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Umstrittene Ehrung

11. Juli 2011

Die geplante Verleihung des Quadriga-Preises an Wladimir Putin löst bei Bürgerrechtlern in Russland Empörung aus. Sie sehen dahinter eine PR-Kampagne und deutsches Interesse an russischem Gas.

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Die Quadriga (Bild: diequadriga.com)
Preis in der Diskussion: Die QuadrigaBild: diequadriga.com

Die Nachricht, dass der russische Ministerpräsident Wladimir Putin zum Preisträger des diesjährigen deutschen Quadriga-Preises gekürt werden soll, hat russische Politologen und Bürgerrechtler erstaunt. "In die Reihe der Personen, die in den vergangenen Jahren den Quadriga-Preis erhalten haben, passt Putin überhaupt nicht", entrüstet sich der Vorsitzende der Menschenrechtsbewegung "Für die Menschenrechte", Lew Ponomarjow. Unter den früheren Preisträgern der Quadriga sind die ehemaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl und Gerhard Schröder sowie die Ex-Präsidenten der UdSSR und Tschechoslowakei, Michail Gorbatschow und Václav Havel.

Für den Menschenrechtler Lew Ponomarjow ist die Entscheidung der Jury für Putin nicht nachvollziehbar. "Es wäre besser gewesen, ganz ehrlich zu schreiben, dass diese Auszeichnung für das Vorrücken Russlands hin zum autoritären Regime und für die Abschaffung von demokratischen Errungenschaften verliehen wird", sagte der Menschenrechtler im Interview mit der Deutschen Welle.

Ohrfeige für demokratische Bewegung

Lew Ponomarjow (Bild: Sergej Morozow)
Empört: Lew PonomarjowBild: Sergej Morozow

"Das ist eine Ohrfeige für die demokratische Bewegung Russlands sowie der gesamten europäischen Demokratie", erklärte Lew Ponomarjow. "Zunächst verabschiedet das Europaparlament eine strenge Resolution, in der es darum geht, dass es in Russland keine demokratischen Wahlen gebe – und gleich darauf wird der deutsche Quadriga-Preis an Wladimir Putin verliehen, der zweifellos für den Ausbau des existierenden politischen Systems in Russland verantwortlich ist. Da entsteht doch logischerweise die Frage, was mit den europäischen Politikern los ist", so der Menschenrechtler.

Quadriga im Tausch für russisches Gas?

Eine andere Kritikerin glaubt, hinter der Auszeichnung für Putin könnten auch wirtschaftliche Überlegungen stehen. Diese Entscheidung sei von dem Ziel beeinflusst, Begünstigungen bei den Gaslieferungen zu erhalten, sagt die Vorsitzende von Transparency International in Russland, Elena Panfilowa. "So eine Wahl der Preisverleihungskommission ist nur damit zu erklären, dass Deutschland zwingend Gas braucht", sagt sie. "Man kann natürlich 32 Absätze von Text zusammenschwatzen, aber all die Worte werden wiederum nur eine einzige Bedeutung haben: dass Deutschland dringend Gas braucht".

Wahlkampfhilfe für Putin?

Wladimir Putin (Bild: AP)
Als Preisträger umstritten: Wladimir PutinBild: dapd

Der russische Politologe Dmitrij Oreschkin schließt sich dieser Meinung an. "Die Abhängigkeit Europas und insbesondere Deutschlands vom russischen Gas – sprich: von Wladimir Putin – ist offensichtlich", sagt der Wissenschaftler. Er weist außerdem daraufhin, dass es noch einen anderen Grund für den Preis geben könne. Russland stehe unmittelbar vor den Präsidentenwahlen. Wladimir Putin sei es sicher ganz Recht, durch die Preisverleihung im Bewusstsein der russischen Wähler ein gewisses "europäisches Flair" zu bekommen. Denn bisher habe er eher das Image eines "Anti-Europäers" gehabt. Doch nach der Verleihung des Quadriga-Preises werde man sagen können, dass der russische Ministerpräsident in Europa Respekt genieße, erklärt Oreschkin.

Es bleibe aber noch die Hoffnung, dass die Quadriga-Preisverleihung, die im Herbst in Berlin stattfindet, das wahre Gesicht der russischen Politik enthüllen werde, sagt der Menschenrechtler Lew Ponomarjow. "Ich würde mich freuen, wenn diese skandalöse Geschichte eine Fortsetzung hätte, und zwar in Form einer öffentlichen Verurteilung der Entscheidung der Preisverleihungskommission", sagte der Experte.

Autor: Egor Winogradow, Moskau / Xenia Polska

Redaktion: Bernd Johann