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Ungewohnte Kritik an China aus Lateinamerika

Tobias Käufer Rio de Janeiro
1. Dezember 2022

Illegaler Goldbergbau in Bolivien, schlechte Handelsbilanz in Argentinien: Es regt sich erster Widerstand gegen Chinas Expansionskurs in Lateinamerika.

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Goldsuche in Bolivien im Madidi Nationalpark
Goldsuche in Bolivien im Madidi NationalparkBild: Bernabé Lopez/DW

Die Goldmine in Mayaya im Norden der bolivianischen Millionenmetropole La Paz ist im Dauereinsatz. Rund um die Uhr wird hier in der Nähe des Rio Kaka Gold gefördert, betrieben von bolivianischen Kooperativen. Doch dahinter stecken in Wahrheit chinesische Inhaber, berichten lokale Medien. Die Umweltbilanz ist katastrophal, es gibt Berichte darüber, dass gegen die Rechte der Bergleute verstoßen wird.

"Die Plünderung des bolivianischen Goldes: Chinesische Unternehmen verstecken sich hinter Bergbaukooperativen", kommentierte vor wenigen Tagen die bolivianische Zeitung El Deber. Chinas Rohstoffhunger wird in Bolivien mehr und mehr hinterfragt: "Die Chinesen nehmen alles und lassen nichts für die Menschen zurück, aber die Regierung sagt nichts", sagt ein Mann, der nicht namentlich genannt werden wollte, der Zeitung.

Quecksilber vergiftet indigene Bevölkerung

Jüngst legte die Zentrale für Indigene Völker in La Paz (CPILAP) eine Studie vor, aus der hervorgeht, dass die Mitglieder von fünf indigenen Völkern, die im Nationalpark Madidi leben, giftige Quecksilberwerte in ihren Körpern aufweisen. Sie sind, darauf deuten die Indizien hin, Opfer der Kontamination durch Goldbergbau, der Quecksilber für die Gewinnung des Edelmetalls einsetzt. Es gelangte mutmaßlich über den Fluss Kaka in den Kreislauf; der Verzehr von Fisch brachte das giftige Metall in ihre Körper.

Goldsuche in Bolivien im Madidi Nationalpark
Goldsuche in Bolivien im Madidi NationalparkBild: Bernabé Lopez/DW

Kaum Prüfung chinesischer Projekte

"Es ist ein Desaster", sagt der spanische Buchautor, Journalist und Lateinamerika-China-Experte Juan Pablo Cardenal im Gespräch mit der DW, der derzeit in Taiwan ist. "Die Chinesen scheren sich nicht um die Umwelt-, Sozial- und Arbeitsschäden ihrer Projekte und auch die Empfängerländer prüfen chinesische Projekte nicht." Chinesische Nichtregierungsorganisation, die analog zu den westlichen NGO´s Umweltverstöße von Unternehmen aus ihren Herkunftsländern aufdecken und bekannt machen, gibt es praktisch nicht. In Chinas Medien spielen solche Themen aus Bolivien keine Rolle.

Bewusstsein für chinesische Strategie wächst

Inzwischen aber wächst mehr und mehr das Bewusstsein für die Konsequenzen des chinesischen Hungers nach Rohstoffen und Nahrungsproduktion. Spätestens seit Ecuador vor fünf Jahren 2017 das chinesische Schiff Fu Yuang Yu Leng 999 mit 300 Tonnen Fisch, darunter 6620 Haie, aufbringen konnte, ist die Sorge groß, dass China die Gewässer vor lateinamerikanische Küsten dramatisch überfischt.

Länder wie Peru, später auch Chile und Ecuador beschlossen, ihre VMS-Daten transparent zu machen: Sie stammen aus einem automatisierten satellitengestützten Überwachungssystem für Fischerei-Schiffe (Vessel Monitoring System - VMS) . Die Umweltschutzorganisation Global Fishing Watch begann daraufhin 2019 mit der Überwachung der Tintenfischflotte. "Die Länder waren sehr daran interessiert, mehr Informationen über die Bewegungen und Standorte von Langstreckenfischereifahrzeugen zu erhalten, die normalerweise in der Nähe ihrer ausschließlichen Wirtschaftszonen operieren, erklärt die Organisation die eigene Vorgehensweise auf Anfrage der DW.

Argentiniens Präsident Alberto Fernández in China mit Xi
Argentiniens Präsident Alberto Fernández bei einem Treffen mit Chinas Präsident Xi im Februar 2022 in PekingBild: Argentinian Presidency/AFP

Argentinien kritisiert Handelsbilanz mit China

Inzwischen weiß man mehr. Der Tintenfisch-Fischfang vor den südamerikanischen Küsten ist komplett in chinesischer Hand. Exakt 98,7 Prozent der Tintenfisch-Flotte, die 2021 in den internationalen Gewässern vor der Küste Südamerikas unterwegs, sind unter chinesischer Flagge unterwegs. Lokale Fischer sind besorgt, weil sie gegen die chinesische Übermacht und deren technologisch überlegenen Schiffe chancenlos sind. Inzwischen laufen die chinesischen Schiffe nicht einmal mehr die lateinamerikanischen Häfen an. Umladungen auf hoher See sind aber laut Greenpeace praktisch nicht zu überprüfen.

In Argentinien hat die Regierung von Präsident Alberto Fernández zuletzt die Handelsbeziehungen zu China kritisch überprüft. Dabei, so will es die Zeitung Clarin erfahren haben, hätten Fernandez und sein Wirtschaftsminister Sergio Massa in bilateralen Gesprächen mit Peking darauf gedrängt, die "sehr ungleichen Beziehungen auszugleichen."

Das argentinische Handelsdefizit mit China beträgt jährlich rund acht Milliarden Dollar. Die so seit 2013 bis heute angehäufte Gesamtsumme erreicht 57 Milliarden Dollar. Das wiederum entspricht der Auslandsverschuldung Argentiniens. Fernández und Massa streben demnach einen Fahrplan an, um eine Handelsverbindung neu auszurichten, "von der bislang nur China profitiert". So gehe das nicht mehr weiter, hieß es aus dem Umfeld von Massa.