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Neues Parlament

Klaus Dahmann30. September 2007

Die Ukrainer stimmen über ein neues Parlament ab: 20 Parteien stehen zur Wahl. Die Parteien von Viktor Juschtschenko, Viktor Janukowitsch und Julia Timoschenko haben die besten Aussichten.

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Julia Timoschenko guckt oben aus einem Auto raus, reißt die Arme nach oben und hält eine Rede. Quelle: dpa
Zünglein an der Waage? Julia Timoschenkos Partei könnte eine entscheidende Rolle spielenBild: picture-alliance/dpa

Der Geist der orangenen Revolution von vor drei Jahren ist verflogen. Der erhoffte Aufbruch gen Westen ist nicht zu sehen, nur Kiew boomt, der Rest des Landes dümpelt weiter vor sich hin. Im Parlament, der Rada, kommt es zu Querelen und zu einem endlosen Hin und Her. Präsident Viktor Juschtschenko sucht das Glück des Landes wieder einmal in Neuwahlen. "Wir leben mit Gott und entscheiden im Geist der Verfassung. Ich bin davon überzeugt, dass die Ukraine diese Aufgabe lösen wird", zeigt er sich optimistisch über das am Sonntag (30.9.2007) anstehende Votum.

Wechselnde Konstellationen

Dazu ein Ministerpräsident Viktor Janukowitsch, der erst während der orangenen Revolution der Gegner war, dann plötzlich der Partner und nun wieder der Gegner des Präsidenten – und der sich mit Händen und Füßen gegen die Neuwahlen zu stemmen versuchte: "Ich bin mir sicher, dass es für vorgezogene Wahlen weder wirtschaftliche noch gesellschaftliche Grundlagen gibt. Das sind lediglich Ambitionen von Politikern der Opposition. Damit ist der Präsident der Ukraine zufrieden."

Und die Dritte auf der politischen Bühne: Julia Timoschenko, erst Mitstreiterin des Präsidenten, von ihm zur Regierungschefin gemacht, wieder aus dem Amt gejagt, und nun wieder von Juschtschenko umworben. Die einstige Ikone der orangenen Revolution vertritt schon seit Monaten die Ansicht, dass man keine Angst vor Neuwahlen haben müsse.

Werben um eine breite Wählerschaft

Porträtbild von Viktor Janukowitsch neben einer gelb-blauen ukrainischen Flagge. Quelle: AP
Viktor Janukowitsch hat zurzeit die meisten AnhängerBild: AP

Ob man aus der politischen Sackgasse herauskommt, ist dennoch fraglich. Die Partei des Moskau-treuen Viktor Janukowitsch ist derzeit stärkste Fraktion und hat auch in den jetzigen Umfragen die Nase vorn – mit rund einem Drittel der Wählerstimmen. Der farblose Ministerpräsident hat vor allem die Menschen im Osten und Süden des Landes hinter sich - und auch die großen Wirtschaftsbosse. Dort wird vorwiegend Russisch gesprochen und man schaut eher russische als ukrainische Fernsehsender. Aber Janukowitsch ist Pragmatiker, hat inzwischen aufgehört zu fluchen und mehr Ukrainisch gelernt.

Julia Timoschenko hat die umgekehrte Wendung vollzogen. Die "Jeanne d’Arc der Ukraine", als die sie manchmal bezeichnet wird, will über ihre pro-europäischen Stammwähler im Westen des Landes hinaus und hat deshalb schon eine Verbesserung der Beziehungen zu Moskau versprochen. Ihr Markenzeichen ist der traditionelle blonde Bauernzopf, den sie wie einen Ährenkranz um den Kopf schlingt – ein Zeichen für Traditionsbewusstsein. Doch der Kleine-Mädchen-Stil täuscht. Sie tritt gerne eisern und konservativ auf wie Margaret Thatcher – ein Vorbild, mit dem sie sich erst vor kurzem hat ablichten lassen. Programmatisch ist aber auch sie blass geblieben. Dennoch kann sie für ihre Partei wieder mit dem zweiten Platz rechnen – fast 25 Prozent werden ihr vorausgesagt.

Der Hoffnungsträger enttäuschte

Viktor Juschtschenke, mit einem orangenen Schal, macht ein Victory-Zeichen mit den Fingern. Quelle: AP
Hoffnungsträger der orangenen Revolution Viktor Juschtschenko (Archivbild 2004)Bild: AP

Und das ist deutlich mehr als die Prognosen für Präsident Juschtschenko. Seine Partei kommt in den Umfragen nur auf höchstens zwölf Prozent. Der international erfahrene Wirtschaftsfachmann war vor drei Jahren als großer Hoffnungsträger angetreten – doch die einst gelobte Sanftmut hat sich als hilflose Wankelmütigkeit herausgestellt. Er war vor allem mit den Querelen in der Regierung beschäftigt. Große politische Impulse sind von ihm nicht gekommen. Er zehrt noch von dem Sympathie-Bonus, mit dem er damals Präsident wurde – Symbol des Aufbruchs und auch Symbol der Leiden unter dem Kutschma-Regime: Sein Gesicht ist durch Chlorakne entstellt, eine Erkrankung, die auf eine Dioxin-Vergiftung zurückzuführen ist.

Nun stehen die Ukrainer also wieder vor der Wahl – zwischen Parteien, bei denen die Personen immer noch Programm sind. Und ihr politischer Überlebenswille ist die Grundlage für mögliche Koalitionen. Juschtschenko hat sich wieder Timoschenko angenähert und hält auch eine Neuauflage des orangenen Bündnisses für möglich. Aber Timoschenko könnte Zünglein an der Waage sein: Nicht nur Juschtschenkos Partei braucht sie, um an die Regierung zu kommen, sondern auch Janukowitsch.