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Bono: Umstrittener Heilsbringer

Felix Schlagwein
8. Juli 2017

Seit mehr als 30 Jahren setzt sich der U2-Sänger für eine gerechtere Welt ein. Doch seine Nähe zu Politikern und sein extravaganter Lebenswandel brachten ihm auch Kritik ein. Jetzt gastiert er mit U2 in Berlin.

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Bono
Bild: picture-alliance/Geisler-Fotopress/G. Tellier

Bei den Feierlichkeiten zum 150. Geburtstag Kanadas, das wie kaum ein anderes Land für Offenheit und Toleranz steht, durfte er natürlich nicht fehlen: Bono. Zusammen mit U2-Gitarrist The Edge kam er in die kanadische Hauptstadt Ottawa, um mit seinem Welthit "One" Ideale wie Einheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu besingen. Genau für dieses Image möchte der irische Sänger stehen. Seit Jahrzehnten setzt er sich für mehr Verständigung und Gerechtigkeit auf der Welt ein.

In Ottawa würdigte er deshalb die Kanadier und ihren Premierminister Justin Trudeau für deren Weltoffenheit - und stichelte gleichzeitig gegen US-Präsident Donald Trump: "Wo andere Mauern bauen, öffnet ihr Türen. Wo andere Zwietracht sähen, öffnet ihr eure Arme. Wo ihr führt, da werden andere folgen." Poetische, geradezu pathetische Worte, die dennoch den Nerv der Zeit treffen.Dafür hat Bono hat ein Talent. Seine Überzeugungskraft hat in den vergangenen Jahrzehnten schon so manchen Staatschef und Wirtschaftsboss weich werden lassen. Doch genau diese Nähe zu den internationalen Eliten, gepaart mit einem extravaganter Lebensstil, haben ihm in der Vergangenheit immer wieder Kritik eingebracht. Der Sänger hält trotz alldem an seiner Arbeit fest. Ohnehin ist das Gesicht des Iren schon lange untrennbar mit humanitärem Engagement verbunden.

Gitarrist The Edge und Bono spielen ihren Hit "One" in Ottawa (Foto: Justin Tang/The Canadian Press)
Bono und The Edge beim 150. Nationalfeiertag in KanadaBild: picture-alliance/AP Images/J. Tang

Durchbruch als singender Heilsbringer

Sein kometenhafter Aufstieg zum Rockstar mit ausgeprägter sozialer Ader begann 1976, als Bono in der Schule einen Aushang seines Mitschülers Larry Mullen Jr. entdeckte, der Musiker für eine Rockband suchte. Es war die Geburtsstunde einer der erfolgreichsten Bands der Musikgeschichte. Anfang der 1980er Jahre eroberten U2 die Charts mit Alben wie "Boy", "October", "War" und "The Unforgettable Fire".

Durch das legendäre von Bob Geldof initiierte "Live Aid"-Konzert 1985 im Londoner Wembley-Stadion wurde die junge irische Band schließlich weltbekannt. Der Auftritt, gefolgt von ihrem äußerst erfolgreichen Album "The Joshua Tree" ein Jahr später, bedeutete nicht nur den internationalen Durchbruch für U2, sondern auch Bonos Durchbruch als Galionsfigur des humanitären Engagements.

George Michael, H. Goldsmith, Bono, Paul McCartney und Freddie Mercury singen beim "Live Aid"-Konzert in London 1985 (Foto: picture-alliance/dpa/Press Association code 6100)
Legendärer Auftritt 1985: Bono (3.v.l.) mit Weltstars wie Paul McCartney und George Michael beim "Live Aid"-KonzertBild: picture-alliance/dpa/Press Association code 6100

Neben seiner Unterstützung von Organisationen wie Amnesty International und Greenpeace trat der U2-Frontmann nun vermehrt auf internationalen Konferenzen auf, traf Regierungschefs aus der ganzen Welt und sogar Papst Johannes Paul II. Bonos Fokus richtete sich von Beginn an auf den afrikanischen Kontinent. Gemeinsam mit seiner Frau hatte er sogar nach einem Benefizkonzert in Äthiopien 1984 noch einige Wochen in einem Waisenhaus gearbeitet.

Stetiger Einsatz für die ärmsten Länder

Seitdem hat er den Kontinent immer wieder besucht und internationale Hilfen in Milliardenhöhe für den Kampf gegen Armut, Hunger und Aids organisiert. Aber auch für Betroffene humanitärer Krisen außerhalb Afrikas wie beispielsweise die Opfer des Bosnienkriegs, setzte er sich ein. Ein Konzert seiner Band U2 in London ließ er als Liveübertragung per Satellit in die von serbischen Truppen eingekesselte Hauptstadt Sarajevo übertragen.

Spätestens seit Ende der 1990er Jahre ist Bono vom internationalen politischen Parkett nicht mehr wegzudenken. Egal ob bei Gipfeltreffen der G8, im Weißen Haus, beim Weltwirtschaftsforum oder beim Papst, Bono hatte vor allem ein Anliegen: sich mit den Großen und Mächtigen der Welt zu verbünden, um globale Missstände zu beseitigen. Mit dieser Strategie ist er unbestritten sehr erfolgreich. Seit der Jahrtausendwende setzt er sich konsequent für einen Schuldenschnitt für die ärmsten Länder der Erde sowie für eine Aufstockung der Entwicklungshilfe für Afrika ein. Zusammen mit Microsoft-Gründer Bill Gates und Investor Georges Soros baute er außerdem das Afrika-Hilfswerk "DATA" auf, das sich für die Entschuldung afrikanischer Staaten, die Bekämpfung von Aids sowie gerechtere Handelsbedingungen für Entwicklungsländer einsetzt.

