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Konflikte

Ukraine aktuell: Massive Angriffe auf Kiew

16. Dezember 2022

Die Ukraine meldet die schwersten Raketenangriffe seit Wochen - und rechnet damit, dass Russland erneut versucht, Kiew zu erobern. Präsident Selenskyj und das ukrainische Volk erhalten den Karlspreis. Ein Überblick.

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Zerstörte Straßen in einem Vorort von Kiew nach russischen Luftangriffen
Zerstörte Straßen in einem Vorort von Kiew nach russischen LuftangriffenBild: Efrem Lukatsky/AP

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Massive Angriffe auf Kiew und Charkiw
  • Präsident Selenskyj und das ukrainische Volk erhalten den Karlspreis
  • US-Militär will mehr ukrainische Soldaten ausbilden
  • Litauen kauft von den USA Mehrfachraketenwerfer
  • Moskau: "Patriot"-Lieferung hätte "Konsequenzen"
  • EU beschließt weitere Sanktionen gegen Russland

 

Bei einem der größten Angriffe seit Beginn des Krieges ist die Ukraine nach eigenen Angaben mit Dutzenden russischen Raketen beschossen worden. Mitten im morgendlichen Berufsverkehr wurde die Hauptstadt Kiew von Explosionen erschüttert. Bürgermeister Vitali Klitschko rief die Bewohner auf, sich in Sicherheit zu bringen. Klitschko sprach zudem von Problemen bei der Wasserversorgung.
Wegen Schäden am Stromnetz und Stromausfällen werde der U-Bahn-Verkehr in Kiew bis zum Ende des Tages eingestellt, erklärte die Stadtverwaltung. Die Stationen sollten als Notunterkünfte genutzt werden.

Neue russische Angriffswelle auf ukrainische Städte

Auch aus Charkiw im Osten und mehreren weiteren Orten wurden Stromausfälle und Angriffe auf zentrale Teile der Infrastruktur gemeldet. Im südukrainischen Krywyj Rih wurde ein Wohnungsblock getroffen, mindestens zwei Menschen wurden getötet und fünf weitere verletzt, wie lokale Behörden mitteilten. Ein Mensch kam demnach im südlichen Cherson bei einem durch Beschuss ausgelösten Brand ums Leben.

Präsident Selenskyj und ukrainisches Volk erhalten Karlspreis

Der Aachener internationale Karlspreis 2023 geht an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und das ukrainische Volk. Das teilte das Direktorium des Preises in der nordrhein-westfälischen Stadt mit. "Das ukrainische Volk verteidigt unter der Führung seines Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nicht nur die Souveränität seines Landes und das Leben seiner Bürger, sondern auch Europa und die europäischen Werte", hieß es zur Begründung. Das Direktorium würdigte Selenskyj als "Halt und auch Vorbild für sein Volk" im Krieg Russlands gegen die Ukraine. Zudem bekenne er sich zu den europäischen Werten. Mit dem internationalen Karlspreis zu Aachen werden seit 1950 Persönlichkeiten oder Institutionen ausgezeichnet, die sich um Europa und die europäische Einigung verdient machten.

Karlspreis-Verleihung in Aachen
In diesem Jahr wurden belarussische Aktivistinnen mit dem Karlspreis ausgezeichnet Bild: Bernd Thissen/dpa/picture alliance

Ukrainischer Armeechef erwartet Großangriff auf Kiew

Der ukrainische Armeechef Walerij Saluschnyj hat vor einem russischen Großangriff auf Kiew im kommenden Jahr gewarnt. "Die Russen stellen neue Truppen von rund 200.000 Soldaten auf. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie nochmal versuchen werden, Kiew zu erobern", sagte Saluschnyj der britischen Wochenzeitung "Economist". Deswegen sei es "eine sehr wichtige strategische Aufgabe", Reserven bereitzuhalten und sich auf den Kampf vorzubereiten - der im Februar oder bestenfalls im März stattfinden könnte, "schlimmstenfalls schon Ende Januar".

