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UN-Bericht: Syrien in Hariri-Anschlag verstrickt

21. Oktober 2005

Der vom deutschen UN-Sonderermittler Detlev Mehlis erstellte Bericht zum Mord an dem früheren libanesischen Premierminister Rafik Hariri enthält Beweise für Syriens Verwicklung in die Bluttat.

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Übergabe des brisanten PapiersBild: AP

In den Anschlag auf den ehemaligen libanesischen Premierminister Rafik Hariri sind nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) hochrangige Vertreter aus Syrien, aber auch aus Libanon verstrickt. Ein Verdacht richtet sich auch gegen den libanesischen Präsidenten Emile Lahoud sowie den Schwiegersohn des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, Generalmajor Asef Schaukat. Die UN-Untersuchung habe ergeben, "dass vieles direkt auf eine Beteiligung syrischer Sicherheits-Kräfte an dem Attentat hindeutet", hieß es im Bericht von Mehlis, der im Auftrag der UN die Umstände des Todes von Hariri untersucht hatte. Syrien hat wiederholt jede Beteiligung an dem Attentat zurückgewiesen.

Libanon Bombenanschlag ehemaliger Premierminister Rafik Hariri getötet
Bombenanschlag auf den ehemaligen Premierminister Rafik HaririBild: AP

Bei dem Anschlag in Beirut waren am 14. Februar Hariri und 20 andere Menschen getötet worden. Die damalige libanesische Opposition, die inzwischen die Mehrheit im Parlament hat, hatte dafür von Anfang an Syrien und die Chefs der libanesischen Geheimdienste verantwortlich gemacht.

Gegenstimmen

Die Regierung in Damaskus und der syrientreue libanesische Präsident Lahoud wiesen die Anschuldigungen am Freitag scharf zurück. Mehlis' Bericht sei "100-prozentig politisch motiviert", kritisierte der syrische Informationsminister Mahdi Dachlalla im arabischen Fernsehsender Al-Dschasira. Offensichtlich gehe es nur darum, den internationalen Druck auf Damaskus zu verstärken. Wegen dieses Drucks hatte sich Syrien nach dem Autobombenanschlag im Februar aus Libanon zurückgezogen.

Rücktrittsforderung

"Es gibt Grund zu der Annahme, dass die Entscheidung, den ehemaligen Premierminister Rafik Hariri zu ermorden, nicht ohne Billigung hochrangiger syrischer Sicherheitsbeamter und nicht ohne Absprache mit ihren Pendants bei den libanesischen Sicherheitskräften erfolgen konnte", heißt es in dem 54-seitigen Bericht. Dafür gebe es "viele Hinweise". Nun sei es Sache Syriens, einen großen Teil der noch ungeklärten Fragen zu klären.

Zu dem Verdacht gegen Lahoud heißt es, dieser sei Minuten vor dem Anschlag auf seinem Mobiltelefon von dem Bruder einer der Hauptfiguren des Attentats angerufen worden. Zwei anti-syrische Mitglieder des libanesischen Parlaments forderten nach Bekanntwerden des Berichts den Rücktritt Lahouds. Es wäre nicht normal, wenn jemand Präsident bliebe, der von einer solchen Sache gewusst, konspiriert oder sie vertuscht hat, sagte Jibran Tueini dem Sender LBC.

Druck der USA

Die USA, Großbritannien und Frankreich planen bereits die Isolierung Syriens, um das Land für die Jahrzehnte lange Intervention in Libanon sowie den Mordfall Hariri zur Verantwortung zu ziehen. Dafür soll möglicherweise schon am Dienstag (25.10.2005) ein Resolutionsentwurf im Sicherheitsrat eingebracht werden. Am selben Tag wird Mehlis dem höchsten UN-Gremium seine Ermittlungsergebnisse erläutern.

Nach einem Bericht der US-Zeitung "Washington Post" glauben die westlichen Regierungen, dass der Zeitpunkt für eine entscheidende Schwächung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad gekommen ist. Selbst Ägypten, Saudi-Arabien und andere wichtige arabische Länder zeigten ihm mittlerweile die kalte Schulter.

Der Mehlis-Bericht war am Donnerstag (20.10.) UN-Generalsekretär Kofi Annan übergeben worden, der die Unterlagen an den UN-Sicherheitsrat und die libanesische Regierung weiterreichte. In den Papieren heißt es, Syrien habe mit der UN bei der Aufklärung eingeschränkt zusammengearbeitet. Zum Teil sei versucht worden, die UN-Aufklärer mit falschen oder ungenauen Aussagen zu täuschen.

Hintermänner

Als bedeutende Figur bei dem Anschlag wurde Ahmad Abdel-al genannt, ein Mitglied der militanten Islamisten-Organisation Ahbasch mit historischen Verbindungen zu führenden Vertretern Syriens. Es habe zahlreiche Kontakte am Tag des Anschlags zwischen Abdel-al und libanesischen Sicherheitskräften gegeben, darunter Brigadegeneral Faysal Rasheed, dem Chef der Sicherheitsbehörden von Beirut.

Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen sehe es so aus, dass der Anschlag von einer Gruppe mit beträchtlichen Möglichkeiten bei der Organisation sowie erheblichen Mitteln und Befähigungen verübt worden sei, hieß es. Das Verbrechen sei über einen Zeitraum von mehreren Monaten vorbereitet worden.

Festnahmen

Mehlis kommt zu dem Schluss: "Es ist eine allseits bekannte Tatsache, dass der syrische Geheimdienst in Libanon allgegenwärtig war, zumindest bis zum Rückzug der syrischen Streitkräfte (nach dem Hariri-Mord). Die damaligen führenden Sicherheitskräfte in Libanon waren von ihm bestellt. Angesichts des Maßes an Infiltrierung der libanesischen Institutionen und Gesellschaft durch die gemeinsam arbeitenden syrischen und libanesischen Geheimdienste wäre es schwierig, sich ein Szenario vorzustellen, bei dem ein solch komplexer Anschlagsplan ohne ihr Wissen ausgeführt wurde."

Die Ermittlungen von Mehlis haben in Libanon bereits zur Festnahme von vier pro-syrischen Generälen geführt. Dazu gehörte auch der Leiter der Republikanischen Garden, Mustafa Hamdan. Er ist ein Vertrauter von Präsident Lahoud und der einzige hochrangige Sicherheitsbeamte, der nach der Parlamentswahl im Juni seinen Posten behalten hat. Damals gewannen das erste Mal seit dem Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 anti-syrische Kräfte die Abstimmung. Syrien trat jahrelang als Ordnungsmacht in Libanon auf. Nach der Ermordung Hariris hatte es seine Soldaten auf internationalen Druck hin aus dem Libanon abgezogen. (mas)