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Tägliche Gewalt im Irak - nur noch Kurzmeldungen wert?

Peter Philipp6. September 2006

Im Irak werden täglich Menschen getötet. Viele Medien stehen vor dem Dilemma, wie sie anhaltend über einen Konflikt in einem Land berichten sollen, in dem sich immer wieder dieselben schweren Tragödien abspielen.

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Wieder stehen Iraker vor den Trümmern eines Anschlags, bei dem Menschen umkamenBild: AP

Es ist alles eine Frage der Perspektive: Am Montag (4.9.) berichtete die britische "BBC", in Kabul sei ein britischer Soldat erschossen worden. Derselbe Zwischenfall wurde vom iranischen Fernsehen anders gemeldet: "Britische Soldaten erschießen vier Afghanen", hieß es dort. Faktisch traf beides zu. Gemeldet wurde aber nur, was man selbst für wichtig hielt. Und was für Afghanistan gilt, das trifft auch andere Medien und für die meisten anderen Spannungs- und Krisengebiete der Welt zu.

"So etwas passiert nun einmal"

Auch für die deutschen Medien und den Irak: Anschläge mit Dutzenden von Toten sind nur noch eine Kurzmeldung wert, Hintergründe werden nicht mehr beleuchtet. Der Eindruck wird erweckt, dies sei nun einmal der Alltag im Irak. Und Alltagsberichterstattung ist nun einmal nicht wichtig. So, wie der damalige israelische Ministerpräsident Menachem Begin einst die Meldung vom Massaker an Palästinensern in den Lagern von Sabra und Shatila mit der Bemerkung zur Kenntnis nahm: "So etwas passiert doch nun einmal im Libanon..."

"So etwas passiert nun einmal im Irak" scheinen die Medien längst resignierend festgestellt und sich anderen Themen zugewandt zu haben. Was natürlich eine Ursache auch darin hat, dass kaum noch ein deutsches Medium von vor Ort selbst berichtet und man deswegen auf die gedrängte Darstellung der Agenturen angewiesen ist.

Unterschiedliche Herangehensweise internationaler Medien

Deutsche Berichterstattung vor Ort findet aus gutem Grund nicht - oder nur noch kaum - statt: Sie ist riskant und lebensgefährlich. Welcher Redakteur wollte es verantworten, einen Korrespondenten in den Irak zu entsenden und sein Leben zu gefährden? Um dann vielleicht doch nur Berichte aus einem Bagdader Hotel zu bekommen, die sich kaum von dem unterscheiden würden, was die Agenturen mit Hilfe ihrer im Irak lebenden einheimischen Mitarbeiter zusammengetragen haben.

Ganz anders die amerikanischen und britischen Medien: Sie sind in Bagdad vertreten, sie berichten auch aus anderen Teilen des Landes. Aber sie haben auch einen anderen Auftrag und eine andere Erwartungshaltung in ihren Heimatländern. Die Leser, Hörer und Zuschauer zu Hause erwarten Berichte von vor Ort, denn sie wollen erfahren, was "unsere Jungs" da tun, sie wollen teilhaben am Einsatz der eigenen Soldaten. Selbst wenn man - wie in Abu Ghoreib - keinen Grund hat, stolz darauf zu sein.

Ein Vorfall ohne Medien ist kein Vorfall

Ein weiterer Grund ist aber auch die mediale Kurzlebigkeit selbst bei schlimmsten Themen heutzutage: Eine Hungersnot in Ostafrika mag seit Jahren andauern, sie kommt aber bestenfalls einmal im Jahr in die Schlagzeilen. Und die Kämpfe im Gazastreifen wurden kürzlich auf den Geberkonferenzen in Stockholm völlig vom Schicksal des Libanon an den Rand gedrückt. Man könnte viele solcher Beispiele nennen. Ein Vorfall ohne Medien ist kein Vorfall - oder wird erst viel später dazu. Das syrische Massaker in Hama 1982 oder das irakische in Halabja 1988 sind Beispiele hierfür.

Oft machen die Medien auch einen Vorfall zum Thema - und dann lassen sie es selbst wieder "sterben". Keine bewusste und gezielte Manipulation, sondern eher Ausdruck der Schnelllebigkeit gerade der modernen elektronischen Medien, die binnen Sekunden immer und über Vorgänge von überall berichten können.