Bei ihrem Angriff auf die Ukraine Ende Februar dieses Jahres hatten die russischen Truppen darauf abgezielt, die Hauptstadt Kiew schnell zu erobern. Sie wurden jedoch einige dutzend Kilometer vor der Stadt aufgehalten und mussten sich Ende März aus der Region zurückziehen. Zuletzt konzentrierten sich die Kämpfe vor allem auf den Osten und den Süden der Ukraine. Nach Ansicht von Saluschnyj wird das nicht so bleiben. Die Russen würden auch deswegen seit Oktober die ukrainische Energie-Infrastruktur bombardieren, weil "sie Zeit brauchen, Ressourcen aufzubauen" für eine großangelegte Offensive in den kommenden Monaten.

Walerij Saluschnyj, der Oberkommandierende der ukrainischen Armee sitzt bei Gesprächen an einem Tisch
Walerij Saluschnyj, der Oberkommandierende der ukrainischen Armee (Archiv)Bild: Ukraine President's Office/Zumapress/picture alliance

Er wisse, dass er "diesen Feind schlagen" könne, versicherte Saluschnyj, "aber ich brauche Ressourcen". Die ukrainische Armee habe "alle Berechnungen angestellt - wie viele Panzer, Artillerie wir brauchen, und so weiter", sagte Saluschnyj und führte aus: "Ich brauche 300 Panzer, 600 bis 700 Schützenpanzer, 500 Haubitzen."

US-Militär will mehr ukrainische Soldaten ausbilden

Die USA weiten ihre Ausbildungsprogramme für ukrainische Soldaten aus. Ein weiteres Programm solle zu Jahresbeginn starten und "ungefähr 500 ukrainische Soldaten pro Monat ausbilden", teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Washington mit. Unter anderem sollten sie im bestmöglichen Zusammenwirken von Infanterie und Artillerie geschult werden. Zudem sei geplant, gemeinsame Manöver abzuhalten. Die Übungen werden nach Pentagon-Angaben auf Schulungsplätzen in Deutschland stattfinden.

Litauen kauft Mehrfachraketenwerfer von den USA

Das baltische EU- und NATO-Land Litauen erwirbt in den USA acht US-Mehrfachraketenwerfer vom Typ HIMARS (High-Mobility Artillery Rocket System) mit Munition und Ausrüstung. Darüber sei ein Kaufvertrag im Wert von rund 495 Millionen US-Dollar (etwa 465 Millionen Euro) unterzeichnet worden, teilte das Verteidigungsministerium in Vilnius mit. Die Auslieferung der ersten Raketensysteme ist 2025 vorgesehen.

Mobiles HIMARS-Artilleriesystem
Mobiles HIMARS-Artilleriesystem Bild: Roman Koksarov/AP/picture alliance

Litauen grenzt an die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad und an Russlands Verbündeten Belarus. Der Krieg in der Ukraine wird in dem Baltenstaat als direkte Gefahr für die nationale Sicherheit gesehen.

Moskau: "Patriot"-Lieferung hätte "Konsequenzen"

Russland hat die USA nochmals vor der Lieferung von Luftabwehrwaffen des Typs "Patriot" an die Ukraine gewarnt. Falls sich solche Berichte bestätigten, wäre dies ein "weiterer provokativer Schritt" der Vereinigten Staaten, erklärte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa in Moskau. Die USA würden sich damit immer tiefer in den Konflikt hineinziehen lassen - "mit allen daraus folgenden Konsequenzen." Sacharowa kündigte zudem an, "Patriot"-Raketen würden von der russischen Armee als prioritäre Ziele ins Visier genommen.

Eine Abschussvorrichtung für "Patriot"-Raketen zur Raketenabwehr hebt sich schwarz vor einem orangefarbenen Himmel ab
Eine Abschussvorrichtung für "Patriot"-RaketenBild: JACK GUEZ/AFP/Getty Images

Selenskyj: "Sie können unsere Armee nicht besiegen"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland vorgeworfen, beim Beschuss der Stadt Cherson eine Helferin in einer Station des Roten Kreuzes getötet zu haben. "Die Frau, die starb, war eine Sanitäterin, eine Freiwillige", berichtete der Staatschef. Die kürzlich befreite Hafenstadt im Süden der Ukraine sei allein am Donnerstag 16 Mal von russischer Seite beschossen worden, führte er weiter aus. Zudem habe es "brutale russische Angriffe" in den Regionen Donbass und Charkiw gegeben.

