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Politik

Idriss Déby - ungeliebt und unverzichtbar

20. April 2021

Idriss Déby regierte den Tschad mehr als 30 Jahre. Gerade war seine Wiederwahl bestätigt worden. Jetzt ist der Militär, der sich 1990 an die Macht putschte, im Kampf gegen ein Rebellenbündnis gestorben.

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Porträt Idriss Deby
Bild: Regis Duvignau/AP/picture alliance

Die Wiederwahl von Tschads Präsident Idriss Déby Itno war reine Formsache. Niemand konnte daran zweifeln, dass die Wahlkommission - wie erst an diesem Montag geschehen - erneut den Mann zum Sieger küren würde, der längst zu einer Konstante geworden war und sein Land zum Gravitationszentrum in der gesamten Sahelzone und Zentralafrika ausgebaut hatte. Nur Stunden später verkündete die Armeeführung jedoch den Tod von Idriss Déby nach Verletzungen, die er sich an der Front im Norden des Landes zugezogen haben soll.

Die Rolle des Militärs, der sich 1990 selbst an die Macht putschte und seitdem statt der versprochenen Demokratisierung vor allem auf Militarisierung setzte, hat ihn eingeholt: "Er selbst hat gesagt, dass er nicht mit einem Air-Afrique-Flugticket an die Macht gekommen ist", so hatte Mahamat Ali, Sprecher eines Rebellenbündnisses, am vergangen Wahlsonntag den Vormarsch der Rebellen in der nordwestlichen Tibesti-Region begründet. "Deshalb werden auch wir ihn mit Gewalt vertreiben und eine Demokratie einsetzen."

 Idriss Deby trägt Maske und wirft im Beisein mehrerer Menschen einen Wahlzettel in die Wahlurne
Es sollte seine sechste Amtszeit werden: Idriss Déby am 11. April bei seiner StimmabgabeBild: MARCO LONGARI/AFP

Nach Bekanntwerden von Débys Tod sagte Mamadou Ismaïla Konaté, ehemaliger Justizminister Minister aus Mali, der DW: "Die Regel, die besagt, dass derjenige, der durch das Schwert regiert, durch das Schwert umkommen wird, trifft auf Idriss Déby zu. Er selbst hatte nicht ausgeschlossen, dass man, um ihn zu stürzen, über seinen Leichnam gehen müsse."

Mit Frankreichs Hilfe zur Legende

Der Sohn eines Hirten, 1952 im Nordosten der Kolonie Französisch-Äquatorialafrika geboren, strebte schon früh eine militärische Laufbahn in dem seit 1960 unabhängigen Tschad an. In den 1970er-Jahren schloss er sich dem Widerstand gegen das pro-französische Regime des ersten Präsidenten Francois Tombalbaye an. Angeführt wurde der Widerstand von Hissène Habré, der sich 1982 zum Präsidenten ernennen ließ. Der wiederum machte den in Frankreich ausgebildeten Kampfpiloten Déby zu seinem Oberbefehlshaber.

Mit französischer Hilfe aus der Luft gelang es Déby, Habrés Regime gegen Angriffe aus Libyen zu konsolidieren. Weil er dabei vor allem auf Toyota-Pickups setzte, ging der Krieg als Toyota-Krieg in die Geschichte ein.

Idriss Debyin Militärkleidung mit einem Turban auf dem Kopf
Idriss Déby (links) marschierte am 2. Dezember 1990 mit seiner Patriotischen Heilsbewegung in N'Djamena ein Bild: AFP/Getty Images

Zentral für Débys Erfolg war schon zu diesem Zeitpunkt die französische Unterstützung. Das Verhältnis zu Habré hingegen kühlte sich zunehmend ab. 1989 des Putsches bezichtigt, baute Déby im Sudan eine eigene Armee auf, mit der es ihm ein Jahr später - unter Duldung Frankreichs - gelang, Habré zu vertreiben und die Macht zu übernehmen. "Ich bringe euch kein Gold oder Silber", versprach er seinen Landsleuten, "aber ich bringe euch die Demokratie."

