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Ungehemmte Lust

25. Dezember 2001

Sex und Nacktheit stehen in Londons Museen derzeit hoch im Kurs. Zwei der bekanntesten Kunsttempeln locken derzeit mit erotischen Verführungen. Tate Britain und Tate Modern präsentieren zwei Ausstellungen zum Thema.

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Die Tate Britain hat nach einer gründlichen Modernisierung erst vor kurzem wieder ihre Tore geöffnet. Nun lockt sie die Besucher mit Aktdarstellungen aus der Zeit von Königin Victoria (1837-1901). Die Ausstellung "Victorian Nudes" wirft ein neues Licht die heimlichen Gelüste in den Tagen einer Herrscherin, die selbst als äußerst prüde galt. Die Schwester-Galerie Tate Modern verzeichnet ebenso großes Interesse an der Surrealismus-Ausstellung "Desire Unbound" (Ungehemmte Lust).

Sex sells

Beide Ausstellungs-Titel sind laut und effektbewusst. Auch ist es sicher kein Zufall, dass die beiden Museen unter Führung ihres Direktors Nick Serota zur gleichen Zeit ähnliche Signale aussenden. Unter dem Mantel der Ernsthaftigkeit wird vor allem eines klar: Sex zieht. Die Rechnung geht auf, denn beide Ausstellungen sind Publikumsmagnete. Wem der Kunstgenuss von "Desire Unbound" in dem umgebauten Kraftwerk an der Themse noch nicht reicht, kann sich im Museumsladen der Tate Modern kunstvoll entworfene Dessous eines Unterwäsche-Herstellers zulegen. Ein US-Kosmetikhersteller kreierte eigens zu der Ausstellung Lippenstift, Parfüm und Rouge.

Königin Elisabeth und die Venus
Venus StatueBild: AP

Der allgegenwärtige Hauch der Erotik lässt den eigentlichen Anlass der Ausstellung allerdings etwas in den Hintergrund geraten. Dabei gibt es in der Tate Modern Außergewöhnliches zu sehen: Meret Oppenheims Pelztasse, Magrittes "Vergewaltigung", Hans Bellmers unheimliche Puppen und Dalis Hummertelefon stehen zur Schau. Werke von Miro, de Chirico, Max Ernst, dazu Fotos von Man Ray und Lee Miller ergänzen das Angebot.

Die Spuren gelebter Leidenschaft

"Desire Unbound" gewährt auch einen Einblick in Korrespondenzen, Manuskripte und Tagebücher der Initiatoren des Surrealismus. Den nachvollziehbaren Spuren tatsächlich gelebter Leidenschaft ist in der Tate Modern ein ganzer Raum gewidmet. Allein er macht die Ausstellung sehenswert, die noch bis Ende Januar dauert und anschließend in New York gezeigt wird. Dagegen sind die victorianischen Nuditäten (bis 27. Januar) ein eher zwiespältiges Vergnügen. Bei vielen der minder bedeutenden Werke wird deutlich, wie sehr die Kunst der Ära in ihrer hemmungslosen Idealisierung des Objekts bis zum Kitsch reichte. Aber auch hierher strömen die Besucher. Wie gesagt: Sex zieht.(pf)