"Die Besatzer werfen alles und jeden in die Offensive. Sie können unsere Armee nicht besiegen. Also zerstören sie jede Stadt und jedes Dorf physisch, so dass es keine Gebäude, nicht einmal mehr Mauern gibt, die für irgendeine Art von Verteidigung genutzt werden könnten", klagte Selenskyj.

EU beschließt weitere Sanktionen gegen Russland

Die Staats- und Regierungschefs der 27 Länder der Europäischen Union haben sich auf ein neuntes Sanktionspaket gegen Russland verständigt. Außerdem gaben die Teilnehmer des Brüsseler EU-Gipfels weitere Milliardenhilfen für die Ukraine frei.

Die Entscheidung über einen Gaspreisdeckel wurde auf eine Sondersitzung der EU-Energieminister am Montag vertagt. Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte die Hoffnung, dass der Preisdeckel am Ende so hoch ausfallen werde, "dass er niemals relevant wird". Die Bundesregierung fürchtet andernfalls Versorgungsengpässe.

Olaf Scholz gibt beim EU-Gipfel in Brüssel ein Statement vor Mikrophonen
Gefragter Mann: Bundeskanzler Olaf Scholz in BrüsselBild: Nicolas Landemard/Le Pictorium/MAXPPP/dpa/picture alliance

Einen ausführlichen Abschlussbericht zum EU-Gipfel in Brüssel finden Sie hier.

Entwicklungsbank hilft ukrainischen Firmen

Die internationale Entwicklungsbank IFC will Unternehmen in der Ukraine mit Hilfen im Volumen von zwei Milliarden Dollar unterstützen. Zunächst liege der Schwerpunkt auf dem Wiederaufbau und Erhalt der kritischen Infrastruktur - etwa durch Finanzmittel für Agrarbetriebe und den Import von Treibstoff, teilte die Bank in Washington mit.

Der ukrainische Privatsektor habe angesichts des Krieges eine "beispiellose Widerstandsfähigkeit" bewiesen, die aber unterstützt und ausgebaut werden müsse, sagte IFC-Direktor Makhtar Diop. "Die Bereitstellung von Kapital in dieser außergewöhnlichen Zeit ist unerlässlich, um Unternehmen und lebenswichtige Dienstleistungen am Laufen zu halten und sich zu gegebener Zeit auf die massiven Wiederaufbaumaßnahmen vorzubereiten, die noch bevorstehen."

Die International Finance Corporation hat sich als Teil der Weltbankgruppe auf die Förderung privater Unternehmen spezialisiert. Sie bietet verschiedene Finanzierungsprodukte wie Darlehen, Eigenkapitalbeteiligungen, Garantien und Beratung an.

Faeser: Ukrainer bereichern den deutschen Arbeitsmarkt

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sieht in dem hohen Bildungsniveau ukrainischer Flüchtlinge auch eine Chance, den Fachkräftemangel in Deutschland abzumildern. "Das hohe Bildungsniveau und die Bereitschaft, sich schnell einzubringen, mit anzupacken und zu arbeiten, sind sehr erfreuliche Befunde", sagte die Sozialdemokratin der Funke Mediengruppe mit Blick auf die Ergebnisse einer Umfrage unter ukrainischen Staatsangehörigen hierzulande. Fast drei Viertel der Geflüchteten verfügten über Hochschulabschlüsse, erläuterte Faeser. Ein Großteil wolle nach dem Krieg in die Ukraine zurückkehren. "Ein Viertel sagt aber auch: Wir können uns gut vorstellen, in Deutschland zu bleiben."

Portraitbild Nancy Faeser, Bundesministerin für Inneres und Heimat
Nancy Faeser, Bundesministerin für Inneres und HeimatBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

bri/wa/uh/cw/se (dpa, afp, rtr, epd, kna)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.