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Ubuntu - Gut, dass du da bist

Hans-Peter Hecking3. November 2012

Einfach geliebt werden um seiner selbst willen: Ubuntu heißt diese Haltung in Afrika. Christen verweist sie auf das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe, so Hans-Peter Hecking im Wort zum Sonntag der katholischen Kirche.

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Bild: alphaspirit / Fotolia

Christa Jones war 24 als sie nach Afrika ging. „Ich hatte alles gelernt, von dem ich dachte, dass es mir helfen würde, in der fremden Welt zu bestehen: die Sprache, die Kultur.“ Doch bei all der guten Vorbereitung, ihrem Tatendrang und der damals vielleicht etwas naiven Begeisterung für den Kontinent – mit einem hatte die kanadische Ordens­frau nicht gerechnet: Mit der tiefen Liebe, die sie zu den Menschen dort entwickelte. „Und zwar einfach, weil sie mich liebten“, sagt sie. Fast 35 Jahre hat sie als Schwester für Kinder- und Frauenheilkunde in Südafrika gearbeitet. Dabei merkte sie, wie sie selbst von den Menschen, mit denen sie täglich zu tun hatte, „missioniert wurde“, wie sie es nennt. Stark sein im Glauben, Zuversicht, Mitgefühl, Gemeinschaftssinn, überwältigende Großzügigkeit, das wenige was man hat, miteinander zu teilen: „Das alles wurde mir zuteil“, erklärt die Schwester voller Glück, „nicht weil ich selbst in Not gewesen wäre, sondern weil ich „ich“ war und einfach eine von ihnen. Ich war umhüllt vom Mantel des ‚Ubuntu‘.“

Bewusstsein der Zugehörigkeit

„Ubuntu“ ist nach altem afrikanischem Verständnis ein Verhalten, das dem anderen deutlich macht „Gut, dass du da bist. Mein Leben ist ohne dich und die anderen gar nicht vorstellbar!“ „Ubuntu“ bedeutet Verbundenheit untereinander. Der andere ist keine Bedrohung, sondern Bereicherung. Man selbst schneidet sich sozusagen ins eigene Fleisch, wenn man zulässt, dass andere gedemütigt und klein gemacht werden. „Ubuntu“ heißt für andere zu sorgen. Menschen, die diese Haltung einnehmen, fühlen sich ge­tragen von dem Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einem größeren Ganzen. „Ubuntu“ ist ein Verständnis von Leben, das gar nicht anders verstanden werden kann als in Gemeinschaft. Es schließt in seiner religiösen Dimension selbstverständlich auch die Ahnen mit ein - als den Vermittlern des von Gott geschenkten Lebens. Ein Aphorismus der Zulu in Südafrika bringt auf den Punkt, was „Ubuntu“ im Grunde meint: „Umuntu ngu­muntu ngabantu - ich bin, wer ich bin – wegen dem, was wir alle gemeinsam sind.“ Das ist das Muster aus dem „der Mantel des Ubuntu“ gewebt ist.

Durch meine Arbeit bei Missio in Aachen habe ich Afrika in den letzten dreißig Jahren ein wenig kennengelernt. Deshalb weiß ich: jenseits aller negativen Schlagzeilen und schrecklichen Konflikte wird „Ubuntu“ dort von vielen Menschen gelebt und erfahren. Als Ideal traditioneller afrikanischer Ethik ist „Ubuntu“ gleichwohl oft sehr eng verknüpft mit der Zugehörigkeit zur eigenen Gruppe, zum eigenen Volk. Für diejenigen hingegen, die sich auf Jesus berufen, gilt: Alle Menschen sind deine Schwestern und Brüder! Nicht nur dein Volk, deine Familie, deine Gruppe.

Die Farbe des Glücks

Dessen ungeachtet bin ich davon überzeugt, dass Menschen in Afrika trotz aller äußeren Not gerade deshalb oft so viel Glück und Freude ausstrahlen, weil sie sich von diesem „Ubuntu-Mantel“ guter Beziehungen umgeben wissen. Natürlich ist das nicht auf Afrika beschränkt. Überall, wo Menschen geschwisterlich und liebevoll aufeinander zugehen, erfahren sie das als sehr großes Glück, das heißt als mit Sinn erfüllte Zeit und Arbeit. Die Schriftstellerin Isabel Allende hat Recht, wenn sie sagt:

„Die glücklichsten Leute sind nicht die, die keine Probleme haben. Die glücklichsten sind die, die andere lieben und ihnen dienen, die kreativ und erfindungsreich sind. Menschen, die Natur wertschätzen, die teilen, was sie haben, zu ihren Werten stehen und nach der Wahrheit suchen.“

Ja, wer die Wahrheit sucht und Gott Raum gibt in seinem Leben, wer gut zu sich selbst ist und auch Verantwortung übernimmt für diese Welt und kommende Generationen, der erfährt Sinn und Glück im Leben. Kann es eine größere Erfüllung geben, als sich für eine Gemeinschaft von Menschen einzusetzen, in der man einander vertraut und in der alle füreinander einstehen? Wer dies tut, der erfährt und macht vielleicht auch für andere etwas erfahrbar, was Jesus „Reich Gottes“ nennt. „Reich Gottes“ ist uns dann nicht fern, wie es im Sonntagsevangelium morgen heißt, wenn wir die Maxime Jesu zur Richtschnur unseres Lebens machen: „Liebe den Herrn, deinen Gott, mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft und deinen Nächsten wie dich selbst“ (Mk 12).

Hans-Peter Hecking, Aachen
Hans-Peter Hecking, AachenBild: Silvia Becker

Zum Autor
Hans-Peter Hecking, katholischer Diplom Theologe, arbeitet als Länderreferent für missio Aachen. Im Bistum Trier wurde er zum Pastoralreferenten ausgebildet. Zahlreiche Recherche- und Projektreisen führen ihn in asiatische und afrikanische Länder, wo er Projekte begutachtet. Daneben ist er als freier Autor zu aktuellen Länderthemen tätig. Hans-Peter Hecking ist verheiratet und Vater von drei Kindern. In seiner Freizeit engagiert er sich im Aachener Kammerchor „Carmina Mundi“.