Bono mit getönter Sonnenbrille sitzt neben Bill Gates (Foto: Getty Images/Afp/Jeff Christensen)
Sozial engagierte Superreiche: Bono (l.) und Bill Gates Bild: Getty Images/Afp/Jeff Christensen

Größtes Weltkonzert

Auch die Neuaflage des "Live Aid"-Konzerts, das Bono 2005 unter dem Motto "Make Poverty History" mit seinem Landsmann Bob Geldof organisierte, war ein wirkungsvoller Appell an die internationale Politik. Das bis dato größte Musikereignis weltweit fand bewusst zeitgleich und am selben Ort wie der G8-Gipfel in Edinburgh statt. "Live 8", so der neue Name, sollte die dort tagenden Staats- und Regierungschefs eindrücklich an ihre Versprechungen bezüglich des Schuldenerlasses und der Entwicklungshilfe für Afrika erinnern. Und tatsächlich: Die großen Wirtschaftsmächte beschlossen in Edinburgh einen Schuldenerlass für die 14 ärmsten Länder der Welt sowie eine Verdopplung der Entwicklungshilfe für Afrika auf 50 Milliarden US-Dollar. 

Für sein langjähriges Engagement wurde Bono vielfach ausgezeichnet. Neben der Freiheitsmedaille des US-Präsidenten erhielt er den Orden der französischen Ehrenlegion, wurde von Amnesty International zum "Botschafter des Gewissens" ernannt und war zweimal für den Friedensnobelpreis nominiert. 2007 schlug Queen Elisabeth II. ihn zum "Ehrenritter des Höchsten Ordens des britischen Imperiums".        

Ein superreicher Samariter?

Bono, der eigentlich Paul David Hewson heißt, ist nicht nur hochdekorierter Philantroph, sondern nebenbei einer der erfolgreichsten Musiker aller Zeiten und knallharter Geschäftsmann. Sein Privatvermögen wird auf rund eine Milliarde Dollar geschätzt. Diese immense Summe ist nur teilweise auf den kommerziellen Erfolg von U2 zurückzuführen. Finanzexperten sehen seine Haupteinnahmequelle in dem von ihm mitgegründeten Investmentfond, der unter anderem 2,3 Prozent der Facebook-Anteile hält. Kritiker werfen ihm vor, sein humanitäres Engagement diene vor allem seinen Privatgeschäften und der Finanzierung seines extravaganten Lebensstils.

Tony Blair und Bono geben sich auf dem Weltwirtschaftsforum die Hand
Handschlag mit der Politik: Bono und der ehemalige britische Premierminister Tony Blair beim Weltwirtschaftsforum 2005Bild: picture-alliance/AP Photo/V. Mayo

Der U2-Sänger ignoriert diese Vorwürfe seit Jahren. Er sei es leid, sich immer wieder rechtfertigen zu müssen. Er sei eben Geschäftsmann, "aber nicht jeder Geschäftsmann versucht, die globale Armut zu bekämpfen und die Reichen und Mächtigen zu mehr Spenden und zu mehr Großzügigkeit zu motivieren", so Bono. Verwerflich ist es sicher nicht, reich zu sein und sich gleichzeitig für die Ärmsten der Armen einzusetzen. Auch dass er seine Bekanntheit und seinen guten Draht zu den Politikern und Wirtschaftsbossen zu diesem Zweck einsetzt, sei nachvollziehbar.

"Ich habe immer gesagt, dass ich mich mit Luzifer zum Lunch treffe, wenn es unserer Sache dient", kommentierte Bono 2007 in einem Interview mit der Wochenzeitung DIE ZEIT. Man kauft ihm seinen Pragmatismus ab. Doch dann gibt es eben auch Geschichten wie jene, die viele Menschen an seiner Glaubwürdigkeit zweifeln lassen: 2003 ließ Bono seinen Lieblingshut von London nach Italien nachfliegen - mit eigens reserviertem Platz in der ersten Klasse.

Bono und U2-Schlagzeuger beim Tour-Start der "The Joshua Tree"-Tour 2017 in Vancouver
Auftaktkonzert der aktuellen U2-Welttournee in VancouverBild: Reuters/N. Didlick

"Politisch effizienteste Persönlichkeit"

Und trotzdem: Der U2-Frontmann ist einer der hartnäckigsten öffentlichen Fürsprecher für Werte wie Toleranz, Gerechtigkeit und Freiheit. Die New York Times betitelte ihn deshalb einmal als "politisch effizienteste Persönlichkeit in der jüngeren Geschichte der Populärkultur" - und das zu Recht. Neben seinem sozialen Engagement widmet er sich aktuell auch wieder seinem Beruf als Musiker.

Seit Mai 2017 füllt Bono mit U2 im Rahmen der "The Joshua Tree"-Tour wieder die großen Stadien der Welt. Nach zahlreichen Konzerten in Nordamerika kommen die Iren nun nach Europa. Das einzige Deutschlandkonzert der Welttournee findet am 12. Juli im bereits ausverkauften Berliner Olympiastadion statt.