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Martin Walser veröffentlicht "Spätdienst"

20. November 2018

Vom Ruhestand hält er nichts. Ganz im Gegenteil. Martin Walser, inzwischen 91 Jahre alt, schreibt wie ein Besessener. In seinem neuen Buch "Spätdienst" zieht der berühmte Autor eine literarische Lebensbilanz.

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Schriftsteller Martin Walser
Bild: picture-alliance/dpa/F. Kästle

"Schreiben ist das Einzige, das ich von selbst tue, ohne dass ich muss", so die Aussage von Martin Walser, 91 Jahre alt, bei der Vorstellung seines neuen Buchs "Spätdienst" in Stuttgart. Schreiben sei für ihn eine Art "Lebensmittel", führt er weiter aus, es sei sozusagen eine Urgewohnheit, die für ihn schon früh "das Sprechen ersetzt" habe.

Und er schreibt nach wie vor: Erst vor ein paar Monaten erschien "Gar alles oder Briefe an eine unbekannte Geliebte", im letzten Jahr veröffentlichte er "Statt etwas oder Der letzte Rank" sowie "Ewig aktuell: Aus gegebenem Anlass". Und nun das Buch "Spätdienst", das am Dienstag (20.11.2018) erschienen ist. 

Auseinandersetzung mit dem Alter

Martin Walser gilt als einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller. Sein jüngstes Werk ist eine Art literarische Lebensbilanz: Kein Roman, sondern eine Ansammlung von Aphorismen, Gedanken und Gedichten. Lyrische und essayistische Texte, oft mit todtraurigem Unterton. Teile davon stammen aus Tagebüchern des Schriftstellers. 

Buchcover Spätdienst von Martin Walser
Bild: Verlag Rowohlt

Ein großes Thema: die Auseinandersetzung mit dem Alter, ehrlich bis zur Schonungslosigkeit. "Ich muss darauf gefasst sein,/dass es sich hinzieht,/dass ich nicht mehr weiß,/was ich sage,/und in jeder Stunde,/bis zur letzten,/das Bett beschmutze."

Daneben geht es um die Liebe, um die Fehler des Lebens oder auch einfach um Wind, fallende Blätter und Mäusemist. Und natürlich kommt immer wieder auch das Thema hoch, das Walser von früh an umtrieb und verletzte und schließlich zu seinem umstrittensten Buch führte, dem Bestseller "Tod eines Kritikers" (2002): der Umgang der deutschen Literaturpäpste - allen voran des Literaturkritikers und Holocaust-Überlebenden Marcel Reich-Ranicki (1920 - 2013) - mit seinem Werk. Das Buch löste schon vor seiner Veröffentlichung einen öffentlichen Streit aus und brachte Walser den Vorwurf des Antisemitismus ein.

Für einen Skandal sorgte er bereits ein paar Jahre zuvor, als er 1998 anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in seiner Dankesrede die "Instrumentalisierung von Auschwitz" kritisierte. Seiner Meinung zufolge erreiche die ständige Thematisierung des Holocaust als "Moralkeule" den gegenteiligen Effekt. Eine Aussage, die eine hitzige Debatte nach sich zog.

Bestseller "Ein fliehendes Pferd" 

Den großen Durchbruch schaffte Martin Walser Ende der 1970er Jahre mit seiner Novelle "Ein fliehendes Pferd". Mit über einer Million verkaufter Exemplare ist es sein erfolgreichstes Buch - und daher natürlich auch Teil des DW-Literaturprojektes "100 gute Bücher".

Sein neuestes Werk ist kein Buch, das man in einem Rutsch durchliest. Aber man kann es immer wieder einmal herausziehen und den großen alten Mann der deutschen Gegenwartsliteratur ein Stück weit bei seinem "Spätdienst" begleiten. Und jedes Mal von Neuem wieder darüber staunen, was er in dem denkwürdigen Gespräch mit seinem lange verheimlichten Sohn Jakob Augstein ("Das Leben wortwörtlich") einmal so formuliert hat: "Ich habe erfahren, dass durch Schreiben alles schön werden kann. Die Verzweiflung in Sprache ist eben schön."

pl/rbr (mit dpa / Munzinger Archiv)

Martin Walser: "Spätdienst. Bekenntnis und Stimmung". Rowohlt Verlag 2018