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Ukrainischer Premier Janukowytsch zu Antrittsbesuch in Brüssel

14. September 2006

Der neue ukrainische Premier Wiktor Janukowytsch will die Annäherung seines Landes an die EU, aber vorerst keine Mitgliedschaft in der NATO. Dies machte er bei seinem ersten Besuch in Brüssel am Donnerstag (14.9.) klar.

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Premier Janukowytsch bei EU-Kommissarin Ferrero-Waldner in Brüssel (14.9.2006)Bild: AP

Mit Potentaten, Premiers und Ministern aus aller Welt, seien sie nun demokratisch gewählt oder nicht, hat Erkki Tuomioja, als finnischer Außenminister zurzeit Ratspräsident der EU, eine Menge Erfahrung. Er spricht grundsätzlich mit fast jedem. Dialog ist in der Diplomatie der EU auch Selbstzweck. Verglichen mit anderen Gesprächspartnern fällt Wiktor Janukowytsch, der neue Regierungschef der Ukraine, noch in die leichter zu nehmende Kategorie. Schließlich sei Janukowytsch demokratisch vom Parlament in sein Amt gewählt worden, so Tuomioja: "Wir erkennen jeden als Partner an, der frei gewählt wird. Daran gab es keinen Anlass zu zweifeln. Der Premier hat die Unterstützung des Präsidenten und des Parlaments, was kann man mehr verlangen?"

Hinter vorgehaltener Hand gaben Mitarbeiter des außenpolitischen Stabes der EU-Kommission und des Ministerrates allerdings zu bedenken, es sei schon ein wenig seltsam, ausgerechnet den Mann als Regierungschef empfangen zu müssen, der als Gegenkandidat des heutigen ukrainischen Präsidenten Wiktor Juschtschenko zum Lager der Wahlfälscher gezählt wurde. Zumindest inoffiziell hatte sich die EU vor zwei Jahren auf die Seite des Helden der orange Revolution, Juschtschenko, geschlagen.

Europa-Kurs wird fortgesetzt

Mit dem Comeback des eher nach Russland orientierten Oligarchen-Freundes Janukowytsch hatte in Brüssel niemand so recht rechnen wollen. Der Gast aus Kiew wurde deshalb nicht von Selbstzweifeln geplagt: "Ich fühle mich in allen Situationen zuversichtlich, weil ich nicht nur meine politischen Überzeugungen nicht ändern muss, sondern auch nicht meine menschlichen." Viktor Janukowytsch versicherte, er wolle den bisherigen Europa-Kurs der Regierung fortsetzen: "Wir haben die feste Absicht, exzellente und stabile Beziehungen zur EU zu unterhalten, die uns am Ende zum Eintritt in die Union führen." Vor allem aus wirtschaftlichen Gründen strebt Premier Janukowytsch in die EU. Er soll reiche und einflussreiche Hintermänner in der Ukraine haben, die auf Absatzmärkte und Geschäfte mit den Europäern hoffen.

2007 wollen die EU und die Ukraine über ein umfangreiches Wirtschafts- und Kooperationsabkommen verhandeln. Bis dahin müsse die Ukraine allerdings noch ihren Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO schaffen, schränkte EU-Kommissarin Ferrero-Waldner ein. Das etwas hölzerne Liebeswerben des neuen Premiers um Aufnahme in die EU beantwortete die Kommissarin lächelnd, aber abweisend: "Mitgliedschaft steht nicht zur Debatte, das heißt nicht, dass sie für alle Ewigkeit ausgeschlossen ist, aber im Moment ist Mitgliedschaft in der EU kein Thema."

Lage in der Ukraine stabil

Die EU hofft, dass Premier Janukowytsch den Westkurs weiter einhält, den er mit Präsident Juschtschenko vereinbart hat. Denn nichts fürchtet die Union mehr als eine in sich zerrissene Ukraine, in der politisches Chaos ausbrechen könnte. Schließlich gehen russische Gas- und Öllieferungen nach Europa über ukrainisches Gebiet. Vorsorglich gibt die EU Geld, damit an den Grenzen der Ukraine an den Pipelines amtlich geeichte Messstationen aufgebaut werden. Das Gas, das Russland für Europa einleitet, soll auch am anderen Ende, in Europa, ankommen.

Wiktor Janukowytsch versuchte, der derzeitigen politischen Spaltung in Pro-Westler und Pro-Russen in der ukrainischen Führung etwas Positives zu geben: "Im Moment ist die politische Lage in der Ukraine stabil. Wir haben jetzt einmalige Chancen in der Ukraine, weil wir eine Koalitionsregierung gebildet haben, die uns zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit realistische Instrumente für die Zusammenarbeit von Regierung und Parlament gibt. Wir wollen wirklich tiefgreifende Reformen anpacken."

Vorerst keine NATO-Mitgliedschaft

Eine von Präsident Juschtschenko emsig angestrebte Mitgliedschaft der Ukraine im Militärbündnis NATO, die schon fast greifbar schien, hat Premier Janukowytsch so gut wie ausgeschlossen. Beim Antrittsbesuch im Nato-Hauptquartier in Brüssel war die Stimmung eisig, als er darauf hinwies, dass nur eine Minderheit der Bürger in der Ukraine eine NATO-Mitgliedschaft wünsche: "Bis auf weiteres wollen wir nur unsere Kooperation mit der NATO erweitern."

Russland hatte den Schmusekurs der Vorgängerregierung mit der NATO heftig kritisiert und auch deshalb zu Anfang des Jahres die Gasversorgung kurzzeitig eingestellt. Die NATO hatte sich schon darauf eingerichtet, beim Gipfeltreffen in Riga im November ein positives Signal in Sachen Mitgliedschaft zu senden. Das ist nun nicht mehr nötig, nicht ganz zum Missfallen der NATO-Militärs, denn die Integration der großen, an russischen Standards orientierten ukrainischen Armee hätte viel Zeit und Geld verschlungen.

Janukowytsch will Brücke schlagen

Der ukrainische Regierungschef gelobte, er wolle, was die Beziehungen zu Russland und zum Westen angehe, versöhnen und nicht spalten: "Wir haben viele gemeinsame Interessen. Wir wollen mit beiden, Russland und der Europäischen Union, zusammenarbeiten und eine Brücke bauen." Öffentlich hatten die EU-Vertreter und der neue Regierungschef der Ukraine nur Lob für einander übrig. Die EU-Kommissarin für Außenbeziehungen Benita Ferrero-Waldner machte gute Miene und wünschte dem neuen starken Mann auch im eigenen Interesse Glück: "Wir hatten ein gutes Treffen und wir wünschen Ihnen vollen Erfolg, Premierminister!"

Bernd Riegert, Brüssel
DW-RADIO, 14.9.2006, Fokus Ost-Südost