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Unter Zeitdruck

Andreas Hartmann22. Oktober 2002

Rund 1,8 Milliarden Euro haben die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter inzwischen erhalten. Zugesagt hat die Stiftungsinitiative etwa fünf Milliarden. Doch die weiteren Zahlungen sind ein Wettrennen gegen die Zeit.

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Über 50 Jahre mussten Zwangsarbeiter auf eine Entschädigung wartenBild: AP

Die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" wurde am 2. August 2000 mit Sitz in Berlin errichtet. Ziel der Stiftung ist es, Gelder für die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern und anderen Opfern von NS-Repression bereitzustellen. Insgesamt kamen 5,1 Milliarden Euro zusammen. Die Gelder wurden zur Hälfte von den Unternehmen aufgebracht, die dafür eigens eine Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft gegründet hatten. Zu dem Verbund gehören mehr als 6500 Firmen von A wie A. Bonnet Bauausführungen GmbH & Co. KG in Frankfurt am Main bis Z wie Zwinger Restauration & Biergarten Nürnbergorganisiert haben. Die andere Hälfte steuerte der Bund bei.

Die Auszahlung erfolgt über Partnerorganisationen, wie zum Beispiel die "Jewish Claims Conference" (JCC), die "International Organisation for Migration", die "Deutsch - Polnische Aussöhnung" und dem "Deutsch - Tschechische Zukunftsfonds". Die Partnerorganisationen bearbeiten die Entschädigungsanträge.

Über eine Million Entschädigter

Nachdem am 15. Juni 2001 die ersten Zahlungen an die Partnerorganisationen erfolgten, gab die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" bekannt, dass inzwischen 1,81 Milliarden Euro an mehr als eine Million Betroffene Geld ausgezahlt wurde. Dabei ist noch nicht klar, wie hoch am Ende die Zahl der Entschädigten sein wird. Die ersten Partnerorganisationen werden voraussichtlich erst im Frühjahr 2003 endgültige Zahlen vorlegen können. Derzeitige Schätzungen gehen von 1,8 Millionen Menschen aus.

Das hohe Alter der ehemaligen Zwangsarbeiter macht eine rasche Bearbeitung der Anträge notwendig. Denn erst wenn die Antragsverfahren vollständig abgeschlossen sind, kann die Auszahlung der zweiten Rate beginnen. Dieses Verfahren wird angewendet, um auch den Betroffenen Entschädigungen zu garantieren, deren Anträge erst zum Schluss bestätigt werden. Allerdings befürchtet die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", dass die bisherige Auszahlungsquote von über 90 Prozent durch zunehmende Todesfälle bei den zukünftigen Zahlungen nicht mehr erreicht wird.

Gute Zusammenarbeit

Bei der Jewish Claims Conference, der größten Partnerorganisation, ist man "sehr zufrieden, was die Zusammenarbeit mit der Stiftung anbelangt", sagt Konrad Matschke vom Frankfurter Büro der JCC. Nach einem Jahr könne man mit über einer Million entschädigter Betroffener eine "stattliche Bilanz" vorweisen. 546 Millionen Euro verteilte allein die JCC bisher an rund 107.500 Menschen. Der Hauptanteil der Betroffenen, die durch die JCC vertreten werden, lebt in Israel und Nordamerika, weitere Schwerpunkte sind Frankreich, Deutschland, Australien und Südafrika.

Ein dringendes Anliegen der JCC für die nahe Zukunft ist die Entschädigung von Betroffenen, die sogenannte "Personenschäden" erleiden mussten. Das sind Menschen, die im Dritten Reich zum Beispiel für medizinische Versuche missbraucht wurden oder Kinderheimfälle – Säuglinge von Zwangsarbeitern, die in Kinderheimen systematisch durch Nahrungsentzug umgebracht werden sollten. Die Entschädigungszahlungen können jedoch erst erfolgen, wenn alle Anträge dieser Opfergruppe bearbeitet wurden. Das JCC hofft, dies bis Ende des Jahres erledigt zu haben. "Da müssen alle Partnerorganisationen an einem Strang ziehen", so Matschke.

Versicherungsansprüche geklärt

Einigung wurde auch über noch offene Versicherungsansprüche aus dem Dritten Reich erzielt. Die "Internationale Kommission zu offenen Versicherungsansprüchen aus der Zeit des Holocaust" (ICHEIC), wird 281,2 Millionen Euro erhalten. Damit sollen nicht ausgezahlte oder entzogene Policen von NS-Opfern entschädigt werden. Kern der Einigung ist zum einen der Verzicht der ICHEIC-Mitglieder Allianz, Axa, Generali, Winterthur und Züricher auf die Anrechnung der schon gezahlten 50 Millionen Euro. Zum anderen wurde den deutschen Unternehmen von der ICHEIC zugesichert, dass sie in den USA vor weiteren Entschädigungsklagen geschützt werden.