1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wirtschaftsdiplomatie in schwierigen Zeiten

Deger Akal
25. Oktober 2018

Normalisierung der deutsch-türkischen Beziehungen, Abteilung Wirtschaft: Bundeswirtschaftsminister Altmaier reist mit großer Delegation in die Türkei. Beide Seiten haben große Erwartungen.

https://p.dw.com/p/377Xj
Peter Altmaier
Bild: Getty Images/M. Tantussi

Reiseziel Entspannung: Für Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ist der Abbau der deutsch-türkischen Spannungen aus den vergangenen Jahren ein wichtiges Ziel seiner Türkeireise. Am 25. und 26. Oktober ist Altmaier mit großer Delegation in der Türkei, trifft sich unter anderem mit dem türkischem Wirtschaftsminister Berat Albayrak, einem Schwiegersohn des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Das Haupthindernis für die Verbesserung wirtschaftlicher Beziehungen sind die unterschiedliche Auffassungen von Menschenrechten, die die beiden Regierungen pflegen - keine leichte Reise für Altmaier..

Doch der Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in der Türkei könnte Einfluss auf Altmaiers Besuch haben. Mit den harten Worten, die Präsident Erdogan vor Altmaiers Besuch in Richtung Saudi-Arabien äußerte, befand sich Erdogan auf einer Linie mit dem Westen - als selbsterklärter Kämpfer für Menschenrechte und Pressefreiheit.

Bei dem Besuch, der von dem Mord an Khashoggi überschattet wird, sind die Erwartungen beider Seiten sehr hoch. Die türkische Regierung erwartet vor allem verstärkte Investitionen der deutschen Industrie in der Türkei. Mit diesem Rezept will die türkische Regierung gegen den großen Wertverlust der Türkischen Lira und die hohe Inflation kämpfen. Die Türkei möchte die Zahl der ausländischen Investoren erhöhen, statt von einer internationalen Organisation wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) Kredithilfe zu erhalten. Deutschland, das enge wirtschaftliche Verbindungen zur Türkei hat, kommt bei diesem Plan eine besondere Rolle zu.

Türkische Lira (Foto: Getty Images)
Seit Anfang des Jahres hat die Türkische Lira massiv an Wert verlorenBild: Getty Images/AFP/Y. Akgul

Die Türkei strebt zudem an, bei der Modernisierung des türkischen Schienennetzes, bei technologischen Investitionen und Energieprojekten stärker mit Deutschland zusammenzuarbeiten. Zudem soll während des Besuchs ein Dokument unterzeichnet werden, das die Absicht der beiden Regierungen festhält, im Bereich der Energie enger zu kooperieren.

Deutschland fordert Schutz der Rechte

Damit die Erwartungen der Türkei erfüllt werden, muss Ankara auf die Forderungen der deutschen Investoren eingehen - dabei geht es vor allem um Sicherheiten. Die Entwicklungen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit haben das Vertrauen deutscher Investoren erschüttert, ebenso die wirtschaftliche Unsicherheit, bedingt durch die Kursentwicklung der Lira. Zudem stört sich die deutsche Wirtschaftswelt an protektionistischen Maßnahmen, die die Türkei in letzter Zeit eingeführt hat. Der Export von Deutschland in die Türkei war daraufhin um 27 Prozent zurückgegangen.

Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) (picture-alliance)
Dieter Kempf, BDI-Präsident Bild: picture-alliance/NurPhoto/A. Pohl

Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), kritisierte, protektionistische Maßnahmen wie Zusatzzölle schränkten die wirtschaftliche Tätigkeit deutscher Firmen in der Türkei ein. Die deutsche Industrie wolle, dass diese Hindernisse aus dem Weg geräumt würden, so Kempf. Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) erklärt: "In jüngster Zeit häufen sich leider Fälle, in denen deutschen Unternehmen bei der Einfuhr ihrer Güter in die Türkei die vereinbarte Zollfreiheit verwehrt wird."

Sackgasse für die Zollunion

Bahadir Kaleagasi, Generalsekretär der türkischen Industriellenverbands TÜSIAD (Foto: A. E. Duran)
Bahadir Kaleagasi, TÜSIAD-GeneralsekretärBild: Aram Ekin Duran

Allerdings haben die türkischen und deutschen Seiten unterschiedliche Vorstellungen davon, wie die Probleme gelöst werden können. Bahadir Kaleagasi, Generalsekretär des türkischen Industriellenverbands TÜSIAD, schlägt zur Lösung des Problems eine Reform der Zollunion vor. Kaleagasi ist der Überzeugung, dass mit dem Beginn von Verhandlungen zur Modernisierung der Zollunion zwischen EU und Türkei die Probleme des Protektionismus lösbar würden; außerdem könne die Türkei so auch erneut in den Orbit der EU gelangen. Zudem glaubt er, dass das auch Auswirkungen auf die Situation der Menschenrechte haben wird. "Andernfalls könnte die Bindung der Türkei zu den Werten Europas und ihr Beitrag zur globalen Konkurrenzfähigkeit der EU gekappt werden. Das wäre ein großer Fehler. Die Geschichte verzeiht nie.”

Die deutsche Regierung hingegen führt an, dass diese Verhandlungen nicht beginnen könnten, solange die Türkei keine konkreten Fortschritte hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte macht. Sie fordert, dass die türkische Regierung zuerst alle Anforderungen der Zollunion von 1996 erfüllt.

Opposition fordert Fokus auf Menschenrechte

Das größte Hindernis für die Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen sind die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und ihr Abrücken von der EU. Die deutschen Oppositionsparteien fordern, dass Altmaier während seines Türkeibesuchs auch die Themen Demokratie und Menschenrechte angesprechen solle. Klaus Ernst, Politiker der Partei "Die Linke" und Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Energie im Bundestag, forderte, dass Altmaier unmissverständliche Worte an die türkische Regierung richtet. "Ohne die Rückkehr zu demokratischen Grundprinzipien wie Pressefreiheit, Gewaltenteilung und die Achtung der Oppositionsrechte kann es keine normalen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen geben", sagte Ernst.

Altmaier traf sich vor seinem Türkeibesuch mit Vertretern von Amnesty International und Reporter ohne Grenzen in Berlin. Nach Informationen aus der Regierung will Altmaier bei seinem Treffen mit Kollegen in der Türkei auch die Themen Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz ansprechen.