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TTIP-Verhandlungen und Proteste

25. April 2016

In New York werden die TTIP-Verhandlungen wieder aufgenommen. Es ist die 13. Verhandlungsrunde zwischen EU und USA über ein Freihandelsabkommen. Die Zeit drängt. In Hannover kamen Gegner und Befürworter zu Wort.

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Deutschland Demonstration gegen TTIP und CETA in Hannover
Bild: DW/S. Kinkartz

US-Präsident Obama, ein Anhänger des transatlantischen Abkommens, ist nur noch dieses Jahr im Amt. Danach dürfte es in den USA schwieriger werden, einen Vertrag abzuschließen. Bei der Eröffnung der Hannover-Messe warb Obama am Sonntag für die Vereinbarung zum Freihandel: "Wir können eine Menge regulatorische und bürokratische Blockaden beseitigen", sagte der US-Präsident in Hannover. Das sei gut für Wachstum und Beschäftigung, "das ist unstrittig".

Obama machte deutlich, dass er einen Abschluss der Verhandlungen über das TTIP-Abkommen noch 2016 für möglich hält. "Ich rechne zwar nicht damit, dass wir die Ratifizierung bis Jahresende schaffen", sagte Obama auf einer Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Schloss Herrenhausen in Hannover. Die Gespräche könnten aber bis dann beendet sein. Danach müssten sich die Parlamente in den USA und den EU-Ländern mit dem Abkommen befassen und zustimmen.

Angela Merkel Barack Obama Hannover Deutschland PK
Obama und Merkel vor der Presse in HannoverBild: Reuters/K.Lamarque

"Gut für Deutschland, gut für Europa"

Ähnlich äußerte sich Merkel. "Das ist für die deutsche Wirtschaft gut, das ist für die gesamte europäische Wirtschaft gut", sagte sie. Beide Vertragspartner sollten sich daher sputen, den Vertrag unter Dach und Fach zu bringen. Die Handelsministerin der USA, Penny Pritzker, warnte in Hannover: "Wenn wir die TTIP-Verhandlungen nicht bis Ende des Jahres schließen, dann könnte es Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis ernsthafte Gespräche wieder aufgenommen werden können."

Allerdings stößt die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft auf beiden Seiten des Atlantiks auf große Vorbehalte. In den USA wird befürchtet, dass ähnlich wie nach dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen Nafta viele Jobs wegfallen könnten.

In Hannover hatten am Samstag Zehntausende gegen das geplante Abkommen demonstriert. Die Kritiker hier befürchten, dass europäische Standards - etwa beim Verbraucherschutz - abgebaut werden.

Deutschland Demonstration gegen TTIP und CETA in Hannover
Bild: DW/S. Kinkartz

"Unser Widerstand ist keine Laune von Hysterikern", sagte eine Sprecherin während der Kundgebung am Opernplatz in Hannover. Die Demonstration war von der globalisierungskritischen Organisation Attac zusammen mit einigen Dutzend Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und kirchlichen Gruppen organisiert worden. Das Motto: "Merkel & Obama kommen - TTIP & CETA stoppen - Für einen gerechten Welthandel". Die Veranstalter sprachen von 90.000 Teilnehmern, die Polizei von 35.000.

"Böses Brüderpaar"

Manche Demonstranten waren in überdimensionalen Fantasie-Figuren aus Pappmaché gehüllt. "Unter dem Deckmantel des freien Warenverkehrs soll Konzernen im Binnenmarkt und weltweit bestmöglicher Zugang zu Märkten und Investitionen verschafft werden", so eine der Rednerinnen. "TTIP und CETA, dieses böse Brüderpaar, stellt den bisher weitestgehenden Versuch dar, demokratische Rechtsstaatlichkeit auszuhöhlen und eine machtkonforme Demokratie durchzusetzen."

Martin Erich, einer der Demonstranten, war aus Braunschweig nach Hannover gekommen, um gegen die TTIP zu protestieren. "Es gibt nur Nachteile für uns", sagte Erich, "Vorteile und Gewinne für die Industrie. Und für uns gibt es in allen Bereichen Einschränkungen." Er wolle nicht, dass genmanipulierte Lebensmittel nicht gekennzeichnet werden müssten und Arbeitnehmerschutzrechte gemindert würden. TTIP sei Aushebelung der Demokratie. "Da kann man auch gleich die Industrie in den Bundestag einziehen lassen und sagen: Ja, macht doch!"

35 Traktoren voraus

Dem stimmte auch eine Demonstrantin zu, die ihren Nachnamen nicht nennen will: "Ich habe keine Angst vor Chlorhühnchen, auch wenn ich dagegen bin. Aber ich habe Angst vor einem Verfahren, bei dem demokratische Richtlinien ausgehebelt werden." Alles sei sehr undurchsichtig. Und es habe mit demokratischen Regeln nichts zu tun, dass etwas so geheim gehalten werde. "Und das mit den Schiedsgerichten macht mir Angst: dass eine Nation nachher nicht sagen kann, für uns gelten bestimmte Grenzen, sondern dass die Konzerne sofort dagegen klagen können und auch ein Recht haben zu klagen."

Nach der Kundgebung machte sich ein Demonstrationszug, angeführt von einem Korso aus etwa 35 Traktoren, auf den Weg durch die Innenstadt von Hannover.

Reformen: nur Augenwischerei?

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor schon zu den Vorwürfen über mangelnde Transparenz bei den TTIP-Verhandlungen geantwortet: Zwar könne nicht alles für jedermann zugänglich sein, wenn man seine Verhandlungsposition halten wolle, "aber wir wollen schon, dass die Menschen nicht den Eindruck haben, wir würden hier irgendetwas verschweigen oder wir würden irgendwelche Normen zur Disposition stellen - das Gegenteil ist der Fall", so die Kanzlerin.

Dazu sagte in Hannover der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) Hubert Weiger, das sei "Augenwischerei". Reformvorschläge wie die der EU-Kommission für eine Investor-Staat-Streitschlichtung seien am Ende nicht mehr als eine "Luftnummer". "Konzerne behalten weiterhin Sonderklagerechte, mit denen sie nationales Recht umgehen und Gesetze für einen besseren Umwelt- und Verbraucherschutz anfechten können."

ar/sk/iw (dpa, rtrs, afp)