumatischen Erlebnissen blende die Erinnerung gewisse Dinge einfach aus. Ford beschuldigt den erzkonservativen Kandidaten Brett Kavanaugh für das mächtige Oberste Gericht, in den 1980er Jahren bei einer Schülerparty versucht zu haben, sie zu vergewaltigen. Kavanaugh weist die Anschuldigung zurück.

USA Brett Kavanaugh in Washington
Schwer Vorwürfe gegen Brett KavanaughBild: picture-alliance/AP Photo/M. Balce Ceneta

Wie zu Beginn der #MeToo-Debatte schilderten hunderte Twitter-Nutzerinnen Fälle sexuellen Missbrauchs und warum sie niemandem etwas davon erzählt, geschweige denn eine Anzeige erstattet hätten. "Ich wurde zweimal sexuell missbraucht. Einmal, als ich ein Teenager war. Ich habe nie eine Anzeige erstattet und 30 Jahre gebraucht, um es meinen Eltern zu sagen", schrieb die Schauspielerin Alyssa Milano.

Die Schauspielerin Ashley Judd erklärte: "Als es das erste Mal passierte, war ich sieben." Als sie Erwachsenen davon erzählt habe, hätten diese erwidert, der Täter sei ein "netter alter Mann, der es nicht so gemeint hat". Als sie mit 15 Jahren ein weiteres Mal vergewaltigt worden sei, habe sie es nur ihrem Tagebuch anvertraut. Judd hatte auch den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein der sexuellen Belästigung beschuldigt.

Auch die republikanische US-Senatorin Susan Collins, die Mitglied im Justizausschuss ist, zeigte sich erschüttert: "Ich war entsetzt vom Tweet des Präsidenten", sagte sie US-Medien. Es sei bekannt, dass sexuelle Übergriffe zu den am seltensten gemeldeten Fällen gehörten. Daher sei der Tweet des Präsidenten "völlig unangemessen und falsch".

Trumps Zweifel

Nach anfänglicher Zurückhaltung hatte Trump am Freitag die Glaubwürdigkeit Fords in Frage gestellt. In einem Tweet merkte Trump an, er habe "keinen Zweifel", dass Ford oder ihre "liebenden Eltern" damals unverzüglich Anzeige erstattet hätten, wenn der Angriff "so schlimm" gewesen wäre, wie von der Psychologieprofessorin geschildert.

Trump forderte Ford zudem auf, Dokumente über eine Anzeige vorzulegen, "so dass wir Datum, Zeit und Ort erfahren können". Aus Fords Schilderungen geht hingegen hervor, dass eine Anzeige damals offensichtlich nicht erstattet worden war. Trump kritisierte auch Fords Forderung nach Ermittlungen der US-Bundespolizei FBI. "Warum hat nicht jemand das FBI vor 36 Jahren angerufen?" fragte er.

Traumatisches Erlebnis

Ford hatte nach eigener Schilderung erst 2012 während einer Paartherapie mit ihrem Ehemann erstmals genauer von der sexuellen Attacke erzählt, die sie als 15-Jährige erlebt habe. Opfer von sexueller Gewalt scheuen häufig aus Scham und Furcht davor zurück, von dem traumatischen Erlebnis zu erzählen.

Die Professorin erklärte sich bereit, in der kommenden Woche im Justizausschuss des Senats auszusagen. Es gibt aber Streit über den genauen Termin: Der republikanische Ausschussvorsitzende Chuck Grassley setzte zunächst für Montag eine öffentliche Anhörung an, bei der sowohl die Professorin als auch der Richter aussagen sollen.

Druck auf Ford

Diesen Termin lehnte Ford als verfrüht ab. Nach Angaben ihrer Anwälte will sie frühestens am kommenden Donnerstag aussagen. Um den Druck auf Ford zu erhöhen, setzte Grassley der Professorin schließlich eine Frist bis Freitagabend, um über eine Aussage am kommenden Mittwoch zu entscheiden. Andernfalls werde der Ausschuss am Montag über Trumps Wunschkandidaten für den mächtigen Supreme Court abstimmen - ohne sie vorher anzuhören.

Chuck Grassley
Setzt Ford eine Frist: Chuck GrassleyBild: Getty Images/A. Wong

Fords Anwälte wiesen diese Frist als "willkürlich" zurück und baten um einen weiteren Tag Bedenkzeit. Am Freitagabend lenkte Grassley ein. Er habe Ford "noch eine Fristverlängerung gewährt", schrieb er auf Twitter. "Sie sollte sich entscheiden, damit wir weitermachen können. Ich möchte sie anhören."

Schlammschlacht im Wahlkampf

Die Vorwürfe gegen Kavanaugh sind inzwischen Gegenstand einer ausgewachsenen parteipolitischen Schlammschlacht in Washington geworden. Die Demokraten sehen eine Chance, Kavanaughs Nominierung hinauszuzögern, bis sich nach der Zwischenwahl am 6. November möglicherweise die Mehrheitsverhältnisse im Senat ändern und der erzkonservative Richter verhindert werden könnte.

US-Medien berichteten, Trumps Umfeld im Weißen Haus habe den Präsidenten zuvor sehr zu Zurückhaltung in dem heiklen Fall gedrängt, um nicht weibliche Wähler zu verschrecken oder in den eigenen Reihen der Republikaner für Unmut zu sorgen. Anfang November stehen die wichtigen Kongresswahlen an, zur Halbzeit von Trumps Amtszeit.

cgn/kle (afp, dpa)