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Umstrittener Gast: Turkmenistans Präsident in Brüssel

7. November 2007

Vor allem Energielieferungen und andere große Wirtschaftsprojekte machen Turkmenistan interessant. Menschenrechte und Pressefreiheit passen da weniger auf die Agenda. Der turkmenische Präsident war nun in Brüssel.

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Berdymuhammedow bietet Kooperation anBild: AP

Der Präsident Turkmenistans, Gurbanguly Berdymuhammedow, war am 6.und 7. November zu einem Besuch in Brüssel. Noch vor seiner Abreise teilte der Pressedienst des turkmenischen Staatschefs mit: "Der Besuch wird die Möglichkeit bieten, die Beziehungen zwischen Turkmenistan und der EU auf ein neues Niveau zu heben, vor allem in der Brennstoff- und Energiewirtschaft, in der Landwirtschaft, im Bildungs- und Gesundheitswesen, aber auch im sozialen Bereich."

Langsame Annäherung

Wenn Vertreter der Europäischen Kommission von einem neuen Niveau in den Beziehungen zwischen Turkmenistan und der EU sprechen, dann machen sie keinen Hehl daraus, dass insbesondere von einer Zusammenarbeit im Energiebereich die Rede ist, denn Turkmenistan verfügt nach Russland über die größten Gasvorräte im gesamten GUS-Raum. Nicht von ungefähr bezeichnete der EU-Sonderbeauftragte für die Länder Zentralasiens, Pierre Morel, während seines Besuchs im Oktober in Aschgabad Turkmenistan als einen "zukunftsträchtigen Partner der EU". Er unterstrich, Brüssel arbeite an mehreren strategischen Programmen zur Zusammenarbeit mit Turkmenistan. Der erste Schritt in diese Richtung sei das Angebot der EU, in der turkmenischen Hauptstadt ein Informationszentrum "Europäisches Haus" zu eröffnen. Morel betonte, die europäischen Partner begrüßten die Absicht Turkmenistans, sich an Projekten mit einer europäischen Ausrichtung zu beteiligen.

Was die EU nicht gerade begrüßt, ist die Politik Aschgabads gegenüber dem benachbarten Iran. Erst vor kurzem hatte Turkmenistan gemeinsam mit Aserbaidschan, Kasachstan und Russland das Recht Teherans auf ein Nuklear-Programm bekräftigt. Außerdem schlossen die Länder aus, ihr Territorium sogenannten "Drittstaaten" für eine Militäroperation gegen den Iran zur Verfügung zu stellen.

Gemeinsame Wirtschaftsprojekte

Bei den ersten Gesprächen in Brüssel, die Handelskommissar Peter Mandelson mit der turkmenischen Seite führte, wurde vor allem die Frage einer Ausweitung der turkmenischen Energielieferungen auf die Weltmärkte erörtert. Experten weisen darauf hin, dass die EU daran interessiert sei, Turkmenistan an die Nabucco-Pipeline anzuschließen, die Europa in Umgehung russischen Territoriums mit Energie aus Zentralasien versorgen soll. Das Projekt gilt als eines der wichtigsten Vorhaben im europäischen Leitungsnetz. Ferner schießen Experten nicht aus, dass sich europäische Partner an dem vom turkmenischen Präsidenten initiierten Projekt beteiligen werden, das den Bau eines Transportkorridors durch Turkmenistan, Kasachstan und den Iran vorsieht. Die Route würde Europa einen Zugang zum Persischen Golf verschaffen.

Neben den offiziellen Treffen fanden in Brüssel auch Gespräche des turkmenischen Staatsoberhauptes mit Spitzenvertretern der größten europäischen Unternehmen statt. Berdymuhammedow lud sie ein, sich an wichtigen Projekten aktiv zu beteiligen, unter anderem beim Aufbau der touristischen Zone Awasa sowie bei der Erforschung des Schelfs im Kaspischen Meer. Der Warenumsatz Turkmenistans mit den EU-Ländern hat in den letzten Jahren 1,5 Milliarden Dollar überschritten.

Bestehende Hindernisse

Eine vollwertige Zusammenarbeit im Energiebereich zwischen der EU und Turkmenistan verhindert derzeit eine im Jahr 2006 vom Europäischen Parlament angenommene Resolution, der zufolge alle Abkommen über Energielieferungen aus Turkmenistan nach Europa nur dann umgesetzt werden dürfen, wenn die turkmenische Führung effektive Maßnahmen zur Gewährleistung demokratischer Grundrechte im Lande ergreift, politische Häftlinge freilässt und Parteienvielfalt ermöglicht. Europäische Journalisten kritisierten deswegen, dass im Besuchsprogramm des turkmenischen Präsidenten kein Treffen vorgesehen sei, bei dem die Menschenrechte, die Pressefreiheit und Liberalisierung der Gesellschaft in Turkmenistan hätten zur Sprache gebracht werden können.

Ein offizieller Vertreter der Europäischen Kommission erklärte in diesem Zusammenhang auf einer Pressekonferenz lediglich, diese Fragen würden die EU nach wie vor beunruhigen. Berdymuhammedow sagte nach Abschluss seiner Gespräche in Brüssel, die Erfahrungen der europäischen Partner seien "sehr nützlich", vor allem bei der Lösung humanitärer und sozialer Probleme. Das europäische Modell sei ein optimales Vorbild, so der Präsident.

Leonid Sokolnikow, Brüssel, DW-Zentralasien, 6.11.2007