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Orban drückt neue Verfassung durch

Cordula Denninghoff11. März 2013

Alle Proteste haben nichts genützt. Mit den Stimmen der konservativen Regierungsmehrheit unter Premier Orban beschloss das Budapester Parlament, die Verfassung zu ändern. Auch die EU hatte davor gewarnt.

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Ungarns Premierminister Victor Orban, (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP

Die Novelle schränkt demokratische Rechte wie die Pressefreiheit, das Justizwesen und die Unabhängigkeit der Zentralbank ein – so lautet das Urteil in anderen europäischen Ländern. Doch die ungarischen Abgeordneten haben sich weder von Demonstrationen im eigenen Land noch von Warnungen der europäischen Kommission in Brüssel stoppen lassen. 265 Parlamentarier stimmten für die Reform, 11 dagegen und 33 enthielten sich.

Die Reform sieht starke Einschnitte der Befugnisse des Verfassungsgerichts vor. Es darf künftig vom Parlament beschlossene Änderungen der Verfassung nur noch in verfahrensrechtlicher Hinsicht, nicht aber inhaltlich prüfen. Außerdem ist es den höchsten Richtern verboten, sich auf Richtersprüche aus der Zeit vor der jetzigen geänderten Verfassung zu berufen. Damit werden sie von einer Tradition abgeschnitten, die in 22 Jahren gewachsen ist. In jüngster Zeit hatte sich das Verfassungsgericht häufig auf seine frühere Interpretation von Grundrechten berufen, wenn es demokratisch bedenkliche Gesetze außer Kraft setzte.

Ungarische Demokratie in Gefahr

Beschneidung von Bürgerrechten

Andere Bestimmungen erheben Gesetze in den Verfassungsrang, die zuvor vom Verfassungsgericht gekippt wurden. Der Schutz der Familie wird eingeengt auf Mann und Frau, die miteinander verheiratet sind und Kinder großziehen. Darüber hinaus ist ein Verbot von Wahlwerbung im privaten Fernsehen vorgesehen, eine Kriminalisierung von Obdachlosen und ein Verbot für Hochschulabsolventen, die ein Stipendium in Anspruch genommen haben, nach Abschluss des Studiums sofort in Ausland zu gehen.

Demokratie in Gefahr?

Die EU-Kommission hat die Verfassungsänderungen scharf kritisiert. "Diese Änderungen werfen Bedenken auf bezüglich des Respekts für das Rechtsstaatsprinzip, für das EU-Recht und die Standards des Europarates", schrieb Kommissionschef José Manuel Barroso in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Generalsekretär des Europarates, Thorbjörn Jagland.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte vor der Abstimmung betont, "dass Europa eine Wertegemeinschaft ist und dass wir erwarten, dass diese Werte auch nach innen gelebt werden." Es gehe nicht nur um Verfassungen und Rechte, die auf dem Papier stehen, "sondern sie müssen in der Praxis auch gelebt werden. Das ist der Maßstab, der für uns alle in Europa gilt", betonte Westerwelle.

An diesem Dienstag wird Bundeskanzlerin Angela Merkel den ungarischen Staatspräsidenten Janos Ader empfangen. Die Vorsitzenden der SPD- und der Grünen-Fraktionen im Bundestag, Frank-Walter Steinmeier und Jürgen Trittin, forderten Merkel auf, mit Ader "Klartext zu reden". Es könne nicht sein, dass mitten in der Europäischen Union der Rechtsstaat mit Füßen getreten werde, sagte Trittin. Sollte die ungarische Regierung nicht einlenken, müsse geprüft werden, ob die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstößen gegen die Prinzipien der Union einleiten sollte. Steinmeier verlangte, das "indiskutable Vorgehen" Orbans müsse Thema des nächsten EU-Gipfels werden.

cd/sc (afpe, dpa, AP)