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Politik

U-Haft für Osman Kavala verlängert

22. Mai 2021

Ohne rechtskräftige Verurteilung wird der Menschenrechtsaktivist und Kulturförderer weiter in Haft gehalten. Derweil wächst der Druck auf Medienvertreter.

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Türkei Menschenrechte | Gerichsthof in Istanbul
Im Gerichtshof in Istanbul wurde über den Fall verhandelt (Archivbild)Bild: Emrah Gurel/AP Photo/picture alliance

Ein türkisches Gericht hat die Untersuchungshaft für Osman Kavala erneut verlängert. Der 63-Jährige, der im Silivri-Hochsicherheitsgefängnis bei Istanbul einsitzt und per Video zugeschaltet war, zog eine Parallele zwischen dem Vorgehen der türkischen Justiz in seinem Fall und den nationalsozialistischen Schauprozessen. "Die Vorwürfe gegen mich ändern sich ständig", beklagte er.

Kavala war ursprünglich wegen des Vorwurfs festgenommen worden, die regierungskritischen Gezi-Proteste in Istanbul im Jahr 2013 finanziert und organisiert zu haben. Im Februar des vergangenen Jahres sprach ein Gericht ihn von diesem Vorwurf frei. Kavala wurde daraufhin nach zweieinhalb Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen, jedoch wenige Stunden später erneut festgenommen - diesmal im Zusammenhang mit dem Putschversuch gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan 2016 und Spionagevorwürfen.

Drohkulisse: Lebenslange Haft

Im Januar dieses Jahres hob ein Berufungsgericht den ersten Freispruch auf. Bei einer Verurteilung wegen der Spionagevorwürfe droht Kavala lebenslange Haft. Die nächste Anhörung in dem Verfahren soll Anfang August stattfinden. Kavalas Anwalt Deniz Tolga Aytöre ist der Auffassung, bei dem Prozess gehe es allein darum, "die Haftentlassung Osman Kavalas zu verzögern".

Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten mehrere Dutzend Anhänger Kavalas gegen das Vorgehen der Justiz. Deutschland und Frankreich forderten seine sofortige Freilassung. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte dies bereits 2019 verlangt.

Türkei Osman Kavala ARCHIV
Osman Kavalas Unterstützer halten immer wieder Mahnwachen ab - wie hier im Oktober vor der türkischen Botschaft in BerlinBild: Christophe Gateau/dpa/picture alliance

Der in Paris geborene Kavala betreibt einen der größten Verlage der Türkei und setzt sich mit seiner Organisation Anadolu Kültür für den Dialog der Volksgruppen etwa im Kurden-Konflikt oder mit den Armeniern ein. Er gehörte zudem zu den Gründern des türkischen Zweigs der Open Society Foundation des US-Philanthropen George Soros. Die Stiftung fördert demokratische Bewegungen in zahlreichen osteuropäischen Ländern. Soros, der ungarisch-jüdischer Abstammung ist, ist das Feindbild vieler Populisten.

Falsche Frage führt zu Entlassung

Unterdessen wächst auch der Druck auf Medienvertreter in der Türkei. Nach unangenehmen Fragen zu Korruptionsvorwürfen gegen einen Minister hat die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu einen Journalisten gefeuert. Musab Turan hatte am Freitag zwei Minister um eine Stellungnahme zu Korruptionsvorwürfen gegen Innenminister Süleyman Soylu gebeten.

Auf einer Pressekonferenz fragte der Reporter, wie die Regierung auf den Skandal zu reagieren gedenke, und fügte hinzu, Soylus Name werde durch Videoaufnahmen inzwischen "mit schweren moralischen Fehlern" verbunden. Der im Ausland lebende türkische Unterweltboss Sedat Peker hatte in mehreren Videos behauptet, Soylu habe ihn vor seiner drohenden Festnahme gewarnt und ihm damit zur Flucht verholfen. Weitere Vorwürfe richten sich gegen die Regierungspartei AKP. Die Aufnahmen sorgen seit drei Wochen für Aufsehen.

Türkei Innenminister Süleyman Soylu
Sein Name wird in Videos aus der Unterwelt genannt: Innenminister Süleyman Soylu (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/A. Bolat

Turans Arbeitgeber Anadolu veröffentlichte wenig später eine Erklärung, wonach Turan wegen Verstoßes gegen "journalistische Prinzipien" und Verbreitung "politischer Propaganda" entlassen wurde. Die Staatsanwaltschaft sei eingeschaltet worden, um zu prüfen, ob der Journalist "einer terroristischen Gruppe angehört". Der Kommunikationschef des türkischen Präsidialamtes, Fahrettin Altun, kommentierte auf Twitter, wer "das Ansehen unseres Staates verletzt, wird den Preis dafür bezahlen".

jj/sti (afp, ap)