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Samuel P. Huntington

Daniel Scheschkewitz18. April 2007

Sein Buch über den "Kampf der Kulturen" hat die Debatte über den Islam in der westlichen Welt entscheidend beeinflusst - und Samuel Huntington zu weltweiter Bekanntheit verholfen. Jetzt wurde er 80.

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Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington
Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington (Archivbild)Bild: picture-alliance/ dpa

Überall auf der Welt stehen sich verschiedene Kulturkreise mit ganz unterschiedlichen Werten und Traditionen gegenüber. Deren Gegensätzlichkeit habe die Konflikte zwischen den Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts und Ideologien des 20. Jahrhunderts abgelöst und sei die Ursache für neue Kriege auf der Welt. So lautet, verkürzt, Huntingtons Hauptthese, die er in seinem berühmtesten Werk. "The Clash of Civilizations" (auf deutsch "Kampf der Kulturen") 1996 entwickelte und die er seitdem weltweit in öffentlichen Foren propagiert.

Umstrittene Popularität

Nach dem Ende des Kalten Kriegs, so der analytische Befund Huntingtons, habe das politische System seine zugehörigkeitsstiftende Bindungskraft verloren, an seine Stelle sei das kulturelle Wertegefüge getreten. Konflikte seien deswegen heutzutage ethnisch-religiös motiviert und nicht mehr in erster Linie politisch-wirtschaftlicher Natur.

In seinem Buch beschreibt Huntington die Auseinandersetzung mit dem Islam als große Gefahr für den Westen. Die Anschläge islamistischer Extremisten in New York, Washington, Madrid oder London in den vergangenen Jahren scheinen den Harvard-Forscher auf den ersten Blick zu bestätigen und haben Huntington in den USA, aber auch darüber hinaus, zu neuer, wenn auch umstrittener, Popularität verholfen.

"Der" Islam?

Mit seinem Schlagwort vom Kampf der Kulturen sei ein griffiges und nachvollziehbares Erklärungsmuster für aktuelle Konflikte gefunden, sagen seine Befürworter. Er verkürzt komplexe Zusammenhänge unzulässig und hat nachhaltig zum Feindbild des Islam beigetragen. Zudem spreche er zu pauschal von “dem” Islam, sagen seine Kritiker.

Zu denen gehört auch der deutsche Politologe und Friedensforscher Dieter Senghaas. Er relativiert die Bedeutung von Huntingtons Werk: “Ich glaube, dass über das Buch noch einige Jahre diskutiert werden wird. Es ist eines der wenigen Angebote für eine Makro-Diskussion. Dann aber wird es so sein wie bei Fukuyamas Buch vom 'Ende der Geschichte'. Man wird sich an den Autor erinnern, man wird die Überschrift im Kopf haben, aber ansonsten wird man es wahrscheinlich vergessen haben, was aber nicht heißt , dass die aufgeworfenen Fragestellungen nicht weiterhin von Interesse sind.”

"Latinos" kontra Anglo-Amerikaner?

Kritisiert wird an Huntington vor allem seine als apodiktische empfundene Behauptung, wonach die höhere Geburtenrate im Islam gleichsam zwangsläufig auch eine höhere Gewaltbereitschaft zur Folge hätte. In seinem im Jahr 2004 erschienen Buch "Who are we - The Challenges to America’s National Identity", dass sich mit der von ihm unterstellten Veränderung der amerikanischen Identität beschäftigt, bezieht Huntington sein Konfliktmuster auf die inneramerikanische Situation. Die Einwanderungsbewegung aus Teilen Lateinamerikas werde die USA in eine bi-kulturelle Gesellschaft verwandeln, in der die "Latinos" in einigen Staaten die dominierende Rolle einnehmen und Anglo-Amerikaner in andere Landesteile verdrängen würden.

Samuel Huntington wurde am 18. April 1927 in New York City geboren. Er promovierte an der Harvard-Universität in Cambridge wo er bis heute noch lehrt. Sein Buch vom Kampf der Kulturen wurde bisher in 32 Sprachen übersetzt. Mitte der 1970er Jahre gehörte er dem nationalen Sicherheitsrat der Vereinigten Staaten an und beriet den demokratischen Präsidenten Jimmy Carter.