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Nach dem Dresden-Debakel

7. Juli 2008

Die UNESCO hat die Wohnsiedlungen der "Berliner Moderne" neu als Weltkulturerbe anerkannt. Die sechs Ensembles repräsentierten einen neuen Typ des sozialen Wohnungsbaus, hieß es in der Begründung.

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Blick aus der Vogelperspektive auf die Hufeisensiedlung im Berliner Bezirk Neukölln
Die Hufeisensiedlung im Berliner Bezirk Neukölln steht fortan unter besonderem UNESCO-SchutzBild: picture-alliance/dpa
Blick auf ein Gebaeude des Architekten Hans Schorun in der Siemensstadt im Bezirk Spandau von Berlin
Die Wohnungen in der Siemensstadt sind auch heute noch bei jungen Familien begehrtBild: AP

Die UN-Kulturorganisation sprach den insgesamt sechs Berliner Siedlungen aus dem frühen 20. Jahrhundert am Montag (7.7.) bei ihrer Tagung im kanadischen Québec das begehrte Gütesiegel zu. Die Ensembles hätten beträchtlichen Einfluss auf die weitere Entwicklung von Architektur und Städtebau ausgeübt. Bei den Siedlungen handelt es sich um Bauten von Architekten wie Bruno Taut, Hans Scharoun und Walter Gropius. Die Gartenstadt Falkenberg, die Siedlung Schillerpark, die Hufeisensiedlung Britz, die Wohnstadt Carl Legien, die Weiße Stadt und die Großsiedlung Siemensstadt waren zwischen 1913 und 1934 entstanden.

Gegenmodell zu Mietskasernen

Blick auf den Eingang eines Hauses der Siedlung Gartenstadt Falkenberg des Architekten Bruno Taut im Bezirk Treptow-Koepenick von Berlin
Wegen der intensiven Farben der Gartenstadt Falkenberg bezeichneten Spötter das Frühwerk des Architekten Taut auch als "Tuschkasten-Siedlung"Bild: AP

Die Siedlungen markierten einen historischen Wendepunkt im Städtebau, wie er nur unter den einmaligen politischen und gesellschaftlichen Bedingungen der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg möglich gewesen sei, erklärte die UNESCO. "Als Gegenmodell zur privatwirtschaftlichen Bauspekulation mit ihren Mietskasernen sollten sie eine neue Architektur für eine neue Stadt in einer neuen Gesellschaft verwirklichen."

Tatsächlich hoben sich die Berliner Siedlungen der Moderne stark von den zeitgenössischen Mietskasernen ab. Sie waren praktisch geschnitten, modern ausgestattet und vor allem bezahlbar. So ermöglichten sie einen gesünderen Lebensstandard auch für die ärmeren Bevölkerungsschichten. Sie sind Zeugen der sozialen Aufbruchstimmung in einer Zeit, in der die Weimarer Verfassung "jedem Deutschen eine menschenwürdige Wohnung" garantierte. Mit ihren klaren Formen und ihrem auf Licht und Sonne achtenden Konzept wurden die Berliner Siedlungen bestimmend für die Bauweise des gesamten Jahrhunderts.

Berlin stark vertreten

Wohnungen der Siedlung Weiße Stadt im Berliner Bezirk Reinickendorf
Im Gegensatz zu den Mietskasernen waren in der Siedlung Weiße Stadt Bad, Toilette und Zentralheizung PflichtBild: AP

Die deutsche Delegierte in Québec, Birgitta Ringbeck, sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa), die Entscheidung sei problemlos und einvernehmlich gefallen. Der Berliner Senat reagierte "hocherfreut" auf die UNESCO-Entscheidung. Sie zeige, dass Berlin viel mehr zu bieten habe als die bekannten Sehenswürdigkeiten, sagte Senatssprecher Richard Meng. Die Bewerbung Berlins war maßgeblich von Immobilienunternehmen gefördert worden.

Die Berliner Siedlungen der Moderne sind die dritte Stätte der Bundeshauptstadt auf der Welterbeliste: 1990 wurden die preußischen Schlösser und Gärten von Berlin und Potsdam mit dem Gütesiegel versehen, 1999 kam die Museumsinsel hinzu. Mit der Neuaufnahme der Siedlungen der Berliner Moderne ist Deutschland jetzt mit 33 Stätten in der UNESCO-Liste des Welterbes vertreten.

Dresden-Scharte ausgewetzt?

Wohnhäuser der Carl-Legien-Siedlung im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg
Die Formensprache der Carl-Legien-Siedlung im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg gilt als wegweisend für das 20. JahrhundertBild: picture-alliance/dpa

In der Welterbeliste der UNESCO sind insgesamt gut 850 einzigartige Kulturdenkmäler und Naturlandschaften der Erde verzeichnet. Ihre Bewahrung wird als Aufgabe der gesamten Völkergemeinschaft angesehen. Zur diesjährigen Tagung des Welterbekomitees, das noch bis Donnerstag berät, lagen 47 Nominierungen zur Aufnahme ins Welterbe vor.

Ebenfalls am Montag setzte das Welterbekomitee den aus dem 11. Jahrhundert stammenden kambodschanischen Hindu-Tempel Preah Vihear an der Grenze zu Thailand auf seine Liste, außerdem die an der Straße von Malakka gelegenen malaysischen Städte Melaka und Georgetown sowie den Ort Kuk in Papua-Neuguinea, in dem einer der weltweit ältesten bewässerten Gärten gefunden wurde. Am Donnerstag hatte das Komitee beschlossen, das Dresdner Elbtal 2009 aus der Liste des gefährdeten Welterbes zu streichen, falls der Bau der geplanten vierspurigen Brücke bis dahin nicht gestoppt und der angerichtete Schaden gutgemacht werden sollte. (ag)