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Jüdisches Viertel in Köln bald Weltkulturerbe?

Verena Greb
6. November 2020

Es ist das älteste jüdische Viertel nördlich der Alpen. Die Stadt Köln möchte dieses "außergewöhnliche Zeugnis" 2021 als UNESCO-Welterbestätte vorschlagen.

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Die Baustelle des MIQUA in Köln aus der Vogelperspektive, dahinter der Kölner Dom - Bild von 2019
Im Zentrum der Kölner Altstadt befindet sich die Ruinen eines jüdischen Viertels aus dem MittelalterBild: Klaus W. Schmidt/imago images

Die "Kahal Kolonia" geht bereits auf das 11. Jahrhundert zurück. Sie gilt als die älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen. Heute liegt sie im Zentrum Kölns - im Mittelalter eine der bedeutendsten Großstädte, eine Handelsmetropole. Neben den Bauten wie der Synagoge oder dem Hospital geben auch die kleineren Fundstücke Einblick in das Leben der Menschen im Mittelalter.

2011 waren es Schiefertafeln, die Aufschlussreiches über Alltäglichkeiten liefern konnten. Eigentlich ist Schiefer nichts Ungewöhnliches - mit ihm wurden seit dem Mittelalter Dächer gedeckt - doch die gefundenen Tafeln waren mit altertümlichen hebräischen Buchstaben beschriftet. Auf manchen sind Namen und Geldbeträge notiert. Anders als in offiziellen Quellen finden sich Namen darauf, die eingedeutscht erscheinen - also nicht den offiziellen Synagogennamen entsprechen.

Straßenzüge und Gebäude des einstigen jüdischen Viertels von Köln auf einer Gedenktafel - Baustelle MiQua in Köln
Eine Gedenktafel veranschaulicht das Areal des einstigen jüdisch-mittelalterlichen Viertels in KölnBild: Boensch/imageBROKER/picture alliance

Gemeinsamkeiten von jüdischen und christlichen Kölnern

Ein Museum namens MiQua soll künftig diese außergewöhnliche Geschichte dokumentieren. Die Grabungen haben schon zu neuen Erkenntnissen über das Zusammenleben von Juden und Christen im Mittelalter geführt. Das Erstaunliche liegt für den Leiter des künftigen MiQua, Thomas Otten, darin, "dass sich die jüdische Gemeinde im Alltag kaum von den christlichen Bevölkerungsteilen unterschieden hat. Die haben dieselben Essgeschirre verwendet, dieselbe Kleidung getragen, wenn es nicht rituelle Kleidung in der Synagoge war. Außerdem haben sie dieselben Lampen verwendet und noch vieles mehr", erläutert er im Interview mit der DW.

Beschriftete Tafel aus Schiefer - Archäologische Zone Köln - MiQua (Foto: Stefan Arendt/LVR-Zentrum für Medien und Bildung)
Eine von insgesamt rund 500 beschrifteten Schiefertafeln, die in Köln gefunden wurden

Das Zusammenleben von Christen und Juden - im 12. und 13. Jahrhundert schätzt Otten ihre Zahl anhand der Größe des Viertels auf 800 bis 1000 - scheint im Mittelalter für eine gewisse Zeitspanne problemlos funktioniert zu haben. Dass durch die im 14. Jahrhundert einsetzenden Pogrome und die damit einhergehende Verfolgung der jüdischen Gemeinde ein Wandel einsetzte, davon zeugt auch ein anderes Fundstück vom Kölner Rathausplatz: ein goldener Ohrring. Die Archäologen bezweifeln, dass ein derart wertvolles Stück - es geht auf die Goldschmiedekunst des zehnten oder elften Jahrhunderts zurück - einfach so verloren ging. Vermutlich war es aus Angst vor Plünderungen versteckt worden. Im Jahr 1424 wurden dann alle Juden aus der Stadt vertrieben.

Ein Rautenelement schwebt auf der Baustelle ein - Archäologische Zone Köln - MiQua
Arbeiten am oberirdischen Teil des MiQuaBild: Sharon Nathan/LVR

Ein neues Museum in der Kölner Altstadt - das MiQua

Das "MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln", wie es im ganzen Titel heißt, entsteht als unter- und oberirdischer Komplex auf dem Kölner Rathausplatz. Seine Eröffnung war einmal für 2021 angesetzt, jetzt könnte sie 2024 stattfinden. Immerhin: 2021 werde der Rohbau gut erkennbar sein, so Otten. Parallel zu den oberirdischen Arbeiten geht derzeit auch die Arbeit unter der Erde noch weiter. Vor allem an der Besucherführung wird noch gefeilt, denn die Menschen sollen sich auf einem Besuchersteg durch die archäologischen Funde bewegen können. Trotzdem sei die wissenschaftliche Arbeit der Archäologen noch nicht beendet. "Es wird regelmäßig auch noch in kleinerem Rahmen gegraben, untersucht, gefestigt. Es ist noch viel restauratorische Arbeit zu leisten, um das Ganze für einen späteren Besucherverkehr zu ertüchtigen", sagt Otten.

Köln: Heimat mindestens einer UNESCO-Welterbestätte

Kölner Dom

Die jüdischen Bauten in unmittelbarer Nähe des Kölner Rathauses stehen bereits auf einem noch älteren Fundament: dem Praetorium, einem römischen Statthalterpalast. Als bedeutsamer Teil des "Niedergermanischen Limes" läuft für diese nach dem Zweiten Weltkrieg wiederentdeckte einstige Regierungszentrale der Provinz Niedergermanien bereits ein Antrag auf Auszeichnung als Weltkulturerbe. 2021 wird sich entscheiden, ob Köln nach dem Dom - der ist bereits seit 1996 UNESCO-Welterbe - eine zweite Welterbestätte erhält. Das jüdische Viertel wäre dann bereits die dritte. Das Team des "MiQua" ist hoffnungsvoll.

Langer Weg zum Welterbe

Doch zunächst muss der Antrag für das jüdische Viertel als Welterbestätte einen Qualifizierungsprozess innerhalb Nordrhein-Westfalens durchlaufen. Danach lautet das Ziel: Im Sommer 2023 auf die bundesdeutsche Vorschlagsliste gesetzt zu werden, um wiederum zwei Jahre später im offiziellen UNESCO-Verfahren eine Chance zu haben.

Thomas Otten hält die Bewerbung auch deshalb für aussichtsreich, weil es sich um ein mittelalterliches jüdisches Viertel handelt, "das wir in der archäologischen Substanz, in der Überlieferung, in seiner Gesamtheit fassen konnten - also auch in der stadttopografischen Ausdehnung mit den öffentlichen Gebäuden, mit privaten Gebäuden, das Ganze in seinem Rechtsbezirk, der sogenannten 'Kahal Kolonia'." Andrei Kovacs, leitender Geschäftsführer des in Köln ansässigen Vereins "321 - 2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" würde begrüßen, wenn das Land NRW die Kahal Kolonia nominierte: "Es wäre ein tolles Signal, um jüdisches Leben zu würdigen und auch über das Festjahr #2021JLID - 1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland hinaus sichtbar und erlebbar zu machen!"