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Politik

Afrikanische Flüchtlinge eines europäischen Krieges

Cristian Stefanescu
28. Februar 2022

Unter den vielen Flüchtlingen, die aus der Ukraine nach Rumänien einreisen, sind auch afrikanische Studenten, die in einen Krieg gerieten, der ihnen total fremd ist. Die DW traf sie am Anfang ihrer langen Heimreise.

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Rumänien Grenzübergang Siret John aus Ghan
Afrikanische Flüchtlinge in RumänienBild: Cristian Ștefănescu/DW

In Czernowitz, in der Westukraine, herrscht noch Frieden. Bisher hat die von Wladimir Putin angeordnete russische Offensive die Hauptstadt der ukrainischen Bukowina nicht getroffen. Die weniger als 50 Kilometer von der rumänischen Grenze entfernte Stadt ist heute Zufluchtsort für viele Menschen aus den belagerten Gebieten - und Zwischenstation auf dem Weg in die Emigration. Unter den Flüchtlingen, die nach Rumänien wollen, sind auch Tausende afrikanische Studenten. Viele studieren Medizin in Czernowitz, andere Informatik in Odessa.

Verstörende Erlebnisse

Nur wenige Züge passieren Burdujeni, den Bahnhof der Stadt Suceava, im nordöstlichen Zipfel Rumäniens, unweit des Grenzübergangs Siret. Die Bahnsteige sind meist leer, der Wartesaal kaum genutzt, die meisten Räumlichkeiten im monumentalen Gebäude sind geschlossen. Dutzende Afrikaner sitzen auf dem Boden der Bahnhofshalle und teilen sich die seltenen Steckdosen, um ihre Handys aufzuladen.

Emmanuel und John aus Ghana
Die Brüder John und Emmanuel aus Ghana studieren Medizin in der UkraineBild: Cristian Ștefănescu/DW

Fast ein Viertel der mehr als 75.000 Ausländer, die in der Ukraine studieren, sind Afrikaner - die meisten aus Ghana oder Nigeria. Sie kamen nach Europa zum Studium und wurden durch einen Krieg, den sie nicht verstehen, zur Flucht gezwungen.

"Ich habe etwas erlebt, das ich nie vergessen werde", sagt John aus Ghana, ein Medizinstudent im letzten Jahr. Zusammen mit seinem Bruder Emmanuel, der im zweiten Jahr ebenfalls Medizin studiert, und anderen Studenten verschiedener afrikanischer Nationalitäten, machte er sich auf den Weg zur Grenze. Doch es war schwer, Czernowitz zu verlassen, denn die Stadt ist eine Drehscheibe für Viele geworden, die auch in anderen ukrainischen Städten studierten. Das habe die Stadt auf den Kopf gestellt, erzählt er: "Man findet keine Taxis mehr, und wenn man eines erwischt, ist es sehr teuer, und den Geschäften geht schnell die Ware aus". Aber nicht alle hätten es geschafft, den russischen Bomben zu entkommen: "Wir haben noch Freunde in Kiew oder Sumy, sie können nicht weg, weil es keine Verkehrsanbindung mehr gibt", fügt John traurig hinzu. Wegen der langen Autokolonnen habe auch ihr Bus die rumänische Grenze nur schwer erreicht.

Ukraine: Auf der Flucht in die EU

Während der mehr als sechs Stunden, die er auf ukrainischer Seite am Grenzübergang Porubne-Siret verbrachte, wurde John Zeuge dramatischer Trennungsszenen ukrainischer Familien: Mütter nahmen ihre Kinder und zogen nach Rumänien, während Väter zurückkehrten, weil sie einberufen wurden, um ihr Land zu verteidigen. "Ich kann mir eine solche Situation nicht vorstellen", sagt John.

Der Unterricht an der Uni fällt vorerst für zwei Wochen aus. Vorausgesetzt natürlich, dass der Krieg bald beendet wird. "Ukrainische Männer müssen zur Armee gehen, und die meisten unserer Lehrer sind Männer", ergänzt Emmanuel, "ich glaube nicht, dass sie den Kampf aufgeben werden, um uns online zu unterrichten."

Mukhtar aus Nigeria
Mukhtar aus Nigeria, Medizinstudent in der Ukraine, bei seiner Ankunft in RumänienBild: Cristian Ștefănescu/DW

Mukhtar, Medizinstudent aus Nigeria, ist optimistischer und hofft, bald wieder sein Studium aufnehmen zu können. "Wir mussten fliehen", sagt er, "weil unsere Eltern sich Sorgen um unser Schicksal machten." Es habe ihn sehr traurig gestimmt, auf der ukrainischen Seite der Grenze zu sehen, dass Männer um die 60 das Land nicht verlassen durften, weil sie kämpfen mussten. "Dasselbe könnte einigen unserer Lehrer passieren", fügt er nachdenklich hinzu.

Beeindruckende Hilfsbereitschaft

Nicht alle afrikanischen Studenten, die aus der Ukraine geflohen sind, seien in der Lage, weiter in ihre Heimat zu reisen, erklärt Sami Priciu. Der junge Mann ist aus Süd-Rumänien an die Nordgrenze gekommen, um den Flüchtlingen zu helfen. Es bestehe die Gefahr, dass sie die Frist für den Aufenthalt in Rumänien nicht einhalten könnten: "In ihrem Pass haben sie ein Visum für drei Tage", sagt Sami. "Das bedeutet, dass sie sich innerhalb kürzester Zeit um einen Flug in ihre Heimatländer kümmern müssen." Einigen von ihnen aber fehle das nötige Geld, ihre Eltern bemühten sich zu Hause um die Tickets. "Das ist nicht so einfach; es ist schon möglich, dass nicht alle einen Flug bekommen", so der rumänische Flüchtlingshelfer.

Rumänien - Grenzübergang Siret
Der Grenzübergang Siret an der Grenze zur UkraineBild: Cristian Ștefănescu/DW

Nach stundenlangem Warten auf der ukrainischen Seite und einem ersten Kontakt mit den jetzt stark vereinfachten Regeln der rumänischen Behörden werden die Flüchtlinge von Sami und anderen rumänischen Freiwilligen empfangen. Eine warme Unterkunft, Süßigkeiten und Spielzeug für Kinder, ein paar rumänische Lei für das Nötigste, warmes Essen. "Weiter vorne gibt es Zelte an der linken Straßenseite. Sagen Sie dort, dass Sie Huhn essen wollen. 'Pui' bedeutet Huhn. Ich weiß nicht, ob es halal ist, aber es ist Huhn", wiederholt einer der Freiwilligen immer wieder geduldig. Viele Flüchtlinge wollen nur eine Pause einlegen und dann weiterreisen. Die rumänischen Behörden stellen ihnen den kostenlosen Transport fast überall nach Europa zur Verfügung.

"Hier gibt es so viele wunderbare Menschen. Ihr habt uns beherbergt, ihr wart so nett!", sagt Mukhtar sehr beeindruckt, bevor er Suceava in Richtung Bukarest verlässt. Dort will er sich um eine Flugverbindung nach Lagos kümmern. Er würde gerne nach Rumänien zurückkehren, ruft er noch schnell, "wenn nicht zum Studieren, dann wenigstens in den Urlaub".