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Unbehagen über Berlusconi

8. Januar 2002

Nach dem Rücktritt von Außenminister Renato Ruggiero will Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi das Ressort längere Zeit selbst führen. Politiker der EU zeigten sich besorgt über die Kabinettskrise in Italien.

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Berlusconi: Europäischer Agnostiker?Bild: AP

Am Montagabend (7.1.02) demonstrierten mehrere tausend Anhänger der Linken in Rom. Die Regierung dürfe ihren europäischen Kurs nicht aufgeben, forderten sie nach dem Rücktritt des Außenministers Renato Ruggiero. Der strikte Euro-Befürworter hatte zuvor mehreren Kabinettskollegen vorgeworfen, die gemeinsame Währung der Euro-Zone schlechtzureden. Darauf erzwang Regierungschef Silvio Berlusconi faktisch den Rücktritt Ruggieros. Berlusconi erklärte öffentlich, Ruggiero sei lediglich ein Technokrat, der die politischen Vorgaben umzusetzen habe. Diese Brüskierung nahm der 71-Jährige Karrierediplomat, der immerhin viele Jahre Chef der Welthandels-Organisation WTO war und als politisches Schwergewicht in der italienischen Mitte-Rechts-Koalition galt, nicht hin.

Antieuropäische Tendenzen in der italienischen Regierung

Noch weiter ging Umberto Bossi, "Reform"-Minister der rechtsgerichteten "Lega Nord". Bossi, der die EU schon mal als "europäische Sowjetunion" bezeichnete, hatte Ruggiero als Vertreter von "Bürokraten und Tyrannen" bezeichnet. Bossi sagte, "er pfeife auf den Euro". Ähnlich äußerten sich Wirtschaftsminister Giulio Tremonti und Verteidigungsminister Antonio Martino, einer der Kandidaten für die Nachfolge Ruggieros. Allerdings möchte sich Berlusconi Zeit lassen bei der Suche nach einem neuen Minister. Laut Zeitungsberichten will der Regierungschef das Außenministerium sechs Monate lang führen und in dieser Zeit neu strukturieren.

Die Opposition kritisierte die Entscheidung Berlusconis, beide Ämter auszuüben. Er gebe populistischen Euro-Skeptikern in den eigenen Reihen nach, sagt Piero Fassino, Chef der größten Oppositionspartei, der "Democratici di Sinistra" (Linksdemokraten). Tatsache ist, dass der große Rückhalt in der italienischen Bevölkerung für die EU in der Außenpolitik nun keine Entsprechung mehr findet.

"Sieg der Anti-Europäer"

Auch in anderen europäischen Hauptstädten ist man über die Entwicklung nicht sonderlich glücklich. Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundesaußenminister Joschka Fischer bedauerten den Rücktritt Ruggieros, der ein "gute Freund Deutschlands" sei. Romano Prodi, Präsident der EU-Kommission, meinte in Brüssel, er hoffe auf "außenpolitische Kontinuität in Rom". Der belgische Außenminister Louis Michel sprach gar von einem "Sieg der Anti-Europäer" in Italien. Und die französische Regierung forderte ein "klares Bekenntnis" Italiens zu Europa.

Silvio Berlusconi, den Ruggiero einmal als "Agnostiker" der Europapolitik bezeichnet hatte, versucht inzwischen, Zweifeln am Europa-Kurs seiner Regierung entgegenzutreten. "Unsere Außenpolitik bleibt überzeugt europäisch", sagte der Ministerpräsident in Rom. "Es gibt nur eine außenpolitische Linie, die sich nicht verändern wird und deren Garant ich selbst bin." (ao/dk)