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Umstrittene Delikatessen

Antoaneta Nenkova18. Dezember 2012

Bulgarien ist der zweitgrößte Produzent von Stopfleber - nach Marktführer Frankreich. Zur Herstellung werden Enten und Gänse zwangsgemästet. Tierschützer kritisieren diese Methode.

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Ein Gans im Käfig auf einer Gänsefarm in Bulgarien (Foto: Ivan Bakalov)
Bild: Ivan Bakalov

Hochbetrieb auf dem Schlachthof im bulgarischen Ort Milevo: Drei Arbeiter in Schutzkleidung entladen riesige Laster mit Mastenten. An Metallhaken werden die Tiere in das Innere des Schlachthofes transportiert, wo ihr kurzes Leben von weniger als sechs Monaten endet. Damit das Töten schmerzfrei erfolge, werde jede Ente beim Schlachten per Elektroschock betäubt, erklärt Mitarbeiter und Technik-Experte Miroslaw Kunew.

Der Schlachthof in Milevo ist einer von acht in Bulgarien, die von der EU zugelassen sind. Plamen Tschelebiev und sein Vater haben ihn im Jahr 2001 selber gebaut. Die Mastanlage kauften sie 2004 in Haskovo. Die 400 Angestellten des Familienunternehmens Volex sind mit der Herstellung von Entenleber, Pasteten und Fleischkonserven beschäftigt: Foie gras (wörtlich "Fettleber") gilt in vielen Ländern der Welt als Delikatesse - besonders zum weihnachtlichen Festmahl.

Stopfen von Gänsen und Enten in 14 EU-Ländern verboten

Doch um eine "Fettleber" herzustellen, muss die Ente oder Gans gestopft werden. In seinem Familienunternehmen beginne das sogenannte Stopfen 75-90 Tage nach der Geburt der Entenküken, erklärt Plamen Tschelebiev. "Während des Mästens lebt das Federvieh zu Dritt oder Viert in Gemeinschaftskäfigen auf einer Fläche von 80 Mal 80 Zentimetern. Darin kann es sich bewegen. Oben ist die Box geöffnet, von dort erfolgt auch die Fütterung."

Gemästete Enten werden zur Schlachtung transportiert, an Haken hängend (Fotos: Ivan Bakalov)
Auf dem Schlachthof endet das kurze Leben der gemästeten Enten und GänseBild: Ivan Bakalov

Alle zwölf Stunden bekommen die Enten 200 bis 400 Gramm gekochten Mais automatisch eingetrichtert. "Nach 21 bis 27 Zwangsfütterungen schwillt die Entenleber auf das Fünf- bis Siebenfache ihres normalen Gewichts an und wiegt dann 500-600 Gramm", sagt Tschelebiev. Doch er versichert, dass in seinem Familienunternehmen nur weiche Gummischläuche zur Zwangsfütterung verwendet würden, um die Tiere nicht zu verletzen.

In 14 EU-Staaten ist das Stopfen von Enten und Gänsen als grausame Tierquälerei verboten - unter anderem in Deutschland. Tierschützer aus der ganzen Welt protestieren schon seit Jahren gegen diese Praxis.

Handel mit Foie gras weiterhin erfolgreich

Die weltgrößte Ernährungsmesse Anuga in Köln nahm Foie gras aus dem Warenverzeichnis. EU-Parlamentarier von der Partei der Grünen forderten ein umfassendes Verbot, damit den grausamen Methoden des Mästens von Gänsen und Enten ein Ende gesetzt werde. Doch es gibt eine Nachfrage: "Trotz aller Proteste muss klar sein, dass es keine Alternative zum Mästen gibt – das ist die einzige Möglichkeit, Foie gras herzustellen", sagt Tschelebiew.

Drei Sorten Gänseleberpastete in einem Feinkostladen in Frankreich (Foto: dpa)
Gänse- und Entenleberpastete in einem Feinkostladen in FrankreichBild: picture-alliance/dpa

Außerdem verursache das Stopfen keine Schmerzen, behauptet er – weil es im Entenhals keinen Knorpel gebe, können größere Futtermengen problemlos verabreicht werden.

Trotz der Proteste der Tierschützer geht der Handel mit Foie gras weiter. In der EU ist der Genuss dieser Enten- und Gänsedelikatessen immer noch erlaubt. Der US-Bundesstaat Kalifornien dagegen hat in diesem Sommer ein Verbot verhängt: Dort darf Foie gras nicht mehr verkauft werden.

In Bulgarien, einem der ärmsten Länder der EU, können sich nur wenige Menschen diesen Festschmaus leisten: Der Preis liegt bei 14-15 Euro pro Kilogramm. Doch bei der Produktion von Foie gras ist das Balkanland ganz weit vorne – direkt hinter Frankreich. Mittlerweile wird in Bulgarien mehr Enten- als Gänseleber hergestellt, weil deren Produktion günstiger ist, ohne dass es einen großen Geschmacksunterschied gibt.

Zahl der Mastenten in Bulgarien verdoppelt

In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Mastenten in Bulgarien von drei auf sechs Millionen Tiere verdoppelt. Insgesamt 2600 Tonnen Entenleber im Wert von etwa 100 Millionen Euro wurden allein im vergangenen Jahr ausgeführt. Das mache 15 Prozent der weltweiten Produktion aus - erklärt Dimitar Beloretschkow, Vorsitzender des Verbandes der bulgarischen Vogelzüchter. Entenleber aus Bulgarien wird vor allem in Frankreich verkauft, und kleinere Mengen in Belgien, Spanien und der Schweiz.

2008 gründeten die fünf europäischen Haupthersteller von Gänse- und Entenleber ein eigenes Bündnis – die "Euro Foie Gras". Dahinter steckt die Idee der Produzenten aus Frankreich, Bulgarien, Ungarn, Belgien und Spanien, ihre Interessen gemeinsam zu verteidigen, die Produktionsmethoden zu verbessern und anzugleichen und die Gegner des Mästens umzustimmen. Im bulgarischen Staatshaushalt sind außerdem rund zehn Millionen Euro für freiwillig übernommene Verpflichtungen zur Verbesserung der Tierhaltungsmethoden vorgesehen.

Weltweit werden rund 40 Millionen Vögel für die Herstellung von Foie gras gehalten. Fast 90 Prozent der Produktion entfällt auf Länder der Europäischen Union. Weitere große Produzenten sind China, die USA und Kanada. Exportiert wird zunehmend nach Japan, in die Schweiz, nach Hongkong und Israel.