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'Tugend und Skandal'

26. Januar 2010

US-Präsident Obama hat in einem Interview mit dem "Time Magazine" zugegeben, die Lage in Nahost unterschätzt zu haben. Dies war Thema in den Kommentarspalten verschiedener arabischer und israelischer Zeitungen.

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Bild: picture-alliance/dpa

Die überregionale staatliche ägyptische Zeitung Al-Ahram schreibt:

Obamas Fehler nehmen den Arabern die Hoffnung auf Frieden. Ein Großteil der Schuld seines Versagens trägt Obama selbst. Er handelte unerfahren, als er Hillary Clinton zur Außenministerin ernannte. Zum einen ist sie diplomatisch unerfahren, zum anderen ist sie für ihre Unterstützung für Israel im Kongress bekannt. Dann legte er sich zwar mit der israelischen Rechten an, als er einen Siedlungsbaustopp forderte. Doch es war Hillary Clinton, die ihn davon abbringen konnte. So hat Obama weder den Palästinensern eine Perspektive bieten noch Freundschaft mit den Israelis schließen können.

Die palästinensische Zeitung Al-Quds kommentiert:

Ein Versagen einzugestehen ist eine Tugend, aber auch ein Skandal. Es ist eine Tugend, weil Obama zugab, die schwierige Lage im Nahen Osten unterschätzt zu haben. Aber es ist ein Skandal, weil er verkündete, bei dem Versuch versagt zu haben, Palästinenser und Israelis miteinander ins Gespräch zu bringen. Es war ein Irrtum, Palästinenser und Israelis in die selbe Verantwortung zu nehmen, weil Obama - genau wie die ganze Welt - weiß, dass Israel dem Friedenprozess Steine in den Weg legt. Obamas tatsächliches Versagen liegt darin, dem israelischen Druck in den USA nicht widerstanden und seine Forderungen in Nahost zurückgenommen zu haben.

In der liberalen israelischen Zeitung Haaretz steht:

Mit der Zwei-Staaten-Lösung jagt Obama einer Illusion hinterher. Es mangelt an Symmetrie zwischen Israel und den Palästinensern. Israel hat eine demokratisch gewählte Regierung, die in der Lage ist, ein internationales Abkommen zu verhandeln. Die Palästinenser hingegen sind aufgeteilt zwischen dem Gazastreifen, der von der Hamas regiert wird, die keinen Willen für Frieden mit Israel zeigt, und dem Westjordanland, das von Mahmud Abbas regiert wird, der jedoch nicht mächtig genug ist, irgendein Abkommen durchzusetzen.“

Die israelische Yediot Achronot schreibt:

Obama hat sich verrannt, doch Israel sollte die USA nicht unterschätzen. Man sollte Obama zugestehen, dass solch eine Erklärung auf der anderen Seite des Atlantiks kein übliches Phänomen ist. Es ist aber ein Irrtum zu glauben, dass sich die USA nach diesem Eingeständniss zurücklehnen und nichts weiter unternehmen, um die derzeitige Pattsituation zu ändern“

Zusammengestellt von Maissun Melhem
Redaktion: Thomas Latschan