1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Unsichere Perspektiven für Griechenland

Konstantinos Symeonidis6. November 2012

In Athen soll ein neues Sparpaket verabschiedet werden. Selbst wenn eine Mehrheit dafür stimmt, steht die griechische Regierung weiterhin unter Druck, meint Südosteuropa-Experte Heinz-Jürgen Axt im Gespräch mit der DW.

https://p.dw.com/p/16dbQ
Ein streikender Mann mit einer griechischen Fahne vor dem Athener Parlament (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Deutsche Welle: Herr Professor Axt, an diesem Mittwoch stimmt das Parlament über das jüngste, sehr umstrittene Sparpaket ab. Was ist bei dieser Abstimmung zu erwarten?

Heinz-Jürgen Axt: Entweder werden die Abgeordneten der Regierungsfraktion Parteidisziplin üben und trotz Widerständen letztendlich dem Sparpaket zustimmen, oder aber die Abgeordneten enthalten sich der Parteidisziplin und stimmen, so wie sie aus persönlicher Sicht die Dinge beurteilen, gegen das Sparpaket. Das bedeutet, dass die Dreier-Regierungskoalition platzten könnte. Dann entsteht die Frage: Was kann danach passieren an regierungsfähigen Strukturen in Griechenland?

Wird es doch eine knappe Mehrheit für das Sparpaket geben?

Das ist ganz schwer zu sagen. Was man derzeit hört, dass insbesondere bei der Demokratischen Linken die Vorbehalte am stärksten geäußert worden sind, muss einen ja nicht in Sicherheit wiegen, dass es innerhalb der sozialistischen PASOK oder der konservativen "Neuen Demokratie" tatsächlich genügend Abgeordnete gibt, die zur Parteilinie stehen. Ich halte das für sehr schwierig. Vielleicht könnte es dazu beitragen, dass man dann trotz Widerwillen gegen das Sparpaket diesem letztendlich doch zustimmt, dass man fragt, was danach kommt. Wenn es tatsächlich zu einem Negativ-Votum des Parlaments kommt, vermute ich, dass danach keine der drei jetzigen Regierungsparteien mehr Chancen hat, an der Regierung beteiligt zu werden.

Was würde eine knappe Mehrheit für das Sparpaket für die zukünftige Zusammenarbeit innerhalb dieser Regierung bedeuten?

Dass man weiterhin damit rechnen muss, dass Gewerkschaften und Berufsgruppen in der Bevölkerung sich gegen die Sparauflagen wenden werden, dass die Regierung und alle drei Parteien ganz erheblich unter Druck stehen. Das heißt, die jetzige extrem angespannte Situation würde für Griechenland weiter erhalten bleiben, was natürlich das Regieren und auch das Umsetzen des entscheidenden Punkts, der in Griechenland ansteht - endlich mal Strukturreformen anzugehen, um das Land auch wirtschaftlich wieder zumindest ansatzweise auf Wachstumskurs zu bringen - unter diesen spannungsreichen Umständen kaum möglich machen wird.

Porträt des Politikwissenschaftlers Heinz-Jürgen Axt (Foto: DW/Anna Maciol)
Politikwissenschaftler Heinz-Jürgen AxtBild: DW/Anna Maciol

Die linke Syriza erscheint in den Umfragen mittlerweile als stärkste politische Kraft. Sie fordert nun Neuwahlen. Wie ist diese Haltung unter diesen Umständen zu bewerten?

Es ist durchaus logisch, dass man als aussichtsreichste Partei Neuwahlen fordert, weil man in der jetzigen Situation als Syriza tatsächlich hoffen kann, dass man aus den Wahlen stärker hervorgeht. Aber schon bei den letzten Wahlen im Juni diesen Jahres ist ja eigentlich die Frage entstanden: Was macht Syriza, wenn sie tatsächlich eine Regierungsmehrheit bekommt? Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder sie übernimmt tatsächlich die Regierung und sieht sich dann mit den Fakten konfrontiert, und das kann sehr schnell dazu führen, dass Syriza entzaubert wird, dass sie eben auch nicht der große Veränderer sein kann und vor den Gegebenheiten dann tatsächlich auch kapitulieren muss. Oder Syriza gewinnt tatsächlich eine größere Mehrheit bei den Wahlen und ist nicht bereit, die Regierungsverantwortung zu übernehmen – dann gibt es entweder eine Neuauflage der Dreier-Koalition oder es gibt eine Neuauflage der Expertenregierung – aber all das sind sehr unsichere Perspektiven.

Der Politikwissenschaftler und Südosteuropa-Experte Heinz-Jürgen Axt ist Inhaber eines Lehrstuhls für Europäische Integration und Europapolitik an der Universität Duisburg/Essen und Vizepräsident der Südosteuropa-Gesellschaft.

Das Interview führte Konstantinos Symeonidis.