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Politik

Uiguren zu sozialistischen Chinesen

Mu Cui
12. Oktober 2018

Nachdem China die Existenz eines umfassenden Lagerwesens in Xinjiang nicht mehr leugnen kann, wurde jetzt von der Autonomen Region ein Gesetz zur "De-Radikalisierung" Xinjiangs erlassen. 

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China Bazaar von Uighurs in Xinjiang
Ein Bazar in XinjiangBild: picture-alliance/CPA Media Co. Ltd

Die muslimische Minderheit der Uiguren in der chinesischen autonomen Region Xinjiang ("neues Territorium"), sollen zu besseren Chinesen erzogen werden. Das Parlament der Autonomen Region setzte am Dienstag ein Gesetz in Kraft, das jede Kreisregierung ermächtigt, sogenannte Berufsbildungszentren einzurichten, um "Extremisten umzuerziehen".

In Xinjiang leben nach dem Zensus von 2010 rund 21 Millionen Menschen, davon gehören 45 Prozent der muslimischen Minderheit der turksprachigen Uiguren an. 1955 betrug der Anteil noch 73 Prozent. Die größte Flächenprovinz bzw. -region Chinas liegt an der Grenze zu Pakistan und Afghanistan mit ihren extremistischen Strömungen und Gruppen. Peking sieht potentiell alle Uiguren als anfällig für extremistisches und separatistisches Gedankengut. Die Organisation der Exil-Uiguren, der "Weltkongress der Uiguren", der seinen Hauptsitz in München hat, fordert seit eh und je die Unabhängigkeit von China und bezeichnet sich als "Ost-Turkestan". Der Weltkongress gilt in China als Terrororganisation. 

Türkei Uiguren Protest
(Archiv) Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung verbrannte chinesische Flagge im Juli 2018 in der TürkeiBild: Getty Images/AFP/O. Kose

Ausmerzen des "Extremismus" in allen Formen

Nach dem neuen Gesetz sollen in den sogenannten Berufsbildungszentren „bereits radikalisierte Bürger" umerzogen werden. Sie sollen dort auch Chinesisch lernen. Zu den weiteren Aufgaben gehören der "Bildungsstätten" gehören Sicherheitsmanagement, Beschäftigungsförderung, Resozialisierung, Verhaltenskorrekturen und psychologische Behandlungen. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu einer Million Uiguren in den Lagern, die nun amtlich den Namen "Berufsbildungszentren" tragen, inhaftiert sind.

Das Gesetz enthält eine weitreichende Auslegung des Extremismus. Dazu gehören "Meinungsäußerungen oder Verhaltensweisen, die extremistische religiöse Ideologien propagieren und verbreiten". Und weiter "Einschränkung der Glaubensfreiheit anderer Bürger, Nötigung zur Teilnahme an religiösen Veranstaltungen und/oder Aufruf zu Spenden und Diensten in religiösen Stätten und an Geistliche", wobei mit der Glaubensfreiheit die Freiheit zum Nichtglauben gemeint ist.

Ebenfalls unter Extremismusverdacht fallen diejenigen, die Vollschleier tragen oder andere Menschen dazu anstiften, wer mit "nicht normal aussehendem Bart" und auffälligen Namensgebungen den religiösen Fanatismus verherrlicht, ebenso wie Eltern, die sich weigern, ihre Kinder auf die öffentliche Schule zu schicken. Es werden aber auch summarisch "andere extremistische Äußerungen und Aktivitäten" mit Sanktionen belegt. 

Dabei ist hervorzuheben, dass das spezielle Gesetz für Xinjiang nicht die ausdrückliche Anordnung oder Genehmigung enthält, Leute bei Extremismusverdacht in diese sogenannten Berufsbildungszentren einzuweisen. Diese Maßnahme scheint sich weiterhin in einer rechtlichen Grauzone zu befinden. Strafrechtlich werden alle einschlägigen Verstöße weiterhin gemäß den Bestimmungen des nationalen "Gesetzes gegen Terrorismus" geahndet. Demnach dürfen Polizeibehörden bei leichten Verstößen zehn bis 15 Tage Verwahrungshaft anordnen. 

China Ethnie der Uiguren
(Archiv) Starke Militärpräsenz in XinjiangBild: picture-alliance/Kyodo

Religionspolitik und Zensur 

Nach Pekinger Lesart muss die De-Radikalisierung den Richtlinien zur Religionsfrage der Kommunistischen Partei Chinas entsprechen. Demnach müssen alle Religionen in ihrem Selbstverständnis "chinesisch" und "rechtstaatlich" ausgestaltet sein. Ihre Anpassung an den Sozialismus sollte "proaktiv gelenkt werden". Diejenigen, die extremistisches Verhalten boykottieren und extremistische Meinungsäußerung melden, sollen belohnt werden.

Der Verwaltung schreibt das Gesetz von Xinjiang neben der Einrichtung von Bildungszentren viele andere Aufgaben vor. Die Polizei soll die Grenzkontrolle effektiver kontrollieren, um "die Infiltration extremistischer Kräfte aus dem Ausland" zu unterbinden. 

Die Justiz soll dafür sorgen, dass extremistisches Gedankengut im Justizvollzug nicht verbreitet wird, dass also zwischen den Häftlingen keine Radikalisierung stattfindet. Die Schulen sollen Lehrbücher sorgfältig überprüfen. Busfahrer sollen diejenigen, die eine Burka oder andere „extremistische Symbole“ tragen, den Zutritt verweigern und die Fälle umgehend bei der Polizei melden.

Zensurmaßnahmen werden ebenfalls behandelt. Textnachrichten in sozialen Netzwerken und Chatprogrammen sollen auf illegale Inhalte geprüft werden, Audionachrichten und Telefongespräche werden vom Telekommunikationsanbieter überwacht. "Die Übertragung muss sofort beendet werden", "Die Webseite muss sofort geschlossen, der Dienst eingestellt werden", heißt es im Gesetz. Weitere strafrechtliche Maßnahmen würden folgen.  

"Endlich unbeschwert Urlaub in Xinjiang" 

Chinesische Internetnutzer hießen in ersten Reaktionen das Gesetz einstimmig gut. Kritische Meinungsäußerungen dürften allerdings sofort entfernt worden sein. Auf Weibo, dem chinesischen Mikroblog, fordert zum Beispiel der Nutzer Qichen: "Das Gesetz soll landesweit eingeführt werden." "Endlich können wir unbesorgt in Xinjiang Urlaub machen", schreibt ein anderer.