Demokratisierung auf dem Papier

Von Anfang an setzte Déby auf französische Militärpräsenz und ging hart gegen politische Gegner vor. In den nächsten Jahren folgten einige Pflichtübungen auf dem Weg zur Demokratie - eine Nationalkonferenz zur Zukunft des Landes, eine Generalamnestie, 1996 schließlich ein Verfassungsreferendum und eine Wahl, aus der Déby mit seiner Patriotischen Heilsbewegung (MPS) als klarer Sieger hervorging. In den Folgejahren konnte er seine Macht ausbauen. Der Tschad intervenierte auch außenpolitisch - etwa im zweiten Kongokrieg - und stand fortan für Stabilität.

Déby bei einer Zeremonie mit Militärangehörigen
Eine feste Größe in der Region: Déby (Mitte) 2016 zu Besuch im Nachbarland SudanBild: Getty Images/AFP/A. Shazly

Ölfunde brachten zudem einen wirtschaftlichen Aufschwung, der aber der Bevölkerung kaum zugute kam. Stattdessen floss viel Geld in den Sicherheitsapparat, Machtpositionen wurden systematisch mit Angehörigen von Débys kleiner Ethnie, der Zaghawa, besetzt. Eine Verfassungsänderung 2004 hob die bisher geltende Altersbeschränkung auf - Déby hätte sich demnach noch bis 2033 wiederwählen lassen können.

Stabilitätsanker und "couragierter Freund"

Durch seine autoritäre Führung und einen Sicherheitsapparat, der jeden Protest im Keim erstickte, formte Déby den Tschad zu einem Stabilitätsanker, der sich in Afrika und in der Internationalen Gemeinschaft unverzichtbar machte. Déby beeinflusste wiederholt entscheidend die Politik in der benachbarten Zentralafrikanischen Republik, erzielte im Bündnis mit Nigeria und dessen Nachbarländern Erfolge gegen die Islamisten von Boko Haram. 2014 wurde der Tschad Teil des G5-Sahel-Bündnisses im Kampf gegen den Terror in der Sahelzone. Und er stellte Frankreich eine Militärbasis zur Verfügung, um selbst mit der Operation Barkhane im Anti-Terror-Kampf aktiv zu werden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron begab sich noch im Februar persönlich nach N'Djamena, um an einem G5-Sahel-Gipfeltreffen teilzunehmen.

Tschads Präsident Idriss Deby und Emmanuel Macron
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, hier 2019, bezeichnete Déby nach dessen Tod als "couragierten Freund" Bild: Ludovic Marin/AFP/Getty Images

Intern wuchs unterdessen der Widerstand. 2016 formierte sich das Rebellenbündnis "Front für demokratischen Wechsel und Eintracht für den Tschad" (FACT), das am Tag der Wahl von den Tibesti-Bergen an der libyschen Grenze den Vormarsch auf die Hauptstadt verkündete.

Unterdessen drangen Vertreter der Zivilgesellschaft und politische Parteien auf einen Dialog. "Das alles muss aufhören, bevor alles verdorben ist", sagte noch am Montag Abderamane Djasnabaye, Koordinator der Mehrheitsparteien im Tschad und Botschafter für den Frieden bei der Frankophonie und den Vereinten Nationen, der DW, nachdem die Armee ihre Panzer in N'Djamena auffahren ließ. "Lasst uns diesen Krieg in der Hauptstadt vermeiden. Wer auch gewinnen wird, verlieren werden wir alle."

Am Abend der Ergebnisverkündung proklamierte die Armee, bisher nur zum Teil bestätigt, spektakuläre Erfolge über die Rebellen am Wochenende - und verschwieg die Verwundung Idriss Débys beim Besuch an der Front. Als die Armeeführung nun den Tod Débys verkündete, sind die Weichen längst gestellt: Sein Sohn Mahamat Kaka wird als Übergangspräsident ausgerufen, nach 18 Monaten sollen Wahlen stattfinden. Frankreich nimmt das zur Kenntnis, Emmanuel Macron ist unter den ersten, die kondolieren: Frankreich habe einen "couragierten Freund" verloren.

Mitarbeit: Blaise Dariustone (N'Djamena), Sandrine Blanchard

Dieser Artikel wurde aktualisiert.