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Unser Gast vom 27.12.2009 Kent Nagano, Dirigent

Moderator Hajo Schumacher spricht mit Stardirigent Kent Nagano über Tradition, Taktgefühl und Termindruck.

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Kent Nagano ist ein vielbeschäftigter und gefragter Star unter den internationalen Dirigenten.
Der Amerikaner mit japanischen Wurzeln leitet seit 2006 als Generalmusikdirektor die Bayerische Staatsoper, das größte deutsche Opernhaus. Nebenbei hat der Kosmopolit zahlreiche Engagements in der ganzen Welt von New York bis Tokio. Nagano gilt als intellektueller und analytischer Musiker, der den Ton einer neuen, sachlichen Generation getroffen habe. Vielen gilt er deshalb auch als Ikone der neuen Musik. Kaum ein Dirigent präsentiert so viele Erstlingswerke wie er.
Kent Nagano ist ein vielbeschäftigter und gefragter Star im globalen Klassik-Business. Der Amerikaner mit japanischen Wurzeln leitet seit 2006 als Generalmusikdirektor die Bayerische Staatsoper. Nebenbei hat er zahlreiche weitere Engagements als Dirigent weltweit.

Kent Nagano wurde am 22. Nov. 1951 in Morro Bay/Kalifornien geboren. Seine Großeltern waren aus Japan eingewandert. Sein Vater George Kimiyoshi arbeitete als Architekt, seine Mutter Ruth Okamoto als Mikrobiologin und Pianistin. Er wuchs auf einer Farm auf, ohne Fernsehen, Kino und Stereoanlage. Stattdessen gab es ein Klavier und viel Hausmusik. So wurde der junge Kent früh mit klassischer Musik konfrontiert. Seine Mutter unterrichte ihn außerdem in Bratsche und Klarinette. Bereits als Achtjähriger dirigierte er den Kirchenchor.

Auf Wunsch der Eltern studierte er nach der Schule Soziologie und Musik zunächst in Oxford und Santa Cruz. (BA). Sein damaliger Berufswunsch war zunächst Jurist. Mit 21 beschloss er jedoch, sich ganz der Musik zu widmen und studierte deshalb von 1977 bis 1979 Komposition und Orchesterleitung in San Francisco.

Nach seinem Studium arbeitete Nagano zunächst als Korrepetitor an der Oper von Boston. Anschließend ging er an die Kammeroper von San Francisco. Es folgten das Oakland Ballet Orchestra und das Berkeley Symphony Orchestra, mit dem er das gesamte Orchesterwerk von Olivier Messiaen einspielte. Nagano schickte einen Tonbandmitschnitt an den französischen Komponisten, der ihn schließlich als Assistenten des Dirigenten Seiji Ozawa für die Uraufführung seines Opernoratoriums "Saint François d'Assise" 1983 an der Opéra de Paris verpflichtete. Die Premiere machte Nagano international bekannt. Er leitete danach erste Aufführungen des Werkes in Deutschland, den Niederlanden und Spanien. Zur gleichen Zeit übernahm Nagano die ungewöhnliche Aufgabe, mit dem London Symphony Orchestra Orchesterwerke des Rockmusikers Frank Zappa einzuspielen.

Ozawa holte Nagano anschließend als Assistent ans Boston Symphony Orchestra, wo er 1984 für den plötzlich erkrankten Chefdirigenten einsprang, ohne Probe das Orchester übernahm und Gustav Mahlers "Neunte Symphonie" dirigierte. Im Jahr darauf erhielt er ein Stipendium und vertiefte seine Studien bei Pierre Boulez und Leonard Bernstein. Boulez verpflichtete ihn 1986 als Principal guest conductor des Pariser Spezialensembles für Neue Musik "InterContemporain". 1988 folgte überraschend seine Ernennung zum Chefdirigenten der Opéra du Lyon als Nachfolger von John Eliot Gardiner (bis 2000). 1990 wurde er zudem 1. Gastdirigent des London Symphony Orchestra (bis 1998) sowie 1991 Musikalischer Direktor des Hallé Orchestra in Manchester (bis 2000). 1994 dirigierte er erstmals in Salzburg mit sensationellem Erfolg ein Konzert der Wiener Philharmoniker, als er die szenische Produktion von Igor Strawinskys "Oedipus Rex" und der "Psalmensymphonie" leitete. Im gleichen Jahr feierte er mit Poulencs "Dialogues des Carmelites" ein großartiges Debüt an der Metropolitan Opera in New York.

Naganos Reputation basiert auch ganz erheblich auf seinen exquisiten Schallplatteneinspielungen. Seine Karriere erfolgte eher abseits des Kernrepertoires und lag neben der Mainstream-Spur. Bis Ende der 90er Jahre hatte er keinen der Großmeister wie Mozart, Beethoven oder Brahms eingespielt, was in Deutschland zu Unrecht das Vorurteil des "Experten fürs Randrepertoire" hervorrufe, so die Süddeutsche Zeitung (SZ, 3.4.1997).

Im Jan. 1999 wurde bekannt, dass Nagano als Nachfolger von Wladimir Ashkenazy im Herbst 2000 das Deutsche Symphonie-Orchester (DSO) Berlin als Chefdirigent übernehmen sollte. 2001 ließ er sich von Placido Domingo als „Erster Gastdirigent“ an die Los Angeles Opera verpflichten, bei der er später Music Director wurde (bis 2006).

Nagano gilt als Dirigent mit präziser Schlagtechnik und hoher analytischer Intelligenz, der die Orchestermusiker als Kollegen und nicht nur als "Dirigierte" ansieht. Er versucht stets, auch ein junges Publikum für klassische Musik zu gewinnen. Die Presse war sich rasch über seinen positiven Einfluss auf die Berliner und deutsche Musikszene einig. „Wer Kent Nagano kauft, kauft das Image der klugen Musik-Exegese“, Welt am Sonntag, 14.9.03)

Gerne integriert er selten zu Hörendes in die Programme und bringt Altbekanntes in überraschend neuen Kontexten zu Gehör.

Anfang 2003 kam Nagano erstmals als Nachfolger des Chefdirigenten der Bayerischen Staatsoper in München ins Gespräch - ein Engagement, das drei Jahre später zu Stande kam.

Die Münchner Oper ist mit ihren 2.100 Sitzen das größte Haus in Deutschland. Sie verfügt außerdem über das größte Publikum (580.000 in der Saison 2005), die meisten Produktionen (ca. 40) und das größte Budget (100 Mio. Dollar)

Zusätzlich wurde Nagano als musikalischer Berater des Orchestre symphonique de Montréal (OSM) und ab 2006 neuer Musikdirektor und Nachfolger des Schweizer Dirigenten Charles Dutoit verpflichtet.

Sein Debüt an der Bayerischen Staatsoper in München gab Nagano bereits 2005 mit der Oper "Billy Budd" von Benjamin Britten.

Kommentatoren waren sich einig, dass Nagano das DSO, dem er bis 2008 als Erster Gastdirigent künstlerisch verbunden blieb, in seinen sechs Jahren als Chefdirigent "wieder geformt und positioniert" habe (WELT, 6.3.2006). Im Sept. 2006 nahm er seine Tätigkeit als Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper in München auf.

Nagano ist mit der Pianistin Mari Kodoma verheiratet, und hat eine Tochter Karin Kei. Vor kurzem zog er mit seiner Familie von Paris nach München. Getreu seinem Diktum: „Man findet keinen Zugang zu einer Kultur, ohne Verbindung zu ihrer Sprache zu haben“.

(Wiederholung vom 15.02.2009)