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Rechtsruck in der Ukraine

Eugen Theise13. Dezember 2012

Während das Land zunehmend autoritär regiert wird, erstarken die nationalistischen Kräfte in der Ukraine. Erstmals ziehen rechtsextreme Politiker in Fraktionsstärke ins Parlament ein.

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Nationalisten in der Ukraine(Foto: ITAR-TASS)
Nationalisten in der UkraineBild: picture-alliance/dpa

Der 12. Dezember ist für die 37 Abgeordneten der Partei "Swoboda" (Freiheit) ein besonderer Tag. An diesem Tag ist die Werchowna Rada zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen gekommen. Zum ersten Mal ist eine rechtsextreme Partei mit einer eigenen Fraktion im Parlament der Ukraine vertreten.

"Nun können wir unsere Ideen nicht nur auf Kundgebungen oder in Talk-Shows vorbringen, sondern auch von der Parlamentstribüne aus", sagt der stellvertretende Parteichef Andrij Mochnik im Gespräch mit der DW. Die Tonlage könnte aber schärfer werden. Mit allen Mitteln wolle "Swoboda", so Mochnik, den in seinen Augen "korrupten Diktator" Viktor Janukowitsch und andere "antiukrainischen Kräfte" an der Macht bekämpfen.

Rechtsextreme werden salonfähigMehr als zehn Prozent der Stimmen hat "Swoboda" bei der Parlamentswahl im Oktober gewonnen. Jetzt will die Partei gemeinsam mit anderen oppositionellen Kräften agieren. Im Wahlkampf warnten ukrainische Intellektuelle in einem offenen Brief die Parteien der demokratischen Opposition vor einer Zusammenarbeit mit den Nationalisten. Trotzdem stellte eine Oppositionspartei, die "Vereinigte Opposition" unter Arsenij Jazenjuk, einem Mitstreiter von Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko, in den Wahlkreisen gemeinsame Kandidaten mit "Swoboda" auf. Der Lemberger Publizist Taras Wosniak gehörte zu den Mitunterzeichnern des offenen Briefes. Im Gespräch mit der DW warnt er vor den Folgen einer Zusammenarbeit mit den Rechtextremen: "Ein gemeinsames Auftreten trägt zur Legitimierung dieser Partei bei. Das autoritäre Regime unter Präsident Janukowitsch wird 'Swoboda' nutzen, um die Opposition zu diskreditieren".

Nationalistenführer Oleg Tiahnibok (links im Bild) auf einer gemeinsamen Kundgebung mit anderen Oppositionspolitikern (Foto: AP/dapd)
Nationalistenführer Oleg Tiahnibok (links im Bild) auf einer gemeinsamen Kundgebung mit anderen OppositionspolitikernBild: dapd

Vor allem Migranten, aber auch viele Russen in der Ukraine sind durch den Aufstieg der Nationalisten verunsichert. "Swoboda" verlangt in ihrem Programm unter anderem die Eindämmung von Einwanderung und den Vorrang von ethnischen Ukrainern bei der Besetzung staatlicher Ämter. Rassistische Ressentiments gehören zum politischen Alltag von "Swoboda". Beim Eurovison Song Contest in diesem Jahr empörten sich führende Parteimitglieder, dass die Ukraine durch eine Sängerin afrikanischer Abstammung vertreten wurde.

Nationalsozialistische WurzelnIm Parteiprogramm von "Swoboda" ist von dem Ziel einer "sozialen und nationalen Revolution" die Rede. Die Assoziation mit dem Begriff Nationalsozialismus ist dabei kein Zufall. "Sozial-Nationale Partei der Ukraine" hieß "Swoboda" früher. Im Jahr 2004 wurde deren Chef Oleg Tiahnibok aus der Parlamentsfraktion des Parteienbündnisses "Nascha Ukraina" (Unsere Ukraine) ausgeschlossen. Er hatte eine antisemitische und fremdenfeindliche Rede gehalten, die damals einen großen Skandal in der Ukraine auslöste.

Mit SS-Symbolen marschieren Jugendvertreter der Sozial-Nationalen Partei (Foto aus dem Jahr 1999)
Mit SS-Symbolen marschieren Jugendvertreter der "Sozial-Nationalen Partei der Ukraine" durch Lemberg (Foto aus dem Jahr 1999)Bild: BY-SA-CC

Tiahnibok entschloss sich zu einem Neustart unter dem Namen "Swoboda". Der Begriff der "Freiheit" war damals unter Rechtsradikalen in ganz Europa in Mode, vor allem durch die Erfolge der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Nach der Umbenennung in "Swoboda" verzichtete die Partei auf offensichtliche nationalsozialistische Symbole, wie sie von Formationen der berüchtigten Schutzstaffeln (SS) im Zweiten Weltkrieg verwendet worden waren.Der schwedische Historiker Per Rudling erforscht seit Jahren die historischen Ursprünge des ukrainischen Nationalismus. Auch wenn "Swoboda" offiziell keine Symbolik der SS nutze, ändere das nichts an der Einstellung der Partei gegenüber nationalsozialistischen Kampfverbänden wie der SS, meint Rudling. Nach wie vor würden Vertreter der Partei an Aufmärschen teilnehmen, bei denen auch der ukrainischen Soldaten der SS-Freiwilligen-Division "Galizien" gedacht wird. Für die Nationalisten seien diese Soldaten "Freiheitskämpfer", weil sie gegen den verhassten Bolschewismus gekämpft haben.

"Swoboda" verzichtet seit 2004 auf SS-Symbole - Parteichef Tiahnibok vor Parteilogo (Foto: REUTERS)
"Swoboda" verzichtet seit 2004 auf SS-Symbole - Parteichef Tiahnibok vor ParteilogoBild: Reuters

Mangelnde Aufarbeitung der Geschichte"Die Verwicklung der ukrainischen Nationalisten in ethnische Säuberungen während des Zweiten Weltkriegs und deren teilweise antisemitische und rassistische Ressentiments werden weiter geleugnet", kritisiert Historiker Rudling. Politiker im Osten und im Westen des Landes instrumentalisierten die Geschichte für ihre Zwecke. "Sie pflegen alte historische Mythen und erschaffen neue", meint Rudling. Die Rolle der Ukraine im Zweiten Weltkrieg werde dabei nicht aufgearbeitet.

Russischer Protest auf der Krim gegen ukrainische Nationalisten (Foto: DW)
Russischer Protest auf der Krim gegen ukrainische NationalistenBild: picture-alliance/dpa

Acht Jahre nach seinem Rausschmiss aus dem Parteienbündnis "Nascha Ukraina" hat es Oleg Tiahnybok wieder ins Parlament geschafft. Jetzt ist er nicht mehr Einzelkämpfer, sondern Vorsitzender einer Partei, die in Fraktionsstärke ins neue Parlament einzieht. Für den deutschen Politologen Andreas Umland, der an der Mohyla-Akademie in Kiew lehrt, ist der Erfolg der radikalen Rechten nicht überraschend. Seit Jahren, so Umland, habe sich Tiahnybok in den Talk-Shows der Fernsehsender als entschiedener Gegner des zunehmend unbeliebten Präsidenten Viktor Janukowitsch profiliert. "Viele Ukrainer empfinden die aktuelle Regierung als 'antiukrainisch'. Da wird eben die radikalste Anti-Regierungspartei gewählt", erklärt Umland den Erfolg von "Swoboda" bei der Parlamentswahl im Oktober.