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Politik

UN: Russland steckt hinter Nawalny-Attentat

2. März 2021

Die Vergiftung des Kremlkritikers Alexej Nawalny geht nach Ansicht von zwei UN-Expertinnen auf das Konto des russischen Staats. Sie fordern Konsequenzen.

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Russland Gerichtsprozess gegen Kremlkritiker Nawalny
Alexej Nawalny bei einer gerichtlichen Anhörung im Februar 2021Bild: Press Service of Babushkinsky District Court of Moscow/REUTERS

Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft für die versuchte Tötung von Alexej Nawalny gezogen werden, verlangten Agnès Callamard und Irene Khan, die für die Vereinten Nationen außergerichtliche Tötungen und Redefreiheit beobachten. "Wegen der unzureichenden Maßnahmen der heimischen Behörden, der Verwendung von verbotenen chemischen Waffen und des offensichtlichen Musters von gezielten Tötungsversuchen" sei eine internationale Untersuchung dringend nötig, erklärten die Menschenrechtlerinnen bei einer Online-Pressekonferenz in Genf.

"Das muss unserer Meinung nach auf internationaler Ebene geschehen", sagte Callamard der Deutschen Welle. "Angesichts der Ernsthaftigkeit dessen, was passiert ist. Es handelt sich nicht nur um irgendeinen Tötungsversuch. Es handelt sich um einen Tötungsversuch mit einer verbotenen, nicht zugelassenen chemischen Waffe."

Das Attentat gehöre zu einer Serie von Angriffen im In- und Ausland, erklärten die Expertinnen. Aufgrund der Beweislage sei es "sehr wahrscheinlich", dass vermutlich hochrangige russische Offizielle involviert seien, so Callamard. Sie ist Sonderberichterstatterin für außergerichtliche Hinrichtungen und Khan Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit, beide beim Hohen Kommissar der UN für Menschenrechte.

Russland weist eine Verwicklung in den Fall zurück und lehnt auch Ermittlungen ab. Nawalny war im vergangenen Sommer bei einem Inlandsflug in Sibirien zusammengebrochen und lag dann im Koma. Nach einer ersten Behandlung in Russland kam er nach Berlin in die Charité-Klinik.

Moskau spricht von Desinformation

Das Außenministerium in Moskau teilte mit, es bestehe die Hoffnung, dass die Vereinten Nationen dafür sorgten, dass die internationale "Desinformation" im Fall Nawalny aufhöre. So sollten etwa Deutschland und die Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) dazu gedrängt werden, endlich Beweise zu präsentieren. Callamard wies darauf hin, dass Russland Zugang zu Tatort und Zeugen habe, und somit zu allem, was vor der Analyse des Giftes in Deutschland passiert sei.

Am 20. Februar hatte ein Gericht Nawalnys Verurteilung zu mehreren Jahren Straflager bestätigt. Unter Anrechnung früherer Haftzeiten könnte er nach Berechnungen seiner Anwälte in rund zweieinhalb Jahren im Sommer 2023 freikommen. Nach seiner Festnahme im Januar saß Nawalny zunächst gut einen Monat in einer Moskauer Anstalt. Inzwischen wurde Nawalny in das Straflager N2 in der Kleinstadt Pokrow gebracht, die rund 200 Kilometer östlich von Moskau liegt.

Die russische Justiz wirft Nawalny einen Verstoß gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren vor, während er sich in Deutschland von dem Giftanschlag erholte. Das Urteil steht im Westen als politisch motiviert in der Kritik.

Neue Sanktionen gegen vier Russen

Wegen des Vorgehens gegen den Kremlkritiker Alexej Nawalny haben die Botschafter der EU-Mitgliedstaaten grünes Licht für Sanktionen gegen Russland gegeben. Wie die Nachrichtenagentur AFP aus EU-Kreisen erfuhr, billigten die Vertreter der 27 Regierungen Einreise- und Vermögenssperren gegen vier hochrangige Vertreter des russischen Justiz- und Strafverfolgungssystems. Ihre Namen sollen nach Bestätigung in einem schriftlichen Verfahren am Dienstag im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden.

Nach AFP-Informationen handelt es sich um Generalstaatsanwalt Igor Krasnow, den Direktor der Gefängnisverwaltung, Alexander Kalaschnikow, den Chef des Ermittlungskomitees, Alexander Bastrykin, und den Leiter der Nationalgarde, Viktor Solotow. Die EU setzt dabei erstmals ihren neuen Sanktionsrahmen gegen Menschenrechtsverletzungen ein.

Russland plant Gegenmaßnahmen

Russlands Vize-Außenminister Alexander Gruschko sagte, der Schritt sei "keine Überraschung" für Moskau. "Die Europäische Union setzt einen absolut rechtswidrigen Weg fort", sagte er nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Interfax. Dieser führe in "eine absolute Sackgasse". Es werde "natürlich eine Reaktion von unserer Seite geben".

Nach dem Giftanschlag hatte die EU bereits sechs Russen auf ihre Sanktionsliste gesetzt. Unter ihnen waren Vertraute von Staatschef Wladimir Putin wie der stellvertretende Leiter der Präsidialverwaltung, Sergej Kirijenko, und der Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow.

kle/ack (dpa, afp, rtr, DW)